«Die Schweiz hat immer etwa einen Sturm erlebt»
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Keller-Sutter kämperisch:«Die Schweiz hat immer etwa einen Sturm erlebt»

Abgestraft!
39 Prozent für die Schweiz – 39 Fragen zum Zollschock

39 Prozent Zollhammer! Damit trifft es die Schweizer Wirtschaft besonders hart. Ein Deal mit den USA blieb bisher aus. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.
Publiziert: 01.08.2025 um 10:37 Uhr
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Aktualisiert: 01.08.2025 um 14:08 Uhr
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US-Präsident Donald Trump straft die Schweiz mit einem der höchsten Zolltarife ab!
Foto: AFP

Darum gehts

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Der Knall kam, als am Vorabend des 1. August das erste Feuerwerk gezündet wurde. Doch statt farbigen Funken gabs stinkenden Rauch: Der Zollhammer von 39 Prozent saust auf die Schweiz nieder. «No Deal» heisst es – die Schweiz bekommt vorerst kein Abkommen mit den USA. Was nun? Blick beantwortet 39 Fragen.

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Wieso jetzt 39 Prozent?

Warum es jetzt noch mal acht Prozent mehr sind als im April angekündigt, ist nicht klar. Trump beruft sich auf das negative Handelsdefizit von 38,5 Milliarden Franken. Die Schweiz exportiert in diesem Umfang mehr Güter in die USA, als sie von dort importiert. 

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Ist das wirklich der Grund?

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter betonte in ihrem Statement auf X, dass das Handelsdefizit im Vordergrund gestanden habe. Trump wirft der Schweiz aber auch Währungsmanipulation der Nationalbank (SNB) zugunsten eines schwachen Frankens vor. Seit Trump mit dem Zollhammer droht, hat sich der Franken zum Dollar jedoch noch mal um rund zehn Prozent aufgewertet. Damit dürfte der Vorwurf erstmal vom Tisch sein.

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Hat die Schweiz die USA im Handel wirklich unfair behandelt?

Es stimmt, dass die Schweiz mehr in die USA exportiert, als sie importiert. 2024 hat die Schweiz aber beispielsweise die Industriezölle abgeschafft. US-Firmen können Industrieprodukte zollfrei in die Schweiz exportieren. Trump ignoriert auch die Tech-Konzerne im Dienstleistungsbereich wie Meta oder Alphabet: Berücksichtigt man diese, beläuft sich das US-Handelsdefizit auf 18 Milliarden Franken.

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Wieso ist kein Deal zwischen den USA und der Schweiz zustande gekommen?

Darüber kann nur spekuliert werden. Die Grösse dürfte eine Rolle spielen: In den USA machen Importe aus der Schweiz nur 1,3 Prozent der Gesamtimporte aus. Trumps Priorität lag auf den grossen Volkswirtschaften. 

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Wann treten die Zölle in Kraft?

Die Zölle treten ab 7. August in Kraft.

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Wie lange bleiben die Strafzölle gültig?

Bisher gibt es keine Ablauf- oder Schonfrist für die festgesetzten Zolltarife. 

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Wie reagiert der Bundesrat?

Der Bundesrat reagiert mit «grossem Bedauern» auf den Zollschock. Die Schweiz strebt weiterhin eine Verhandlungslösung mit den USA an, wie der Sprecher des Departements mitteilte.

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Hat Karin Keller-Sutter doch keinen Draht zu Trump gefunden?

Im Interview mit dem SonntagsBlick sagte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61), sie habe einen Zugang zu Trump gefunden. Offensichtlich hat das nichts genützt. Womöglich hat die Schweizer Delegation zu nüchtern argumentiert. 

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Mit welchen Argumenten wollte die Schweiz Trump für einen Deal gewinnen?

Schweizer Firmen exportieren jährlich Güter im Wert von 19 Milliarden US-Dollar. Sie ist der sechstwichtigste ausländische Investor in den USA und beschäftigt im Land rund 400’000 Angestellte. Die Schweiz ist auch einer der grössten Importeure von US-Dienstleistungen.

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Haben andere Länder besser verhandelt?

Die EU konnte Trump mit Zugeständnissen zu einer Reduktion der Zölle von 30 auf 15 Prozent bringen. Auch Japan und Indonesien haben tiefere Zölle verhandelt. Die Schweizer Delegation hat womöglich zu wenig angeboten, was Trump als Sieg verkaufen kann.

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Hat die Schweiz jetzt einen der höchsten Zölle?

Ja, die Schweiz steht in Europa mit dem mit Abstand schlechtesten Zolldeal da. Die Zollsätze für die EU und Länder mit einem Deal liegen tiefer. In Ländern, die einen Zollbrief von Trump erhalten haben, bewegen sich die Zollsätze zwischen 20 und 50 Prozent (Schlusslicht: Brasilien). 

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Wieso trifft es die Schweiz besonders hart?

Anscheinend konnte die Schweiz mit ihren Argumenten nicht überzeugen. Denn auch die EU hat einen grossen Handelsüberschuss gegenüber den USA.

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Wie hat das Weisse Haus die ursprünglichen 31 Prozent berechnet?

Es könnte absurder nicht sein: Der Güterexport der Schweiz in die USA beläuft sich auf 63,4 Milliarden Franken. Dividiert man das Handelsdefizit von 38,5 Milliarden durch diese 63,4 Milliarden, entspricht das gerundet 61 Prozent. Die Hälfte davon hat Trump dann im April als Zollsatz festgelegt – und erhöhte diese nun noch mal. 

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Wer bezahlt die 39 Prozent Zoll?

An erster Stelle die US-Firmen und Händler, die Produkte aus der Schweiz importieren. In einigen Fällen könnte es US-Firmen gelingen, einen Teil auf die Lieferanten abzuwälzen. 

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Können die USA dem Handelsdefizit so tatsächlich entgegenwirken?

Das Defizit sollte sinken. Praktisch alle Ökonomen erwarten, dass die Importe in die USA aus Ländern mit hohen Zöllen abnehmen werden. Zudem können andere Länder dank des schwächelnden US-Dollar günstiger bei US-amerikanischen Firmen einkaufen, was das Defizit zusätzlich senken würde. 

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Leiden wir Schweizer Konsumenten unter dem Zollhammer?

Die Zölle belasten Schweizer Exportunternehmen schwer. Folglich sind Arbeitsplätze in Gefahr. Die negativen Auswirkungen auf das Schweizer Wirtschaftswachstum können sich zudem in den Löhnen bemerkbar machen. 

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Bekommt die US-Bevölkerung den Zollhammer zu spüren?

Die US-Konsumentinnen und -Konsumenten dürften einen Teil der Zölle über steigende Preise bezahlen. Sie müssen zudem damit rechnen, dass auch US-Firmen ohne Importanteil mittelfristig ihre Preise erhöhen. Der simple Grund: Da ausländische Produkte teuer werden, können auch US-Unternehmen mehr Geld für ihre Waren verlangen. 

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Was will Trump mit den «reziproken Zöllen» erreichen?

Er will erreichen, dass Länder mehr Güter aus den USA importieren. Das scheint zu gelingen: Die EU beabsichtigt, US-Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen. Trump will auch Direktinvestitionen anlocken und so Arbeitsplätze schaffen. Die EU will zusätzlich 600 Milliarden Dollar in die US-Wirtschaft investieren. 

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Investieren jetzt mehr Schweizer Firmen in Produktionsstätten in den USA?

Ja, einige Firmen folgen dem Ruf von Trump. Zugbauer Stadler Rail baut für 70 Millionen sein US-Werk aus. Auch Nahrungsmittelmulti Nestlé plant neue Investitionen in den USA. 

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Was bedeuten die Strafzölle für die Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis?

In einem Brief an Novartis fordert Trump tiefere Medikamentenpreise – und setzt eine 60-Tage-Frist. Bis anhin sind die Pharmaunternehmen von den Zöllen ausgenommen. Trump hat jedoch mehrfach mit solchen Zöllen gedroht: Novartis kündigte daraufhin den Ausbau seiner US-Werke mit 23 Milliarden Dollar an. Auch Roche will seine Kapazitäten in den USA erhöhen. Die Firma beschäftigt dort 25’000 Angestellte.

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Welche Branchen leiden in der Schweiz besonders unter dem Zollhammer?

Die Schweizer Exporteure verlieren bei einem Zollsatz von 39 Prozent deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der ausländischen Konkurrenz. So werden die Produkte von EU-Firmen oder japanischen Unternehmen bloss mit einem Zollsatz von 15 Prozent belastet. Das trifft gerade die Schweizer Maschinenbauer, die Uhrenindustrie sowie Produzenten von Schweizer Käse und Schoggi.

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Haben die aktuellen Zölle von 10 Prozent der Schweizer Wirtschaft bereits geschadet?

Der Handelskonflikt führt zu grossen Unsicherheiten. Gemäss Prognosen wird die Wirtschaft dieses und kommendes Jahr unterdurchschnittlich wachsen. Die Zölle haben ihren Anteil daran. 

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Kaufen Schweizer Konsumenten weniger US-Produkte?

Nein. Es gab zwar Stimmen, die zu einem Boykott von Produkten aus den USA aufriefen. Eine Analyse von Digitec Galaxus von Ende Mai zeigt jedoch: Die Konsumenten kauften praktisch gleich viele US-Produkte wie im Vorjahr. Von Boykott bisher keine Spur. 

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Exportieren Schweizer Firmen jetzt weniger in die USA?

Ja. Die Exporte sind im zweiten Quartal um fast 40 Prozent eingebrochen und fielen gemäss Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) auf den tiefsten Stand seit Ende 2020. Im ersten Quartal gab es dafür so viele Exporte in die USA wie noch nie. Die Firmen füllten ihre Lager in den USA bewusst auf, bevor die Strafzölle in Kraft traten.

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Welche Auswirkungen hat der Deal zwischen USA und EU auf die Schweiz?

Der EU-Deal ist für den Export der Schweiz nach Europa positiv. Die Schweizer Exportfirmen verlieren im Vergleich zur EU jedoch deutlich an Wettbewerbsfähigkeit bei Exporten in die USA. Denn unsere Zölle dorthin sind mehr als doppelt so hoch wie die 15 Prozent, die bei Lieferungen von EU-Produkten in die USA anfallen.

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Warum lässt sich die Schweiz so hohe Zölle gefallen?

Die Schweiz ist aus Sicht der USA nur ein kleiner Fisch. Andere Länder hatten in den Verhandlungen Priorität. 

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Wird die Schweiz nun auf Gegenzölle setzen?

Davon ist kaum auszugehen. Unser Land ist viel zu klein, um die US-Wirtschaft mit Gegenzöllen unter Druck zu setzen. 

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Kann die Schweiz einen schrumpfenden Handel mit den USA kompensieren?

Auf die Schnelle ist das unmöglich: Fast ein Fünftel der Schweizer Güterexporte geht in die USA. Doch die Erschliessung neuer Märkte benötigt Zeit. Innerhalb von wenigen Jahren sei das äusserst schwierig, so der Branchenverband Swissmem.

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Sind Zölle sinnvoll?

Zölle haben zahlreiche negative Auswirkungen. Sie führen zu höheren Preisen. Die Konsumenten können sich weniger leisten, die Unternehmen stellen weniger Güter her und das Wirtschaftswachstum leidet. Im Land, das die Zölle einführt, können aber auch positive Effekte auftreten – etwa, dass die einheimischen Firmen geschützt werden. 

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Sind solche Strafzölle legal?

Für den emeritierten Professor für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht an der Universität Bern, Thomas Cottier, ist klar: «Ich bin überzeugt, dass diese Zölle rechtswidrig sind.» Die «exorbitanten Zölle» der US-Regierung würden gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstossen.

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Kann die Schweiz dagegen vorgehen?

Die Schweiz könnte eine Klage bei der WTO gegen die USA einreichen. Doch was das bringt, ist unklar. 

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Werden die Zölle innerhalb der USA akzeptiert?

Nicht nur: Fünf kleine US-Firmen und zwölf demokratisch regierte Bundesstaaten haben gegen die Zölle geklagt. Ihre Argumentation: Der Kongress – und nicht der Präsident – sei für Zölle zuständig. Ein unteres Gericht hatte ihnen recht gegeben. Beobachter rechnen damit, dass der Fall vor dem Obersten Gerichtshof landet. Ein Entscheid dürfte aber dauern.

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Droht nun eine Rezession in der Schweiz?

Die Wachstumsprognosen für die Schweizer Wirtschaft werden sicher nach unten korrigiert. In eine Rezession sollte die Schweiz aber trotzdem nicht schlittern. 

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Wie sieht es in den USA aus?

Vom schlechten Jahresstart haben sich die USA erholt: Das BIP im ersten Quartal dieses Jahres ist um 0,3 Prozent gesunken. Im zweiten Quartal ist die US-Wirtschaft dafür überraschend stark gewachsen und hat um 3 Prozent zugelegt. 

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Wie wirkt sich der Zoll auf den Franken aus?

Leidet die Schweizer Wirtschaft, schwächt das den Schweizer Franken. Beim Wechselkurs spielen jedoch noch andere Faktoren eine Rolle. 

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Steuern wir nun auf eine Weltwirtschaftskrise zu?

Für solche Spekulationen ist es noch zu früh. Klar ist: In den 1930er-Jahren führten die USA Strafzölle auf 20’000 Produkte ein. Die damals eh schon herrschende Weltwirtschaftskrise wurde dadurch massiv verschärft

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Werden die Schweizer Börsen am Montag tiefrot eröffnen?

Ein Zollsatz von 39 Prozent dürfte die Börse am Montag auf Talfahrt schicken. Als der Zollkonflikt im März richtig Fahrt aufgenommen hatte, büsste der SMI innerhalb weniger Wochen zwischen acht und neun Prozent ein.

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Wie geht es jetzt weiter?

Die Lage bleibt extrem unsicher. Trump ist bekannt für seine Kurzschlussentscheidungen. Wenn sich die Strafzölle nicht wie gewünscht positiv auf die US-Wirtschaft auswirken, könnte der US-Präsident seinen Kurs jederzeit ändern. 

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Ist ein Deal weiterhin möglich?

Ja. Möglich ist, dass die Amerikaner die Zeitspanne bis 7. August noch für Verhandlungen nutzen. Entsprechende Andeutungen machte Finanzminister Scott Bessent zumindest im Vorfeld. «Eine Einigung ist immer noch möglich», sagte er.

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