Darum gehts
- Wirtschaftsminister Guy Parmelin muss Zollverhandlungen mit den USA führen
- Parmelin wandelte sich in seiner bisherigen Amtszeit zum Staatsmann
- 39 Prozent Zölle auf Exporte in die USA drohen
Auf seinen Schultern lastet in diesen Tagen viel. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) muss trotz Rückenschmerzen die Zollverhandlungen mit den Amerikanern schultern. Nachdem seine Bundesratskollegin Karin Keller-Sutter (61) letzte Woche beim amerikanischen Präsidenten aufgelaufen war, liegt es an Parmelins Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), den Draht auf die Schnelle nach Amerika zu finden.
Wie soll das gelingen? Ob bis zum 7. August eine Lösung zustande kommt, ist offen. Auch wenn der Bundesrat am Montag mitteilte, er wolle weiterverhandeln «wenn nötig auch nach dem 7. August». Denn die angedrohten 39 Prozent Zölle auf Exporte in die USA würden die Schweizer Wirtschaft schwer belasten. Auch deshalb kündigt die Regierung an, den Amerikanern ein «noch attraktiveres Angebot unterbreiten» zu wollen. Dieses muss nun Parmelin vorlegen.
Keller-Sutter und Parmelin: Zwei Gegensätze
Während Keller-Sutter in den letzten Wochen Optimismus verbreitete («Ich fand offensichtlich den Zugang zu Trump»), schlug der Waadtländer Weinbauer andere Töne an. Um die Unternehmen allenfalls zu entlasten, müsse man wie während der Pandemie die Einführung von Kurzarbeit ins Auge fassen, so Parmelin am Wochenende. Damit signalisiert er die akute Bedrohungslage durch den Zoll-Entscheid.
Auch sonst unterscheidet die beiden vieles: Keller-Sutter gilt als gewiefte Machtpolitikerin, die als Übersetzerin perfekt in den verschiedensten Sprachen konferieren kann, er als einfacher Weinbauer, der seine Lehren im Parlament auf die harte Tour gemacht hat.
Als er am 9. Dezember 2015 als neuer SVP-Bundesrat gewählt wurde, mussten manche Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer erst einmal seinen Namen lernen. Im Bundeshaus war der SVPler nicht sonderlich aufgefallen. Er galt als freundlich und umgänglich. Ein stiller Schaffer, unauffällig und auch etwas ungelenk, vor allem im Umgang mit Fremdsprachen.
New York Times berichtete über ihn
Sein Ausspruch «I can English understand», den er als Bundesratskandidat machte, hat ihm sogar die Aufmerksamkeit der «New York Times» eingebracht. Nun hofft die Wirtschaft wieder auf Schlagzeilen aus den Staaten, diesmal aber anderer Natur.
In der SVP ist man optimistisch, dass Parmelin das Ruder im Zollstreit herumreissen kann: «Er muss es jetzt richten, und er kann das auch», sagt Roland Rino Büchel (59), SVP-Nationalrat und ehemaliger Präsident der Aussenpolitischen Kommission. Der SVP-Bundesrat bringe dafür die Eigenschaften mit, welche man in 1. August-Reden jüngst gerne den tüchtigen Schweizern zugeschrieben habe: bescheiden, bodenständig und pragmatisch, so Büchel.
Parmelin wurde zum Staatsmann
Als grosser Gestalter galt Parmelin in seinen Departementen nie. Der fehlende Hang zur Inszenierung stellte sich als wohltuender Charakterzug heraus und unterscheidet ihn deutlich von Trump, den die Schweiz nun irgendwie beeindrucken muss.
Es liegt ausgerechnet am SVP-Bundesrat Parmelin, über den Import von amerikanischem Rindfleisch zu verhandeln. Auch Trump liegt die Landwirtschaft am Herzen, die Frage ist: Eint oder trennt ihn das von der Schweiz?
Als Verhandler konnte Parmelin in den letzten Jahren mehrere Freihandelsabkommen unterzeichnen, im Juli eines mit Malaysia. Wenig später folgte die Einigung mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Das sind Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay und Bolivien. Von der Wirtschaft gab es viel Applaus dafür.
Kein anderer SVP-Bundesrat wandelte sich in den letzten Jahren so sehr zum Staatsmann wie er. Das fiel insbesondere während der Corona-Pandemie und im Kontrast zu seinem Deutschschweizer Kollegen Ueli Maurer (74) auf. Die Schweiz steckte mitten in der zweiten Corona-Welle, als Parmelin im Januar 2021 für ein Jahr das Amt des Bundespräsidenten übernahm. Während Maurer im Trychlerhemd posierte, stellte sich Parmelin schützend vor den damaligen Gesundheitsminister Alain Berset (53).
Viele Augen richten sich auf ihn
In Erinnerung bleibt auch, als Parmelin im Juni 2021 den damaligen US-Präsidenten Joe Biden (82) und Russlands Präsident Wladimir Putin (72) in Genf empfangen hat. Der Weinbauer sprach auf einmal für viele überraschend auf Augenhöhe mit den Mächtigsten der Welt. Er hatte in der Zwischenzeit Englischlektionen genommen, und lernte besonders das Wirtschaftsvokabular.
Nun wird gehofft, dass er die richtigen Worte findet, um Trump umzustimmen. Sollte das nicht gelingen, zeigt sich Parmelins Staatssekretariat für Wirtschaft – ähnlich wie in der Pandemie – offen, betroffenen Firmen Hilfen und die Möglichkeit für Kurzarbeitszeit zu gewähren. Gerade Letzteres will Parmelins SVP jedoch nicht zulassen.