Darum gehts
- Bewegung im Zollstreit mit USA. Schweizer Wirtschaftsführer treffen Trump
- Lobbyist Carlos Trujillo öffnete Türen zum Weissen Haus für Schweizer Delegation
- Ziel: US-Handelsdefizit gegenüber Schweiz in 5-7 Jahren neutralisieren
Sind die 39 Prozent US-Zölle bald Geschichte? Plötzlich kommt Bewegung in den Streit mit den USA. Am Freitag telefonierten Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) und Seco-Chefin Helene Budliger Artieda (60) mit dem amerikanischen Handelsbeauftragten Jamieson Greer (45). Parmelin bezeichnete den Austausch als «sehr konstruktiv».
Erstmals herrscht Tauwetter seit dem missglückten Telefonat zwischen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) und US-Präsident Donald Trump (79) am 31. Juli. Nach dem Zollhammer machte der SonntagsBlick daraufhin, gestützt auf Trumps Umfeld, den Unmut des US-Präsidenten über seine Schweizer Kollegin publik («he’s done with her»). Doch hat «KKS» Grösse gezeigt – ihr Handshake mit Trump am Rande des Uno-Meetings in New York im September ist ebenfalls ein Puzzleteil in dieser Geschichte. Jetzt hat Helvetiens Wirtschaft Grund zur Hoffnung.
Daumen hoch von Donald Trumps Leuten
Der entscheidende Moment, der Wendepunkt im Drama, ereignete sich vergangenen Dienstag: Eine Delegation von hochrangigen Schweizer Wirtschaftsführern wurde von US-Präsident Donald Trump empfangen. Ihr wichtigster Erfolg: Endlich nahm sich der Amerikaner Zeit, um das Schweizer Verhandlungsangebot zu studieren. Danach hatte Trump seine Entourage um die Meinung zur Schweizer Offerte gefragt. Die Antwort: «Thumbs up». Daumen hoch. «Wir danken Präsident Trump herzlich für seine Zeit und seine Aufmerksamkeit», teilte die Besuchergruppe per Communiqué mit.
SonntagsBlick zeichnet, gestützt auf Informationen aus dem diplomatischen Umfeld, die Entstehung dieses Coups nach. Dem Treffen ging eine monatelange, intensive Planung mit Hunderten Telefongesprächen mit Diplomaten, Wirtschaftsleuten und Public-Affairs-Agenten voraus. Stets in Absprache mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco – eine Public-private-Partnership der Extraklasse.
Carlos Trujillo, der Türöffner
Im Ziellauf spielte einer der sechs Wirtschaftskapitäne eine Schlüsselrolle: Diego Aponte (49), Group President des Reederei-Giganten MSC in Genf und Spross der aus Neapel stammenden verschwiegenen Gründerfamilie des MSC-Imperiums. Entgegen mancher Medienberichte konnte Diego Aponte selber im Oval Office nicht dabei sein; er war kurzfristig verhindert. Aber er tat zuvor das, was die Landesregierung stets beharrlich abgelehnt hatte: Er engagierte einen Lobbyisten – den in Washington ansässigen ehemaligen Trump-Diplomaten Carlos Trujillo (42).
Trujillo ist keiner der ganz grossen Player in der US-Hauptstadt, hat aber beste Beziehungen zur MAGA-Fraktion. Ausserdem arbeitet in seiner Agentur die Tochter von Susie Wiles (68), der Stabschefin des Weissen Hauses. Unter all den Lobbyisten erwies sich damit Trujillo als der entscheidende «Door Opener». Die prominente Gesandtschaft wurde von Trump im Oval Office empfangen.
Handshake mit Trumps Sohn Eric
Die Stimmung war dem Vernehmen nach freundlich; auf Trumps Pult stand ein Modell des geplanten neuen Ballsaals – zuvor hatte der federführende Architekt eine Sitzung mit Trump und Sohn Eric (41), der den Besuchern noch die Hand schüttelte. Völlig fremd waren die Schweizer dem Hausherren nicht: Trump kannte zwei von ihnen bereits gut. Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour (57) hatte ihn im Sommer zum US Open eingeladen, und mit Richemont-Patron Johann Rupert (75) verbindet Trump eine langjährige Freundschaft. Jeder Teilnehmer spielte seine Karten aus: Partners-Group-Gründer Alfred «Fredy» Gantner (57) ist an einem amerikanischen Pharmakonzern beteiligt. Und er kündigte Investitionen in eine US-mexikanische Gasfirma an.
Daniel Jaeggi (64), Mitgründer des Genfer Rohstoffriesen Mercuria, beschwor Infrastrukturprojekte und Investitionen in den USA. Marwan Shakarchi (63), Patron des Genfer Edelmetall- und Finanzkonzerns MKS, ist eine grosse Nummer im Goldgeschäft.
Eine Rolex-Uhr und ein Goldbarren für den Präsidenten
Diese Mischung aus Dealmaking und Business Talk ist genau die Atmosphäre, die Trump behagt. Der Tycoon scheint sich mit Wirtschaftsleuten wohler zu fühlen als mit Politikern; oberste Priorität sind beim mächtigsten Mann der Welt stets «Business Opportunities». Laut Beobachtern wähnt er sich vom Habitus her eher als eine Art Chairman der Vereinigten Staaten, der stets umworben werden will.
Die hoch dotierten Schweizer Besucher spielten das Spiel mit: Als Geschenke überreichten sie Trump für dessen «Presidential Library» unter anderem eine Rolex-Uhr und – dies war Marwan Shakarchis Idee – einen Goldbarren mit einer eingravierten Widmung als symbolische Geste. Der üppig mit Gold geschmückte Sitz des eitlen Commander-in-Chief hat von aussen betrachtet etwas von einem feudalen Hofstaat.
Die Charmeoffensive scheint funktioniert zu haben: Das Eis war gebrochen, die Gäste konnten ihre Anliegen vorbringen. Das lautete: Innerhalb von fünf bis sieben Jahren neutralisieren wir das US-Handelsdefizit gegenüber der Schweiz. Und bieten vier Dinge an. Erstens: die Verlagerung von Goldschmelzen innert 12 bis 24 Monaten in die Staaten. Zweitens: Pharma-Investitionen. Drittens: Wir fördern Infrastrukturprojekte. Viertens: Wir kaufen in der Aviatik vermehrt bei den Amerikanern.
Gantner und Greer studierten an derselben Uni
Der US-Präsident jedenfalls soll Goodwill gezeigt haben – nicht nur zur Erleichterung seiner Besucher, sondern auch seiner eigenen Mitarbeiter. Auf amerikanischer Seite wirkten neben dem Handelsbeauftragten Greer auch Finanzminister Scott Bessent (63) und Handelsminister Howard Lutnick (64) mit. Greer und Gantner verbindet etwas Besonderes: Beide studierten an der Brigham Young University in Utah, beide sind Mormonen.
Die Gruppe hat nun ihr Feedback bei Staatssekretärin Budliger Artieda deponiert. Die sechs betonen aber in ihrer Medienmitteilung, «an keinerlei Verhandlungen mit dem US-Präsidenten» teilzunehmen: «Wir brachten unsere Überzeugung zum Ausdruck, dass ein bilaterales Handelsabkommen die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter stärken und sowohl der Schweiz als auch den Vereinigten Staaten zum Vorteil gereichen würde.»
Am WEF in Davos soll der Deal verkündet werden
Das Manöver ruft indes auch Kritiker auf den Plan. Swatch-Patron Nick Hayek (71) schimpft via Tamedia-Zeitungen über die Aktion und redet von einer «Position der Schwäche». Die Wirtschaftsführer seien «im Wortsinn ‹hofieren› gegangen». Sie würden damit ein Signal der Schwäche in die Welt hinaus senden. «Sind wir Wilhelm Tell, oder sind wir ein Vasall?»
Die vom Uhrenkönig Getadelten machen derweil unbeirrt weiter. Der nächste Schritt soll eine Absichtserklärung in den nächsten Wochen sein. Das ganz grosse Ziel winkt im Januar: Am WEF in Davos sollen, wenn alles so läuft wie beabsichtigt, US-Präsident Trump und der dann amtierende Bundespräsident Guy Parmelin gemeinsam ihren Deal präsentieren: eine Einigung im Zollstreit und für die Schweiz einen Tarif auf einer vergleichbaren Höhe mit den 15 Prozent für die EU.
Noch gelten die 39 Prozent – und auf die Diplomaten, Bundesangestellten, Minister und Lobbyisten wartet ein Berg Arbeit. Dem endgültigen Durchbruch allerdings ist man einen bedeutenden Schritt nähergekommen. Und die 39 Prozent könnten dereinst Geschichte sein.