Darum gehts
- Bundespräsidentin und Wirtschaftsminister fliegen für Verhandlungen in die USA
- Ehemaliger Botschafter Thomas Borer unterstützt die Reise der Bundesräte
- Schweiz will ein attraktiveres Angebot unterbreiten, um 39 Prozent Zölle abzuwenden
Die heikle Mission begann um 10.29 Uhr auf dem Militärflugplatz Dübendorf. Der Bundesratsjet hob ab. An Bord: Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65). Sie reisen für Zollgespräche persönlich in die USA. Die Hoffnung: in letzter Minute noch einen Deal zu erreichen, bevor am 7. August der Zollhammer niedersaust. Zehntausende Arbeitsplätze sollen sie sichern. Mit an Bord: neben zwei Staatssekretärinnen und dem US-Sonderbeauftragten auch ein «attraktiveres Angebot» für US-Präsident Donald Trump (79).
Es ist eine schwierige Mission für die Bundesräte. Denn niemand weiss, was US-Präsident Donald Trump (79) will. Auf einem Online-Flugradar ist die Maschine denn auch als «SUI 007» gekennzeichnet. Doch im Gegensatz zum Spion im Auftrag seiner Majestät, ist das Ende des wirtschaftspolitischen Abenteuers ungewiss. James-Bond-Filme enden mit einem Happy End für den Hauptprotagonisten.
Wie endet die Episode für unsere Schweizer Handels-Helden in spe? Ausgang ungewiss! Am Abend dürfte die Delegation Washington erreichen. In den USA ist es dann Mittag. Es bleibt die Möglichkeit, Gespräche zu führen.
Noch während die Bundespräsidentin und der Wirtschaftsminister im Bundesratsjet über den Atlantik fliegen, gemäss Flugradar etwa auf Höhe Grönland, lässt Donald Trump eine weitere Bombe platzen. In einem Interview mit dem US-Sender CNBC lästert Trump über die Bundespräsidentin. Darin plaudert er wild drauflos. «Ich habe kürzlich etwas mit der Schweiz gemacht. Ich sprach mit der Premierministerin.» Der US-Präsident meint damit Bundespräsidentin Keller-Sutter. «Ich kannte sie nicht einmal», so Trump. Eine Aussage, die verwundert. Bereits im April telefonierte die FDP-Bundesrätin mit dem US-Präsidenten. «Die Frau war nett, aber sie wollte nicht zuhören», so Trump weiter.
Hohe Pharma-Zölle
Im Bundesratsjet nimmt man die Äusserungen dank Internetverbindung zur Kenntnis. Kommentieren will man sie aber nicht. Im gleichen Interview kündigt der US-Präsident hohe Zölle auf Pharma-Produkte an, die er «innerhalb der nächsten Woche oder so» verkünden will. «Wir werden zunächst einen geringen Zoll auf Arzneimittel erheben, aber in einem Jahr – maximal eineinhalb Jahren – wird er auf 150 Prozent steigen und dann auf 250 Prozent», so der US-Präsident.
Die Schweiz streicht er dabei speziell hervor. Ihr wirft Trump vor, «ein Vermögen mit Arzneimitteln zu machen».
Ist die Mission des Bundesrates bereits kurz vor Neufundland, wie der Flightradar mittlerweile die Position des Bundesratsjets angibt, zur Mission Impossible geworden? Thomas Borer (68) ist ehemaliger Botschafter und steuerte die Schweiz durch eine ihrer heikelsten diplomatischen Krisen in der Auseinandersetzung um Nazi-Raubgold. Dass Keller-Sutter und Parmelin nach Washington fliegen, findet er richtig. «Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesräte schon am Sonntag abgehoben wären. Jetzt braucht es den direkten Kontakt mit Donald Trump.»
Mit dem Handelsbeauftragen Jamieson Greer und Finanzminister Scott Bessent (62) habe man sich schliesslich bereits geeinigt. Doch Trump billigte den Deal nicht. «Natürlich kann man nur wegen der Reise nicht darauf schliessen, dass es auch einen Deal gibt», so Borer. «Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Donald Trump die zwei mächtigsten Schweizer Politiker abweist. Das wäre ein diplomatischer Affront.»
Die jüngsten Aussagen im Interview mit CNBC bestätigen gemäss Borer, dass die Diskussionen nicht gut gelaufen seien. «Gerade in den USA sind persönliche Beziehungen wichtig. Offensichtlich bestehen diese nicht», so der Ex-Diplomat. «Das verbessert die Schweizer Lage leider nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.»
«Reisen nicht, um im Hotelzimmer zu warten»
Aus bundesratsnahen Kreisen hiess es schon am Montag: «Wir werden nicht nach Washington reisen, um im Hotelzimmer zu warten.» Doch selbst ein Treffen mit US-Präsident Trump garantiert noch keinen Deal. Selbst mit Termin können sich die Launen des Präsidenten rasch ändern.
Was kann der Bundesrat dem US-Präsidenten Donald Trump überhaupt anbieten? Das teilte die Landesregierung nicht mit. Höhere Schweizer Investitionen in den USA, Verhandlungen über Medikamentenpreise der grossen Pharmakonzerne, der Kauf fossiler Energie in Amerika oder Zollsenkungen für landwirtschaftliche Produkte wie Rindfleisch wurden zuvor als mögliche Verhandlungsmasse genannt. Allerdings kann der Bundesrat den Energiekonzernen weder den Kauf amerikanischer Produkte aufzwingen, noch Pharmakonzernen die Senkung ihrer Preise verordnen.
Klar ist: Keller-Sutter und Parmelin gehen mit der Reise ein Risiko ein. Gibt es kein Treffen, keine Schonfrist oder keinen Deal, dürfte die Kritik an den Bundesräten steigen. Aktuell sind die Positionen so weit auseinander, wie nur irgend möglich. Im CNBC-Interview sprach Trump plötzlich von einer angeblichen Schweizer Forderung von einem Prozent Zölle. Durchgesickert war letzte Woche noch eine Absichtserklärung, in der von zehn bis maximal fünfzehn Prozent die Rede war.
Die Falcon 900 mit der Flugnummer «SUI 007» ist mittlerweile in der US-Hauptstadt angekommen. Ob es in Washington eine sanfte Landung oder einen Absturz gibt, wird sich aber nicht am Flughafen, sondern im Weissen Haus entscheiden.