Darum gehts
- Schweiz erhält Zoll-Deal mit USA nach monatelangen Verhandlungen
- Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin führten intensive Gespräche mit US-Vertretern
- Zolltarife für Schweizer Produkte sinken von 39% auf 15%
Die Schweiz atmet auf: Nach monatelangem Warten bekommt auch sie einen Zoll-Deal mit den USA. Sie zahlt künftig 15 Prozent Zölle. Doch wie kam es dazu? Die Rekonstruktion.
Der Schock im Rosengarten
Anfang April schockt US-Präsident Donald Trump (79) im Rosengarten des Weissen Hauses die Welt: Auf einer schwarzen Tafel präsentiert er die US-Zolltarife. Für Schweizer Produkte sollen künftig 31 Prozent gelten.
Trump am Telefon
Schon kurz nach der Ankündigung greift Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) zum Hörer. Das Gespräch dauerte 25 Minuten. Trump habe viele Fragen gestellt und sei interessiert gewesen, sagte Keller-Sutter später im Blick-Interview. «Ich fand offensichtlich den Zugang zu ihm.» Eine Aussage, die ihr später um die Ohren fliegen sollte.
Doch vorerst erntet sie Lob – auch international. Die «Washington Post» nannte das Telefon als möglichen Grund dafür, dass die Strafzölle für 90 Tage ausgesetzt werden. Zeit für Verhandlungen.
Ein bisschen Hoffnung in Genf
Im Mai trifft Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) den US-Finanzminister Scott Bessent (63). Kurz zuvor hatten die Amerikaner mit Grossbritannien ein Zoll-Abkommen geschlossen. «Wir sind hoffentlich die Zweiten», sagte Keller-Sutter.
Doch dann passiert wochenlang nichts. Zwar liegt bald einmal eine Absichtserklärung vor, die der Bundesrat genehmigte. Aber Trumps Unterschrift fehlt. Dieser schliesst derweil fleissig Abkommen mit anderen Staaten.
Ein Telefonat eskaliert
Am 31. Juli um 20.10 Uhr greift Keller-Sutter erneut zum Hörer. Trumps Deadline läuft in wenigen Stunden ab. Was gilt jetzt?
Über den Verlauf des Gesprächs gibt es unterschiedliche Versionen. Amerikanischen Quellen sprechen davon, dass Keller-Sutter den US-Präsident mit einem gefühlt halbstündigen Crashkurs in Volkswirtschaft belehrt habe. Aus Keller-Sutters Umfeld heisst es derweil, Trump habe sie angegiftelt, direkte Geldzahlungen gefordert und sich herablassend über die eigenen Leute geäussert.
Das Ergebnis ist bekannt. «Es konnte keine Einigung über die zwischen der Schweiz und den USA verhandelte Absichtserklärung gefunden werden», verkündete die Bundesrätin um 21.49 Uhr auf X.
Unser schlimmster Nationalfeiertag!
Wenige Stunden später steht fest: Die Schweiz bekommt den schlechtesten Deal Europas. 39 Prozent! Nochmals 8 Prozent mehr als angedroht. Trump begründete dies mit dem Handelsdefizit. Mit wenigen Stunden Schlaf muss die Bundespräsidentin aufs Rütli und dort die 1.-August-Ansprache halten.
Aus Sicht des US-Präsidenten sei die Schweiz Schuld an einem Defizit von 38,9 Milliarden Franken. «38,9 Milliarden Franken Defizit, 39 Prozent Zölle, das liegt nahe beieinander», so Keller-Sutter.
Enttäuscht über den Entscheid sei der Bundesrat, weil die Delegationen der Schweiz und der USA sich geeinigt hätten. Doch Trumps Kabinett konnte den Präsidenten offenbar nicht überzeugen.
«SUI 007» auf grosser Mission
Am 5. August, um 10.29 Uhr, hebt auf dem Militärflugplatz Dübendorf «SUI 007» ab. An Bord: Keller-Sutter und Parmelin. Doch über dem Atlantik wird ein Happy End unwahrscheinlich. In einem Interview mit dem US-Sender CNBC lästert Trump über die Bundespräsidentin. «Die Frau war nett, aber sie wollte nicht zuhören.»
Die Bundesräte treffen US-Aussenminister Marco Rubio (54). Handfeste Resultate gibt es vorerst nicht. Doch vielleicht ist ein zweites Treffen in Amerika noch wichtiger. Keller-Sutter und Parmelin trafen auch Schweizer Wirtschaftsvertreter, unter anderem Fredy Gantner (57) von der Partners Group oder Daniel Jäggi (64), Präsident von Mercuria, einem der grössten Rohstoffhändler der Schweiz. Sie werden noch eine wichtige Rolle spielen.
Sticheleien und Warten
Vorerst kamen die Bundesräte ohne einen Deal zurück nach Bern. Die Schweiz hat ihr Angebot nachgebessert: Investitionen bei der Pharma und der Energie sollen Trump Milde stimmen.
Doch während die Schweiz wartet, macht sich US-Handelsminister Howard Lutnick (64) zum Beispiel über Karin Keller-Sutter lustig. Doch Anfangs September reist Parmelin erneut in die USA. Dazu kommt es am Rande des Uno-Meetings in New York zum Handshake.
Bringt eine goldene Uhr die Kehrtwende?
Anfang November herrscht Tauwetter. Am 4. November empfängt Trump mehrere Schweizer Wirtschaftsführer. Für den Präsidenten gibts als Gastgeschenk eine Rolex-Uhr und einen Goldbarren mit Widmung. Und von Trump dafür einen «Daumen hoch».
Kurz darauf telefoniert Wirtschaftsminister Parmelin mit US-Handelsbeauftragtem Greer. «Wir verhandeln wieder», heisst es hinter den Kulissen.
Ein letzter Flug der Hoffnung
Dienstagabend um 21.19 Uhr: Mit Wirtschaftsminister Parmelin an Bord hob ein Bundesratsjet auf dem Flughafen Bern-Belp ab. Das Ziel: Washington. Parmelin (66) und seine Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (60) treffen dort den US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer.
Das Gespräch bezeichnet Parmelin danach gegenüber Radio SRF als «sehr gut». «Wir konnten fast alles klären», so der SVP-Bundesrat. Kommuniziert werde jedoch erst, wenn alles geklärt sei. Am Freitagmorgen ist Parmelin wieder in der Schweiz.
Done Deal
Wenige Stunden nach der Rückkehr des Wirtschaftsministers ist klar: Der Deal ist unter Dach und Fach. So vermeldet es als erstes US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer gegenüber dem amerikanischen Sender CNBC. Die Schweiz zahlt 15 Prozent Zölle. Nach nervenaufreibenden Monaten voller Druck, Drama und Diplomatie kann man in Bern aufatmen.