«39% – das war erwartbar»
1:32
Karin Keller Sutter:«39% – das war erwartbar»

So reagieren Politik und Wirtschaft auf den Zollhammer
«Dieser Entscheid gefährdet mehrere Zehntausend Stellen»

Das ist heftig: US-Präsident Donald Trump verhängt Zölle von 39 Prozent auf Importe aus der Schweiz. Heftig fallen auch die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft aus. Blick berichtet laufend.
Publiziert: 01.08.2025 um 06:39 Uhr
|
Aktualisiert: vor 29 Minuten
Teilen
Kommentieren
1/5
US-Präsident Donald Trump verordnet der Schweiz einen der weltweit heftigsten Zollsätze.
Foto: IMAGO

Es war ein Schock: Statt eines Deals mit US-Präsident Donald Trump (79) gibt es noch mehr Zölle, als im April gedacht. Zölle von 39 Prozent soll abdrücken, wer in den USA ein Schweizer Produkt kauft

Das dürfte ins Geld gehen: Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich rechnet wegen des Zollhammers mit einem deutlichen Rückgang des BIP. Ist auch die Pharmabranche betroffen, müsste mit einem scharfen Rückgang des BIP von mindestens 0,7 Prozent gerechnet werden. 700 Franken an Einkommen verliert damit eine Person pro Jahr im Schnitt. 

Etwas weniger drastisch würde der Rückgang ausfallen, falls die Pharmaindustrie «nur» 10 Prozent Zoll zahlen muss. Dann rechnet das KOF mit einem BIP-Rückgang im Bereich von 0,3 bis 0,6 Prozent pro Jahr. Dabei kommt es darauf an, wie lange die Strafzölle gelten.

Am stärksten trifft es die Uhrenindustrie, Präzisionsinstrumente sowie die Maschinenbranche. Firmen, die keine hohe Marktmacht in den USA haben, müssten ihre Exporte massiv reduzieren – wenn nicht gar einstellen.

«Geschäftskunden werden nicht mehr beliefert»

Die Luzerner Confiserie Bachmann reagiert auf den Zoll-Hammer von US-Präsident Donald Trump (79). Per sofort schliesst sie den zum «international stark frequentierten» Online-Shop für die US-Kundschaft. «Auch Geschäftskunden in den USA werden vorerst nicht mehr beliefert», heisst es in einer Medienmitteilung. Davon betroffen seien auch die sogenannten Schutzengeli. «Unsere Schutzengeli stehen für Wärme, Freude und Hoffnung – all das, was die Welt gerade braucht», sagt Raphael Bachmann, Geschäftsführer der Confiserie Bachmann in Luzern. «Genuss kennt normalerweise keine Grenzen, aber unsere Schutzengeli fliegen nicht durch Mauern von Zollpapieren.»

Die Wirtschaftsverbände reagieren geschockt: «Es ist weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar, weshalb die Schweiz einen der weltweit höchsten Zollsätze erhalten soll», stellt der Wirtschaftsverband Economiesuisse klar. Die Schweiz würde den Import von US-Produkten nicht mit Zöllen oder anderen Importbarrieren erschweren. Unser Land sei zudem der sechstwichtigste ausländische Investor in den USA. Dabei sind Schweizer Firmen für rund 400'000 Arbeitsplätze verantwortlich.

«Ich bin fassungslos»

«Es ist sehr bedauerlich, dass die Schweiz bisher kein Abkommen zur Reduktion der Zölle erwirken konnte», so Jan Atteslander, Mitglied der Geschäftsleitung bei Economiesuisse. Nun seien der Bundesrat sowie die Wirtschaftsdiplomatie gefordert, immerhin eine Reduktion der Zölle zu erwirken. Zudem fordert der Verband Entlastungsmassnahmen für die Schweizer Unternehmen. 

«Ich bin fassungslos. Diese Zölle basieren auf keinerlei rationaler Basis und sind willkürlich», sagt Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher (57). «Dieser Entscheid gefährdet in der Industrie mehrere Zehntausend Stellen.» 

SP kritisiert Bundesrat

Auch die Politik findet scharfe Worte: So kritisiert die SP, die «Anbiederungsstrategie» hätte dieses Ergebnis mitzuverantwortet. «Sie hat Trump gezeigt, dass er machen kann, was er will. Man hätte ihm nie nachgeben dürfen», sagt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (37). «Der Versuch, Trump zu beschwichtigen, war politisch leichtsinnig. Er war nie an fairer Partnerschaft interessiert.»

Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone (37) fordert, grosse amerikanische Tech-Unternehmen angemessen zu besteuern. «Die Schweiz muss gemeinsam mit Europa eine unabhängige und grüne Industriepolitik entwickeln.»

Für Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (57) ist klar: Der Bundesrat sei nun gefordert, alles zu unternehmen, um in den kommenden Tagen eine bessere Lösung für die Schweiz zu finden. Der Bundesrat müsse die Sozialpartner schnell und vorrangig über seine Absichten informieren. Auch der Verband der Angestellten Schweiz spricht von einem «alarmierenden Signal». «Der drohende Verlust von Arbeitsplätzen – direkt oder über die Hintertür der Produktionsverlagerung – wirkt sich psychologisch aus: Existenzängste, Stress und ein wachsendes Gefühl der Ohnmacht greifen um sich, noch bevor die ersten Kündigungen ausgesprochen sind.»

Mitte-Bregy: Gegenmassnahmen prüfen

Auch Mitte-Chef Philipp Matthias Bregy (47) will, dass der Bundesrat Gegenmassnahmen zumindest prüft. Doch diese seien mit Bedacht zu wählen. «Nämlich dort, wo genügend einheimische Produkte oder genügend Produkte aus anderen Ländern vorhanden sind.» Dies, um die Schweizer Bevölkerung nicht zu belasten. Zudem seien die Auswirkungen auf die Exportindustrie und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu analysieren und rasch Massnahmen zur Stabilisierung zu ergreifen. Bregy weiter: «Donald Trump betreibt willkürliche Machtpolitik. Diese ist schädlich für die Schweiz und zeigt, wie wichtig eine werte- und regelbasierte Welt und gute internationale Beziehungen sind.»

Schweizer Zölle auf US-Produkte als Gegenmassnahme lehnt FDP-Präsident Thierry Burkart (49) ab. «Zölle gehen zu Lasten höherer Preise für unsere Bevölkerung und die importierenden Unternehmen. So schiessen wir uns ins eigene Knie. Zudem ist fraglich, wie stark Schweizer Zölle die US-Wirtschaft wirklich schmerzen würden. Massnahmen, die wenig wirken und uns selbst schaden, lehne ich ab.» Trumps Entscheid sei eine «Katastrophe». «Die USA sabotieren mit diesem Vorgehen die seit Jahrzehnten sehr guten und verlässlichen Beziehungen zu unserem Land», so Burkart.

GLP-Präsident Jürg Grossen (55) sagt derweil: «Präsident Donald Trump spielt Katz und Maus mit der Schweiz.» Es drohe eine Zäsur. «Jetzt muss der Bundesrat von seinem hohen Ross herunterkommen und bis 7. August das Schlimmste abwenden.»

SVP kritisiert Mitte-Links

Dass die US-Zölle für die Schweiz derart hoch ausfallen, sei als Quittung «für die verantwortungslose und arrogante Haltung von Mitte-Links zu werten», sagt hingegen SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (46). Die Partei fordert vom Bundesrat eine massive Entlastung der Wirtschaft.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?