Wie die Todesfälle die Tour de Suisse verändern
14:09
Sicherheit wird erhöht:Wie die Todesfälle die Tour de Suisse verändern

Mehr Sicherheit? Ja! Null Risiko? Nein!
Tour fährt erstmals vom Splügenpass nach Italien

Noch nie in 87 Ausgaben hat die Tour de Suisse die Abfahrt vom Splügenpass nach Italien gemacht. Bis heute. Was bedeutet dies für die Fahrer? Blick war mit den Sicherheits-Experten vor Ort unterwegs.
Publiziert: 00:06 Uhr
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Premiere nach 87 Tour-de-Suisse-Ausgaben! Erstmals wird die Abfahrt vom Splügenpass runter nach Italien unter die Räder genommen.
Foto: Sven Thomann

Darum gehts

  • Tour de Suisse fährt erstmals Splügenpass-Abfahrt Richtung Italien
  • GPS-Ortung und digitale Streckenpläne erhöhen Sicherheit der Fahrer
  • 34 Mann starke Sicherheitseskorte warnt Fahrer vor gefährlichen Stellen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Mathias GermannReporter Sport

Gibt es eine Abfahrt eines berühmten Passes, die die Tour de Suisse in ihrer weit über 80-jährigen Geschichte noch nie unter die Räder nahm? «Kaum», würden wohl die meisten sagen. Doch. Wenn der Tross am Mittwoch den Splügenpass in Richtung Chiavenna (It) runterdonnert, ist dies eine Premiere. Zwar wurde das 2114 Meter hohe Hindernis 1954 und 1998 überwunden, damals aber von Italien in Richtung Graubünden.

Nun ist es erstmals umgekehrt. Ein Sicherheitsrisiko, weil die Fahrer die Strecke nicht kennen? «Nein», sagt Tour-Direktor Olivier Senn. «Jeder im Peloton beherrscht sein Velo und hat die Technik, um eine solche Abfahrt zu meistern.» Trotzdem tun er und sein Team alles, damit es keine Stürze gibt. Wie?

Rückblick. Es ist Ende Mai, als wir Senn auf dem Splügenpass treffen. Mit dabei sind auch Beat Wettstein (Chef Streckenschutz), Guido Sereinig (Chef Sicherheitseskorte) und David Loosli (Ex-Profi und Sportlicher Leiter der Tour). Sie kennen die 30 Kilometer lange Abfahrt nach Chiavenna (It), haben sie bereits befahren, abgefilmt und auf Video angeschaut. Jetzt aber kommt es zu einer Neuheit: Auf einem digitalen Streckenplan mit GPS werden sie alle Gefahrenstellen notieren. Diese Informationen stellen sie dann den Tour-Teams zur Verfügung, damit sie ihre Fahrer bei der Planung, aber auch während des Rennens, warnen können.

«Früher hat man alles mittels Marschtabelle gemacht. Das Problem ist allerdings, dass die Baustelle bei Kilometer 102,7 nicht bei allen Fahrzeugen bei Kilometer 102,7 da ist. Die Zähler in den Fahrzeugen laufen unterschiedlich, es gibt immer Abweichungen. Wenn also ein Sportlicher Leiter seinen Fahrern früher funkte: ‹Achtung, Baustelle in 200 Metern›, folgte die Baustelle vielleicht noch lange nicht oder war schon passiert worden. Das passiert jetzt nicht mehr.» 

Neben der GPS-Ortung der Fahrer ist dies eine zweite wesentliche Massnahme, um die Tour sicherer zu machen. Nach den Todesfällen von Gino Mäder (2023) und Muriel Furrer (2024) hatte Senn schliesslich gesagt: «So kann es nicht weitergehen. Wir müssen etwas ändern – Kosten hin, Aufwand her.»

Mehr Platz, mehr Sicherheit? Nicht immer!

Zurück auf den Splügenpass. Genauer: auf die Abfahrt in Richtung Italien. Senn, Wettstein, Sereinig und Loosli sitzen im gleichen Auto. Sie beobachten, diskutieren und entscheiden. «Hier stelle ich einen hin», sagt Sereinig, «denn die Kurve ist von weitem nicht gut zu erkennen und macht stark zu.» Mit «einen» meint er jemanden aus seiner 34 Mann starken Sicherheitseskorte. «Er wird von seinem Töff steigen und die Fahrer mit Trillerpfeife und einer Kelle warnen, damit sie langsamer fahren», erklärt Sereinig.

Es gibt Highspeed-Kurven, Spitzkehren, Galerien und Tunnel. Und auf einmal eine Brücke, die Senn nicht gefällt, weil sich die Strasse vor ihr teilt. Die von aussen logische Option wäre, den Fahrern beide Spuren zur Verfügung zu stellen. Mehr Platz, mehr Sicherheit.

Oder? «In diesem Fall nicht. Denn sie kommen sehr schnell auf die Brücke zu und müssen innert Kürze entscheiden, ob sie rechts oder links durchfahren. Das Problem ist, dass einige sich in solchen Fällen nicht entscheiden können.» Das Team beschliesst, den Tross mit einer Blache auf eine Seite der Brücke zu lenken – weniger ist in diesem Fall mehr.

Abfahrten gehören dazu – auch in Zukunft

Irgendwann sind Senn und Co. im Tal angelangt. Zeit für eine Bilanz. «Ich bin zufrieden. Was aber nicht heisst, dass es keine Stürze geben kann. Letztlich sind es die Fahrer, die entscheiden, wie viel Risiko sie eingehen wollen. Wir können ihnen nicht alles abnehmen», so Senn.

Fest steht: Solche Abfahrten gehören für den Aargauer auch in Zukunft zur Tour dazu. Ein kompletter Athlet müsse auf einem solchen Niveau schlicht die Fähigkeiten dafür mitbringen, findet Senn. «Wir verzichten im Fussball ja auch nicht plötzlich auf die Tore, weil man daran den Kopf anstossen könnte.»

Alle Infos zur Tour de Suisse 2025

Vom 12. bis 22. Juni ist die Schweiz im Rad-Fieber: Die Tour de Suisse 2025 rollt durchs Land. Erst sind die Frauen dran (12. - 15.), dann übernehmen die Männer (15. - 22.). Hier findest du Höhenprofile und Etappenpläne zu den vier Teilstücken der Frauen, die über total 500 Kilometer Länge und 7’000 Höhenmeter führen. Und hier gibts die acht Etappen der Männer, die total 1’300 Kilometer und über 20’000 Höhenmeter abspulen.

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