Wie die Todesfälle die Tour de Suisse verändern
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Sicherheit wird erhöht:Wie die Todesfälle die Tour de Suisse verändern

Sandra Mäder schreibt über die Zeit seit dem Tod ihres Sohnes Gino (1997–2023)
«Mit dir ist ein Teil von mir gegangen»

Angst, Verzweiflung und Trauer: Heute vor zwei Jahren starb Gino Mäder (1997–2023) an den Folgen seines Sturzes bei der Tour de Suisse. Seine Mutter Sandra Mäder schreibt einen rührenden Brief, Blick veröffentlicht ihn.
Publiziert: 16.06.2025 um 10:39 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2025 um 13:01 Uhr
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Gino Mäder (1997-2023) war ihr kleiner Pirat: Sandra Mäder schreibt zwei Jahre nach seinem Tod einen rührenden Brief.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Darum gehts

  • Sandra Mäder erinnert sich an den tragischen Unfall ihres Sohnes Gino vor zwei Jahren
  • Nach dem tödlichen Unglück bei der Tour de Suisse sind Trauer und Schmerz unverändert stark
  • Die ganze Familie vermisst Gino Mäder zutiefst, er bleibt für sie unvergessen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Sandra Mäder

Lieber Gino

Die Zeit heilt keine Wunden. Auch nach 2 Jahren ist der Schmerz noch genau gleich wie am Anfang. Ich weiss noch genau, wie ich die Etappe nach La Punt, wo du so schwer gestürzt bist, geschaut habe – ich düste mit dem Staubsauger durch das Wohnzimmer. 

Als die Fahrer die Ziellinie überquerten, warf ich einen kurzen Blick auf den Bildschirm. Ich dachte: Zum Glück bist du im Ziel. Aber im gleichen Moment schoss es mir durch den Kopf: Komisch – warum ziehst du die Sonnenbrille aus? Deine erste Handlung im Ziel ist doch immer der Griff zum Fahrradcomputer… Ich wollte dir schreiben und fragen, ob das neu ist. Ich hatte dich mit einem Teamkollegen verwechselt. Du hattest La Punt gar nie erreicht.

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Dann Tränen, zittern, schreien. Ich versuchte, mir einzureden: Es kann doch nicht sein
Gino Mäders Mutter Sandra
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In meinem Unwissen ging ich einkaufen. Ganz genau weiss ich, wo ich im Stau stand, als die erste Nachricht auf meinem Handy aufpoppte: «Wie geht es Gino?» Dann kam der erste Anruf, von deinem Vati. Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.

Was danach folgte, war ein Alptraum: erste, vage Informationen. Dann Tränen, zittern, schreien. Ich versuchte, mir einzureden: Es kann doch nicht sein, ich habe Gino doch über die Ziellinie fahren sehen!

Ich erhielt einen Anruf mit ausländischer Nummer. Und ignorierte ihn. Mein Gedanke: Was ich nicht weiss, ist nicht passiert. Dabei war mir schon längst klar, dass Dir, lieber Gino, etwas ganz Schlimmes passiert war. Die Nachricht von Deinem Teamarzt, ich solle bitte zurückrufen, habe ich mit «Ich kann kein Englisch» ignoriert. Wenn ich das jetzt schreibe, höre ich Dich sagen: «Mami, Englisch ist einfacher als Italienisch – und da plapperst du ja auch einfach drauflos.»

Aber eben: Was ich nicht weiss, ist nicht passiert…

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Die Zeit heilt keine Wunden
Gino Mäders Mutter Sandra
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Danach überschlugen sich die Ereignisse. Lange Zeit später habe ich die Whatsapp-Nachrichten nochmals gelesen und mir gedacht: Meine Güte, war ich kurz angebunden. Aber ich weiss, dass Jasmin, Sandra, Franziska, Gianluca und all die anderen lieben Freunde meine knappen Antworten verstanden und nicht persönlich genommen haben. Gino, du hättest sowieso gesagt: «Mami, mach dir keine Gedanken, die haben dich noch immer lieb.»

Die Zeit heilt keine Wunden. Das hat Nino de Angelo bereits gesungen – sein Lied begleitet mich seit jenem Tag im Engadin täglich.

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Die Trauer macht mich so müde, oft bin ich erschöpft
Gino Mäders Mutter Sandra
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Gino, zwei Jahre ohne Dich. Mit Dir ist auch ein Teil von mir, von uns, gegangen. In diesen zwei Jahren habe ich so viel geweint wie noch nie. Gekämpft wie noch nie. 

Jeder Tag ist ein unglaublicher Kampf. Jeder Tag ist für mich so unendlich schwer. Die Trauer macht mich so müde, oft bin ich erschöpft. 

Auch heute wähle ich noch Deine Nummer, um dir irgendetwas zu erzählen. Ich will dich fragen, ob ich den Fiat 500 kaufen soll oder doch lieber ein vernünftiges Auto. Du würdest wohl antworten: «Mami, kauf dir besser ein sicheres Auto, du bist so oft unterwegs. Und wo würdest du deine zwei Boxer in den kleinen Fiat einladen?»

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Ich bin stolz und glücklich, dass ich Dein Mami sein darf
Gino Mäders Mutter Sandra
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Lieber Gino, wir vermissen Dich. Ich, dein Vati, Laura, Jana und Lisa, Rinaldo und Elias. Lino, Vivienne und auch Mona sprechen immer wieder von Dir und wollen das Gino-Jäckli anziehen.

Ich vermisse Dich bis zum Mond und zurück. Ich bin stolz und glücklich, dass ich Dein Mami sein darf.

Dein Mami.

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