«Es war uns klar, dass der Präsident kurzfristig an den Zöllen festhalten wird»
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Keller-Suter zum Zoll-Schock:«Es war uns klar, dass er an den Zöllen festhalten wird»

Protokoll des Telefonats vor dem Zoll-Debakel
So heftig putzte Trump Keller-Sutter runter

Neue Recherchen zeigen, wie das Gespräch der Bundespräsidentin mit dem US-Präsidenten eskalierte. Er giftelte sie an, forderte direkte Geldzahlungen – und äusserte sich auch herablassend über seine eigenen Leute.
Publiziert: 16.08.2025 um 16:44 Uhr
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Aktualisiert: 00:04 Uhr
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Fühlte er sich hintergangen? US-Präsident Donald Trump.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Schweizer Bundespräsidentin telefoniert mit Trump vor US-Zollerhöhung auf Schweizer Produkte
  • Trump äussert sich herablassend über eigene Mitarbeiter und fordert Zahlungen
  • 34-minütiges Gespräch führt zu 39-Prozent-Zöllen auf Schweizer Produkte
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Seit Verkündung der 39-Prozent-Zölle herrscht Schockstarre in der Eidgenossenschaft. Ein Schlüsselmoment war das Telefongespräch von Karin Keller-Sutter (61) mit US-Präsident Donald Trump (79) am Vorabend des Nationalfeiertags. Die Magistratin musste in ihrer Heimat heftige Kritik einstecken, und Trump warf der Schweizerin vor, ihm nicht zugehört zu haben. Seitdem fragt sich die Nation: Wieso um alles in der Welt rief sie ihn ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt an? Jetzt bringen Recherchen von SonntagsBlick neue Details ans Tageslicht – sie zeigen, wie Trump die Bundespräsidentin unter Druck setzte, wie verächtlich er über seine eigenen Minister redet – und wie monatelange diplomatische Bemühungen in 34 Minuten pulverisiert wurden.

Der Call am 31. Juli erfolgte nicht auf Initiative Kellers-Sutters, wie zunächst angenommen worden war, sondern vom US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer (45), in der US-Regierung so etwas wie der heimliche Schweiz-Versteher. Als Greer ahnte, dass die Stimmung seines Chefs in Bezug auf die Eidgenossenschaft zu kippen drohte, wandte er sich an Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) und empfahl dringend einen persönlichen Anruf bei Trump. Parallel dazu weibelten Greers Mitarbeiter beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) für eine direkte Kontaktaufnahme.

«I don’t care about them!»

Am Donnerstag um 20 Uhr war es so weit. Erst wurde mehrmals die Audio-Qualität getestet. Mit zehn Minuten Verspätung, um 20.10 Uhr, hatte Keller-Sutter den US-Präsidenten am Draht. Nach einem harmonischen Geplänkel – Trump soll sich beeindruckt gezeigt haben, dass die Schweizer Geschichte bis 1291 zurückgeht – habe der Amerikaner plötzlich den Ton geändert. Was ihn getriggert hatte: Die Schweizerin erwähnte die Absichtserklärung zwischen Washington und Bern, die der Bundesrat mit Trumps zuständigen Unterhändlern Jamieson Greer, Scott Bessent (62) und Howard Lutnick (61) zuvor ausgehandelt hatte.

Fühlte sich der Narzisst von seinen Mitstreitern hintergangen oder desavouiert? Jedenfalls habe sich der Commander-in-Chief, wie gut unterrichtete Quellen berichten, herablassend über seine Mitarbeiter geäussert: Sie seien ihm egal: «I don’t care about them!» Entsprechend gereizt kam er auf das angebliche Handelsdefizit von 40 Milliarden US-Dollar zu sprechen, das die USA gegenüber der Schweiz aufwiesen, was wiederum Zölle von «mindestens 30 bis 35 Prozent» notwendig mache. Wie Keller-Sutter darauf reagierte, hat sie öffentlich mehrfach dargelegt – sie wagte es, Trump zu korrigieren, und betonte, dass ein Handelsdefizit kein Verlust für die USA sei. Das versetzte ihren Gesprächspartner offenkundig in Rage. «Oberlehrerhaft» soll Trump sie nach dem Telefonat genannt haben.

«Die zahlen mir 600 Milliarden, was zahlen Sie mir?»

Ihr Argument, dass Schweizer Firmen in den nächsten Jahren 150 Milliarden Dollar in den USA investieren würden, interessierte ihn da nicht mehr – anders als noch beim ersten Gespräch am 9. April. Im Gegenteil: Trump verwies auf die 600 Milliarden Dollar, die ihm EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) versprochen hatte. Pikant: Er betonte, dass das keine Investitionen aus der EU seien, sondern eine Art Geschenk. Und fragte Keller-Sutter ohne jede Scham: «They pay me 600 billion, what do you pay me?» Auf Deutsch: Die zahlen mir 600 Milliarden, was zahlen Sie mir?

Als die Situation definitiv verkachelt war, wollte die Bundespräsidentin von Trump wissen, wie es nun weitergehe. Seine Antwort: Er werde mit seinen Leuten reden. Und wieder schien ihn die Erwähnung seiner Mitarbeiter in Rage zu bringen. Keller-Sutter fragte, ob er auch mit seinem Handelsbeauftragten Greer sprechen werde – der Präsident wiederholte harsch: «I don’t care about him.» Er werde sich lieber mit Analysten austauschen.

Sie bat, die Zölle nicht am 1. August umzusetzen

Keller-Sutters letzter Appell, die neuen Zölle doch bitte nicht schon am Schweizer Nationalfeiertag anzusetzen, verhallte. Um 20.44 Uhr war das Telefonat beendet. Und die Schweiz damit der einzige Staat, der nach direkten Verhandlungen mit dem US-Präsidenten höhere Zölle hat als zuvor. Beinahe gleichzeitig, um 20.45 Uhr, erhielt Seco-Chefin Helene Budliger Artieda (60) ein SMS aus dem Umfeld von Jamieson Greer – mit der eindringlichen Empfehlung, das Gespräch zu beenden. Greer musste Wind bekommen haben, dass die Sache aus dem Ruder läuft.

Keller-Sutters Sprecher wollte die Angelegenheit auf Nachfrage von SonntagsBlick nicht kommentieren.

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