«Ich habe sehr wohl zugehört»
0:55
Karin Keller-Sutter:«Ich habe sehr wohl zugehört»

Brisante Forderung nach Telefon-Eklat
Soll Keller-Sutter nie mehr mit Trump sprechen?

Nach den neuen Enthüllungen um Trumps Telefonat mit Karin Keller-Sutter wächst in Bern die Skepsis: Soll die Bundespräsidentin überhaupt noch mit dem US-Präsidenten reden? In der SVP ist die Antwort klar.
Publiziert: 00:01 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/11
Der 39-Prozent-Hammer: US-Präsident Donald Trump verhängte am 1. August happige Strafzölle gegen die Schweiz.
Foto: Imago/Middle East Images

Darum gehts

  • Karin Keller-Sutters Telefonat mit Donald Trump sorgt für grossen Zoff
  • US-Quellen behaupten: Trump wolle nie mehr mit Keller-Sutter verhandeln
  • In Bern wächst der Ruf, Keller-Sutter lieber aus dem Spiel zu nehmen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
IMG_4140.jpg
Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Kaum je hat ein Anruf in der Schweizer Politik für derart viel Wirbel gesorgt: Am 1. August verhängte US-Präsident Donald Trump (79) Strafzölle von 39 Prozent gegen die Schweiz. Tags zuvor hatte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) mit ihm telefoniert – ein Gespräch, das nun für heftige Kontroversen sorgt. Laut Blick-Enthüllungen soll Trump unflätig über die FDP-Bundesrätin hergezogen und seine eigenen Unterhändler kleingeredet haben.

US-Quellen wiederum wollen in Keller-Sutters Auftreten den Grund für das Scheitern eines Zolldeals sehen. Trump habe sich von der Bundespräsidentin mit einem «halbstündigen Crashkurs in Volkswirtschaft und politischer Ökonomie» regelrecht blossgestellt gefühlt – so sehr, dass er Mitarbeitern erklärt haben soll, nie mehr mit ihr verhandeln zu wollen.

Wurde zu viel verbrannte Erde hinterlassen?

Nach dem Anruf habe im Weissen Haus eines festgestanden: Solange Keller-Sutter Bundespräsidentin sei, werde es für die Schweiz keine Zollsenkungen geben. «Er hat endgültig genug von ihr», behauptete eine Auskunftsperson. Am Ende gehe es schlicht um ein persönliches Problem. 

Jede Seite verkauft naturgemäss ihre Version. Wie Keller-Sutter bei Trump wirklich ankommt, weiss nur der von seinen Launen getriebene US-Präsident selbst. Immerhin hatte er sie im Nachgang sogar öffentlich als «nice» bezeichnet. Und die Verhandlungen verantwortete das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) – das laut Recherchen Keller-Sutters direkte Kontaktaufnahme mit Trump angeregt hatte. 

«Ich wusste nicht, wer sie ist»
1:04
Zoll-Interview im Video:Trump über Keller-Sutter: «Ich wusste nicht, wer sie ist»

Aber dennoch: Sogar bürgerliche Parlamentarier fragen sich, ob es angesichts der Gehässigkeiten überhaupt noch sinnvoll ist, Keller-Sutter jemals wieder mit Trump reden zu lassen. Damit rühren sie an einem Tabu: Ist die Bundespräsidentin nicht automatisch die oberste Gesprächspartnerin für den US-Präsidenten?

Manche tun das nur hinter vorgehaltener Hand. «Die persönliche Ebene ist bei Trump nun mal entscheidend, dafür kann die Bundespräsidentin nichts», sagt selbst ein Freisinniger. Unabhängig vom Parteibuch sei aber die Frage erlaubt, ob nicht SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) als «Schweizer Aushängeschild» im Zollstreit das Ruder eher herumreissen könnte. 

SVP-Politiker wollen Parmelin ganz vorne

Namentlich äussern wollen sich nicht alle – auch aus Rücksicht auf die Berner Verhandlungsposition. Klare Worte kommen aber aus der SVP. Grundsätzlich liege es allein am Bundesrat, zu bestimmen, wer die Verhandlungen führe, betont Nationalrat Franz Grüter (62). «Unsere Landesregierung hat sieben Mitglieder.» Wenn die Amerikaner jedoch offenbar so verärgert über die Bundespräsidentin sind, könne man das nicht einfach ignorieren. 

Der SVP-Aussenpolitiker sagt offen: «Man muss prüfen, ob nicht Parmelin die Verhandlungen übernehmen sollte.» Dieser komme mit seiner ruhigen und ausgeglichenen Art gut an und sei sehr erfahren mit Verhandlungen, so Grüter. «In möglichen Schlussverhandlungen könnte das mit Parmelin im Lead ein Pluspunkt sein.»

Ähnlich äussert sich sein Parteikollege Roland Rino Büchel (59). Das Seco habe unter Parmelin und Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (60) auf technischer Ebene gute Arbeit geleistet, sagt der Nationalrat. «Aber am Ende haben zu viele Leute mitgekocht, das Zusammenspiel mit Bundespräsidentin Keller-Sutter hat nicht funktioniert.»

Auch Büchel setzt seine Hoffnungen eher auf Parteikollege Parmelin. «Er ist ein kluger Verhandler, bodenständig und pragmatisch.» Zudem plädiert er erneut dafür, Fifa-Präsident Gianni Infantino (55) als Türöffner einzusetzen. «Man sieht dieser Tage wieder eindrücklich, dass er einen Zugang zu Trump hat wie sonst niemand aus der Schweiz.»

«Die wollen jetzt ihren Kopf retten»

Andere sind zurückhaltender, nehmen Keller-Sutter auch in Schutz. Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (61) hält es für plausibel, dass die Amerikaner den Anruf nun aus taktischen Gründen als Eskalation darstellen. «Gerade Trumps Unterhändler stehen angesichts der eigentlich erfolgreichen Verhandlungen mit der Schweiz schlecht da – sie wollen jetzt ihren Kopf retten», sagt sie.

Eines jedoch sei klar: «Mit dem klassischen diplomatischen Protokoll kommt die Schweiz nicht weit.» Damit werde man der Unberechenbarkeit Trumps nicht gerecht. «Es war ein Fehler, dass sich die Schweiz im Vorfeld zu wenig darauf vorbereitet hatte.»

Um dennoch zu einer Lösung zu kommen, braucht es nach Schneider-Schneiters Einschätzung auch unkonventionelle Wege. «Man muss alle möglichen Kanäle nutzen, auch ungewöhnliche Kontakte in Erwägung ziehen», sagt sie. «Bei Trump ist die persönliche Chemie offenbar sehr wichtig. Am Ende definiert aber der Bundesrat die Verhandlungsstrategie.»

Federführend ist Parmelins Seco

Im Hintergrund geht es zwischen Keller-Sutter und ihrem Stab einerseits und Parmelins Seco andererseits auch um die Deutungshoheit, wer den Kurs der Verhandlungen prägt. Auch parteipolitische Interessen spielen dabei längst eine Rolle.

Keller-Sutters Finanzdepartement hatte bereits betont, es gebe keine Hinweise auf eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Weissen Haus. Wie aber reagiert es auf Forderungen, Keller-Sutter von weiteren Gesprächen mit Trump zurückzuziehen? «Karin Keller-Sutter führte die Gespräche mit Präsident Trump, weil sie Bundespräsidentin ist», sagt ihr Sprecher Pascal Hollenstein. «Bei den Verhandlungen mit der amerikanischen Seite war und ist das Seco federführend.»

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen