Es ging Schlag auf Schlag für Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65): Am Morgen früh landete der Bundesratsjet in Bern-Belp. Nur Stunden später stand die Krisensitzung des Bundesrates an. Denn vergeblich war die Reise der beiden Bundesräte. Den Zollhammer konnten sie in Washington nicht mehr verhindern. Seit Donnerstagmorgen, 6.01 Uhr, gelten 39 Prozent Zölle für Schweizer Produkte, die nach Amerika verkauft werden. Ein schwerer Schlag für kleinere und grössere Firmen, die in den USA ihr Geld machen.
Nur spärlich hatte der Bundesrat kommuniziert, seit Donald Trump (79) am 31. Juli der Bundespräsidentin in einem Schock-Telefonat den Zollhammer angekündigt hatte. Am Donnerstagnachmittag sprachen Keller-Sutter und Parmelin nun vor den Medien. Ernüchtert, enttäuscht, erschöpft.
Enttäuscht
Enttäuscht, weil auf die Schweiz schwierige Monate zukommen. Zwar will man die Gespräche mit den USA fortsetzen: Die Bundesräte haben eine neue Offerte platziert, Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (60) blieb gar in Washington für Verhandlungen. Aber wie lange es dauert, kann niemand sagen. Und auch was das verbesserte Angebot enthält, will niemand sagen.
Man werde intensiv weiterverhandeln, um in vernüfntiger Zeit eine Verbesserung zu erreichen, sagte Keller-Sutter. «Allerdings liegt dies am Ende in der Hand des amerikanischen Präsidenten». Die Schweiz müsse auch im Inland Massnahmen vornehmen, «um sich auf eine schwierige Zeit vorzubereiten»
Schwierige Zeiten? Zwar drohe keine Wirtschaftskrise wie während Covid, sagte Wirtschaftsminister Parmelin. Einzelne Branchen und Firmen treffe es hart. Und mit jedem Tag mehr, an dem die Monster-Zölle gelten, wird es schwieriger für die Unternehmen. Die Schweiz will verschiedene Massnahmen im Inland prüfen. Höchstwahrscheinlich wird die Kurzarbeit verlängert auf 24 Monate. Somit könnten betroffene Unternehmen Arbeitsplätze erhalten und bekommen Zeit, sich neue Absatzmärkte zu erschliessen.
Ernüchtert
Ernüchtert, weil eigentlich eine Absichtserklärung für einen Deal vorlag. Nur wurde diese mit Trumps Unterhändlern verhandelt. Das ist im Zweifel nichts wert, wenn der US-Präsident den Daumen senkt. Man sei auch bei der Washington-Reise darauf hingewiesen worden, dass am Ende auch in einer zweiten oder dritten Verhandlungsrunde schlussendlich Präsident Trump entscheide. Ausgang ungewiss.
Mehrmals betonte die Bundespräsidentin: Trump baue massiv Druck auf die Schweiz auf, das sei wohl Teil der Verhandlungen. «Die Machtverhältnisse zwischen der Schweiz und den USA sind klar», so Keller-Sutter. «Wir haben aber einige Trümpfe.» Sie betont insbesondere die Rechtssicherheit. Die Bundespräsidentin schwört das Land auf harte Monate ein. Solche Situationen könnten auch eine Chance sein, «dass man sich zusammenrauft.» Vielleicht gebe es jetzt eine schwierige Phase, da «müssen wir zusammenstehen».
Erschöpft
Erschöpft, weil Keller-Sutter seit dem Telefonat mit Donald Trump am Tag vor dem Nationalfeiertag wohl wenig geschlafen hat. Müde und abgekämpft beantwortete sie die Fragen der Journalistinnen und Journalisten.
Und während sie hoch in der Luft nach Washington reiste, um mit US-Aussenminister Marco Rubio (54) zu sprechen, erfuhr sie im Bundesratsjet, wie Donald Trump das Telefongespräch erlebt hatte. «Die Frau war nett, aber sie wollte nicht zuhören.»
Die Medienkonferenz nutzte Keller-Sutter dann zum Konter. «Ich habe sehr wohl zugehört», sagte die Finanzministerin. «Aber ich habe nicht akzeptiert, dass die Schweiz für einen 40 Milliarden Verlust der USA verantwortlich sei.» Und: «Ich habe die Interessen der Schweiz verteidigt», so Keller-Sutter. Die Aussagen Trumps von den letzten Tagen seien «Powerplay», das «darf man nicht persönlich nehmen».
Bundesrat will Gespräche fortsetzen – keine Gegenzölle
Jetzt ist klar, wie die Schweiz auf den Zoll-Schock reagiert: Der Bundesrat will die Gespräche mit den USA fortsetzen. «So rasch wie möglich» sollen die Zölle gesenkt werden, heisst es in einer Medienmitteilung. «Gegenmassnahmen in Form von Gegenzöllen als Reaktion auf die Erhöhung der US-Zölle sind derzeit nicht vorgesehen.» Diese würden auch der Schweiz schaden. Man werde sich aber weiter für breite Handelsbeziehungen einsetzen.
Der Bundesrat will zudem Massnahmen im Inland zum Schutz der Wirtschaft und zur Entlastungen für die Unternehmen prüfen. Dabei steht eine Verlängerung der Kurzarbeit im Raum. Das Parlament hatte einer solchen bereits zugestimmt, der Bundesrat werde in Kürze Stellung nehmen. Mit der Kurzarbeit könnten Arbeitsplätze erhalten bleiben, wenn Unternehmen vorübergehend Arbeitsausfälle zu beklagen haben.
Medienkonferenz beendet
Kurz darauf ist die Medienkonferenz beendet. Hier folgt in Kürze eine Zusammenfassung und weitere Reaktionen.
«Bin weder Hellseherin noch Psychologin»
«Ich bin weder Hellseherin noch Psychologin», sagt Keller-Sutter auf die Frage, was es brauche, damit sie wieder Vertrauen in Trumps-Handlungen habe. Man werde das Terrain vorbereiten. «Man muss jetzt weiterhin mit Ruhe und Verstand arbeiten und sich nicht ins Boxhorn jagen lassen.»
Gibt es Härtefall-Regeln wie bei Corona?
Bei Corona gab es für die betroffenen Firma spezielle Härtefall-Regeln. Eric Scheidegger vom Staatssekretariat für Wirtschaft ergänzt, dass die Situation eine andere Form der Krise sei als die Pandemie. Nun arbeite man mit einem Negativszenario. Dort sei man aber von einer kompletten Eskalation auch in anderen Ländern ausgegangen. Das BIP würde dann zwar sinken, aber wäre noch immer positiv. Die Wirtschaft werde sich mit einem Wachstum von rund 0,5 Prozent begnügen müssen. Das sei aber mehr als während Corona.
Wie ist es zum Telefonat kommen?
Ein Journalist fragt, wie es zum Telefonat gekommen sei. Keller-Sutter sagt, dass die Initiative von der US-Seite gekommen sei. Es gäbe verschiedene Erzählungen des Telefonat. Sie bedaure es, dass einige dieser Erzählungen «der Schweiz schaden». Trump habe stark auf das Handelsdefizit gepocht. Keller-Sutter betont einen Teil der Angebote.
Erschwerend sei hinzugekommen, dass Trump kurz zuvor die Briefe an die Pharmafirmen versendet habe. Von diesen fordert er tiefere Preise.
«Müssen zusammenstehen»
Die Machtverhältnisse zwischen der Schweiz und den USA seien klar, so Bundespräsidentin Keller-Sutter. «Wir haben aber einige Trümpfe.» Sie betont die Rechtssicherheit. Solche Situation könne auch eine Stärke sein, «dass man sich zusammenrauft».
«Wir mussten als Kleinstaat immer irgendwie agil bleiben», so Keller-Sutter.
Vielleicht gäbe es jetzt eine schwierige Phase, da «müssen wir zusammenstehen».
Erneutes Gespräch mit Trump?
Ein direkter Kontakt mit US-Präsident Trump mache nur Sinn, wenn etwas verhandelt sei und man die Unterstützung von der US-Seite habe. Man habe jetzt wieder gehört, dass am Ende Trump entscheiden. «Am Schluss für den Handshake wird es sicher wieder einen persönlichen oder telefonischen Austausch geben.»
Warum ist das Angebot vertraulich?
Parmelin wird gefragt, warum das Angebot vertraulich sei. Der Wirtschaftsminister antwortet man habe ein gutes Verhältnis mit den Firmen. Während den Verhandlungen müsse man flexibel bleiben und dürfe die Grenzen nicht zu früh verraten.
Eskalation nicht im Interesse der Schweiz
Eine Eskalation mit den USA sei nicht im Interesse der Schweiz, sagt Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Gegenzölle hätten auch Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft. Das beste wäre jetzt, wenn beide Parteien eine akzeptable Lösung finden. Man kenne den Wert der Schweiz, ergänzt Keller-Sutter.
«Ich habe sehr wohl zugehört, aber...»
«Ich habe sehr wohl zugehört», sagt Keller-Sutter. «Aber ich habe nicht akzeptiert, dass die Schweiz für einen 40 Milliarden Verlust der USA verantwortlich sei.» Sie hätte die Interessen der Schweiz verteidigt. Schon früh im Gespräch seien Zölle von über 30 Prozent im Raum gestanden.
Die Aussagen Trumps von den letzten Tagen seien «Powerplay», das «darf man nicht persönlich nehmen».
Warum treffen mit Aussenminister?
Keller-Sutter wird gefragt, warum man nur mit dem Aussenminister gesprochen habe, und nicht mit dem Finanz- oder Handelsminister. Man habe bewusst Marco Rubio angesprochen, sagt Keller-Sutter. Dieser sei für die bilateralen Beziehungen zuständig. Man habe auch andere Themen besprochen, wie das Schutzmachtmandat.