Darum gehts
- USA droht Schweiz mit 39 Prozent Zoll auf alle Produkte
- Bundesrat trifft sich zu Sondersitzung für neue Verhandlungsstrategie mit USA
- Trump fordert Zugeständnisse bei Handelshemmnissen und niedrigere Medikamentenpreise
Ist 39 die neue Unglückszahl der Schweizer Wirtschaft? So hoch ist der Zoll, den die US-Regierung künftig auf alle Schweizer Produkte draufschlagen will, sollte die Schweiz nicht bis am 7. August den US-Präsidenten Donald Trump (79) umstimmen können.
Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) hat am Donnerstag ohne zusätzliche Angebote und ohne Mandat des Gesamtbundesrats mit US-Präsident Trump telefoniert. Das Wirtschaftsmedium «Bloomberg» berichtete, dass sich Trump derart gekränkt gefühlt habe, dass eine Eskalation und die hohe Zollandrohung die Folge gewesen seien.
Trump forderte von der Schweiz «bedeutende Zugeständnisse bei Handelshemmnissen» – sonst werde es für ein «sehr wohlhabendes Land» kein Abkommen geben.
Sondersitzung im Bundesrat
Der erste Schock ist inzwischen überwunden – nun muss sehr schnell eine neue Verhandlungsstrategie her. Deshalb trifft sich der Bundesrat am Montag um 11 Uhr zu einer virtuellen Sondersitzung. Ziel ist es, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob und wie die Schweiz der US-Delegation unter Präsident Trump ein besseres Angebot unterbreiten kann. Zeit bleibt kaum – nur drei Arbeitstage sind es bis zum Ablauf des US-Ultimatums.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) ist federführend, den US-Präsidenten umzustimmen. Aus Bundesratskreisen heisst es: «Eine Person wird verhandeln – das wird Parmelin sein.»
US-Vertreter haben von einem Handelsbilanzdefizit mit der Schweiz von rund 40 Milliarden Dollar als Grund für die hohen Zölle gesprochen – es wird nun an Parmelin sein, dieses kreativ nach unten zu korrigieren.
Von Schnellschüssen hält der SVP-Bundesrat offenbar wenig. Am Wochenende kündigte er erst mal eine umfassende Analyse an: «Wir versuchen zu verstehen, woran es fehlte», sagte Parmelin am Samstag dem Westschweizer Radio RTS über die Verhandlungen. Er werde «alles versuchen, um unseren guten Willen zu zeigen». Sein Departement will prüfen, mit welchen Zugeständnissen andere Länder zu einem Abschluss gekommen sind – und welche Lehren sich daraus für die Schweiz ziehen lassen.
Dabei setzt die Regierung weiterhin auf das bestehende Verhandlungsteam sowie auf die bereits etablierten Kontakte in den USA. Innerhalb der Verwaltung herrscht die Überzeugung vor, dass man auf Schweizer Seite gute Arbeit geleistet habe – das eigentliche Problem liege im Weissen Haus.
Was meint Rösti zu Energie-Deal?
Bezeichnend ist auch, dass sich die Regierung am Montag nicht mal in persona im Bundesratszimmer in Bern trifft, sondern virtuell. In einem kleinen Land wie der Schweiz ist einigen Mitgliedern der Regierung die Anfahrt nach Bern offenbar zu weit. Offiziell befindet sich der Bundesrat in den Ferien, doch niemand in der Bundesverwaltung ist angesichts des drohenden Zollhammers in Ferienstimmung. Bereits am Wochenende wurde zwischen einzelnen Mitgliedern der Regierung telefoniert. Auch der überwachungssichere Bundesrats-Chat soll zum Einsatz gekommen sein.
Nachdem die Verhandlungen in den vergangenen Monaten die Handschrift von Bundespräsidentin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Parmelin getragen hatten, wollen nun auch andere Departemente mitreden.
Parmelin hatte am Wochenende schon angekündigt, dass geprüft werde, ob die Schweiz der USA im Energiebereich Versprechungen machen könnte. So hat auch EU-Kommissions-Präsidentin Ursula der Leyen (66) den Amerikanern zugesichert, die Europäische Union werde im grossen Stil US-amerikanische Waffen kaufen und Energielieferungen im Wert von 750 Milliarden Dollar aus den USA beziehen. Energieminister Albert Rösti (57) will sich bei ähnlichen Energie-Diskussionen für die Schweiz offenbar nicht querstellen.
Auch die unter Druck stehende Pharmaindustrie dürfte Gesundheitsministern Elisabeth Baume-Schneider (61) ins Gewissen reden. Schweizer Wirtschaftsvertreter fordern, dass der Bundesrat das Gespräch mit der Pharmaindustrie suche, um günstigere Medikamentenpreise für die USA zu gewährleisten. Trump schrieb Novartis-CEO Vas Narasimhan (48) einen Brief, in dem er tiefere Medikamentenpreise fordert. Und zwar ultimativ, innert 60 Tagen.
Wird die F-35 Thema?
Fraglich ist, ob der Bundesrat auch den F-35-Kauf in die Waagschale wirft. Momentan deutet wenig darauf hin. Jedoch hatte FDP-Aussenpolitiker Hans-Peter Portmann (62) am Wochenende gefordert, dass die Beschaffung der F-35-Kampfjets überprüft werde. Er hat einen entsprechenden Antrag in der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats eingereicht. Die F-35-Kampfjets seien nun wieder zu einem politischen Geschäft geworden, argumentierte Portmann.
Bereits für Montagmorgen früh hat auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit Vertretern der Wirtschaft eine Sitzung zum Thema US-Zölle anberaumt, wie die «SonntagsZeitung» schrieb. Seco-Chefin Helene Budliger Artieda (60), die über gute Kontakte über den Atlantik verfügt, soll sich auch hierzulande mit der Wirtschaft austauschen.
Währenddessen tagt der Bundesrat. Doch die Zeit drängt unerbittlich: Nach Abschluss der Regierungssitzung am Montag bleiben lediglich zweieinhalb Tage, um US-Präsident Trump umzustimmen.