Keller-Sutter: «Absurd»
US-Präsident Trump hat gemäss Bundespräsidentin Keller-Sutter beim Zoll-Entscheid nur auf das Handelsbilanzdefizit von angeblich fast 40 Milliarden Franken fokussiert. Der Bundesrat erachte die Einschätzung dieses Defizits als «absurd».
Aus Sicht des US-Präsidenten sei die Schweiz Schuld an einem Defizit von 38,9 Milliarden Franken, wie Karin Keller-Sutter am Freitag auf dem Rütli vor den Medien sagte. Aus Sicht des Bundesrats sei das jedoch absurd. Aber für Trump sei das wichtig. Vereinfacht gesagt sei das für ihn «Geld, das den USA gestohlen wird». Diesen Verlust müsse die Schweiz seiner Meinung nach ausgleichen.
Den hohen Prozentsatz von 39 Prozent erklärte sie mit dem genannten Defizit. «38,9 Milliarden Franken Defizit, 39 Prozent Zölle, das liegt nahe beieinander», so Keller-Sutter.
Enttäuscht über den Entscheid sei der Bundesrat, weil die Delegationen der Schweiz und der USA sich geeinigt hätten. Um welchen Zollsatz es sich dabei handelte, sagte Keller-Sutter nicht. Aber er sei sehr viel tiefer gewesen.
Sie betonte zudem, dass nicht sie, sondern das Seco verhandelt habe.
Diese Vereinbarung sei auch von Kabinettsmitgliedern der US-Regierung mitgetragen worden. Diese Mitglieder seien aber offenbar beim Präsidenten nicht durchgedrungen, obwohl die Schweiz andere Signale erhalten habe.
Womöglich sei der Vorschlag dem US-Präsidenten aber auch gar nicht unterbreitet oder nicht näher mit ihm besprochen worden. Aber das seien Spekulationen, sagte Keller-Sutter. Es sei einfach nur noch um das Handelsbilanzdefizit gegangen. Ursprünglich sei aber etwa auch das Schaffen von Jobs in die USA Thema gewesen.
Wie geht es jetzt weiter?
Was jetzt noch möglich sei und wie es weiter gehe, werde nun analysiert. Das Wirtschaftsdepartement werde eine Auslegeordnung machen und die Analyse dem Bundesrat unterbreiten.
Wie die Lösung am Schluss aussehen werde, wollte die Bundespräsidentin nicht vornweg nehmen. Aber es sei klar, dass die Zölle einen Schaden anrichten würden. Und zwar «nicht nur die 39 Prozent, sondern alle Zölle, die bestimmt wurden», betonte Keller-Sutter. Das werde sich sicher auf die Konjunktur weltweit auswirken.
Keller-Sutter hält sich bedeckt über ihre Strategie
Karin Keller-Sutter ging bei ihrer Festansprache auf dem Rütli nur knapp auf den Zollschock von Donald Trump ein. Sie liess kurz durchblicken, dass sie eine anstrengende Nacht hinter sich hatte. Auch betonte sie die Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit der Schweiz – was als Seitenhieb auf den wankelmütigen Trump verstanden werden kann. Sie erklärte jedoch nicht, mit welcher Strategie sie es versuchen könnte, in den kommenden Tagen doch noch einen Deal mit den USA zu erreichen.
«Es lebe die Eidgenossenschaft»
«Am 1. August kommen wir zusammen, um unser Land zu feiern, uns an unsere Stärken zu erinnern», sagt Keller-Sutter. Die Schweizer könnten stolz sein auf ihr Land. «Es lebe die Eidgenossenschaft.» Damit ist ihre Rede bereits beendet. Stokholm überreicht Keller-Sutter noch einen Geschenkkorb.
«Wir können dem Trend zur Polarisierung widerstehen»
«Entscheid und Haftung gehören zusammen», sagt Keller-Sutter. Sie betont damit die Tradition der Eigenverantwortung. Der Staat solle nur jene Aufgaben übernehmen, die Private nicht selbst erledigen könnten. Aktuell dominierten in den Nachrichten die negativen Meldungen, sagt die Bundespräsidentin. «Verunsicherung und Zukunftsangst nehmen zu in der Schweiz.» Das Land sei aber gut aufgestellt, um die Herausforderungen zu bewältigen. «Wir können dem Trend zur Polarisierung widerstehen. Wir müssen unser eigenes Haus in Ordnung halten.» Dabei stehe die Schweiz zu ihrem Wort. Sie sei verlässlich und berechenbar.
«Die Tendenz zum Zentralismus ist unverkennbar»
Die Sprachen und Dialekte seien aber nur ein Teil der Vielfalt der Schweiz, sagt Keller-Sutter. Es gebe auch einen grossen Reichtum im kulturellen und im politischen Bereich. «Wir organisieren uns selbst – als Familien und Gemeinden», sagt sie mit Blick auf die Schweizer Tradition der Subsidiarität. Politisch zeige sich das im föderalen Aufbau der Schweiz. «Was in der Gemeinde erledigt werden kann, soll nicht an den Kanton delegiert werden», erklärt sie. «Die Tendenz zum Zentralismus ist unverkennbar», sagt sie. Deshalb müsse man dem Föderalismus Sorge tragen. Es sei wichtig, die Aufgaben immer wieder richtig zu verteilen. Dafür müsse allerdings vor Ort Verantwortung übernommen werden.
«Es wäre leicht, das Trennende in unserem Land zu betonen»
Nun beginnt die Rede zum 1. August. Zuerst spricht Keller-Sutter über die verschiedenen Dialektwörter für das erste Stück eines Brots – den Anschnitt, für den es sehr viele Bezeichnungen gibt. Sie lobt die Vielfalt der Schweiz, die eine grosse Stärke darstelle. «Tatsächlich wäre es ein Leichtes, das Trennende in unserem Land zu betonen», so die Bundespräsidentin. Auch der Zeitgeist setze auf das Polarisierende. «Aber ich kann dieser Verlockung gar nichts abgewinnen.» Sie wolle das Vereinende betonen. «Was uns verbindet, ist die Solidarität», sagt Keller-Sutter. Das habe sich zuletzt etwa beim Bergsturz von Blatten VS gezeigt.
Keller-Sutter: «Es gab schon längere Nächte»
Nun tritt Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter auf die Bühne. Zuerst wird sie interviewt. «Es gab schon längere Nächte», sagt sie über die zurückliegenden Stunden. Keller-Sutter berichtet von ihrem Gespräch mit Donald Trump (79). Dabei sei auch der Nationalfeiertag zur Sprache gekommen. Sie habe Trump erklärt, dass die Schweiz auf das Jahr 1291 zurückgeht, was Trump beeindruckt habe. Zum Zollhammer sagt sie: Bei einem Sturm müsse man «aufstehen und weiterarbeiten». Das Thema solle an diesem Tag nicht zu viel Raum einnehmen, sagt die FDP-Politikerin.
Stokholm: «Die Schweiz ist ein Erfolgsmix»
Dieses Jahr steht die Sprachenvielfalt im Zentrum der Bundesfeier auf dem Rütli. «Wir können zeigen, dass die Sprachen uns nicht trennen, sondern zusammenbringen», sagt Stokholm. «Die Schweiz ist ein Erfolgsmix», betont er. «Ein Hoch auf die Schweiz», sagt er zum Abschluss seiner kurzen Rede.
Bevor nun die Bundespräsidentin ans Mikrofon tritt, spielen Nicolas Senn und Elias Bernet ein Musikstück mit dem Titel «Quöllfrisch» – dabei wird das Publikum bei einem Jodel miteinbezogen.
«Ein für die Schweiz herausfordernder Tag»
Die traditionelle Bundesfeier auf dem Rütli wird von Anders Stokholm mehrsprachig eröffnet. Stokholm war bis vor kurzem Stadtpräsident von Frauenfeld. Er spricht bei seiner Begrüssung über einen «für die Schweiz herausfordernden Tag». Mit Blick auf den Zollhammer von Donald Trump spricht er von «willkürlichen Handlungen» machthungriger Staatschefs.
Die Bundesfeier auf dem Rütli beginnt um 13 Uhr
Es ist ein schwieriger Tag für die Schweiz: Die USA wollen bald Zölle von 39 Prozent auf Importe aus der Schweiz erheben. Und ausgerechnet heute spricht Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) auf der symbolträchtigen Rütliwiese am Vierwaldstättersee. Die Bundesfeier der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) beginnt um 13 Uhr. Zuerst spricht SGG-Präsident Anders Stokholm (59). Danach tritt Keller-Sutter ans Mikrofon.
Der Bundesrat hat die von den USA genannten Zusatzzölle «mit grossem Bedauern» zur Kenntnis genommen. Die Schweiz strebe weiterhin eine Verhandlungslösung mit den USA an, heisst es aus Bern.
Verkehrsminister Albert Rösti (57, SVP) sagte im Wallis in seiner Bundesfeier-Ansprache, er bedaure die Mitteilung aus Amerika. Man hätte eine «gute» Absichtserklärung gehabt. «Ich möchte namens des Bundesrats versichern, dass wir die Verhandlungen weiterführen. Es ist noch nicht aller Tage Abend», so Rösti. «Wir haben eine starke Wirtschaft und werden die Stärken der Schweiz aufzeigen.»
Optimistisch gibt sich Mitte-Bundesrat Martin Pfister (62, Mitte). Während seiner 1.-August-Rede auf einem Bauernhof in Lütisburg SG sagte er: «Ich bin sicher, dass wir eine Lösung finden werden mit Präsident Trump in der Zollfrage.» Gleichzeitig mahnte der Verteidigungsminister, dass die Schweiz die internationalen Verwerfungen immer mehr zu spüren bekomme.
Jans: Europa ist unsere Heimat
Justizminister Beat Jans (61, SP) sagte in Schaffhausen, die Heimat der Schweiz sei Europa: «Wenn zum Beispiel die USA willkürlich Zölle von 39 Prozent gegen Schweizer Produkte einführen wollen, spüren wir das umso mehr. Demokratie und Rechtsstaat kommen unter Druck, in sozialen Medien und Parlamenten verschärft sich der Ton. Es gilt wieder die Macht des Stärkeren, viele ziehen sich in ihre Welt zurück, schauen nur für sich. Und es wird wieder aufgerüstet.» Der 1. August sei auch eine Warnung.
In Gersau SZ blickte Aussenminister Ignazio Cassis (64, FDP) in seiner 1.-August-Ansprache auf die Weltlage. «Zölle werden erhöht, Handelsabkommen zerlegt, internationale Regeln ignoriert», hielt er allgemein fest. «Nicht das Recht regiert – sondern das Faustrecht. Gemeinsame Lösungen weichen dem Alleingang.» Die Schweiz lasse sich nach dem Entscheid Trumps nicht entmutigen und strebe weiterhin eine Einigung im Interesse beider Seiten an, so Cassis.
Bundesrat «analysiert die neue Sachlage»
Der von US-Präsident genannte Zusatzzoll von 39 Prozent weiche «deutlich» vom Entwurf einer gemeinsamen Absichtserklärung ab, schrieb der Kommunikationschef des Eidgenössischen Finanzdepartements, Pascal Hollenstein, am Freitagmorgen auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Auf X hielt der Bundesrat weiter fest: «Die Schweiz war und ist im Kontakt mit den verantwortlichen Stellen in den USA.» Sie strebe eine Lösung mit den USA an, die «sowohl mit der Schweizer Rechtsordnung als auch den bestehenden Verpflichtungen vereinbar ist».
Der Bundesrat werde die neue Sachlage analysieren und über das weitere Vorgehen entscheiden.