Darum gehts
Was bedeutet der Zolldeal für den Schweizer Export?
Schweizer Produkte werden in den USA bald nur noch mit 15 statt 39 Prozent verzollt. Das entlastet besonders die Maschinen-, Präzisions- und Uhrenindustrie. Trotzdem: Vor dem ursprünglichen US-Zollhammer lag die Belastung bei durchschnittlich 2 Prozent. Eine Rückkehr zur Normalität ist das Abkommen keineswegs.
Dazu kommt, dass die zusätzlichen Strafzölle von 50 Prozent auf Aluminium und Stahl weiter bestehen bleiben. Nur für Pharmabranche und Goldindustrie ändert sich direkt wenig: Sie sind von den Strafzöllen sowieso ausgenommen.
Warum braucht es den Deal?
Rückblick: Anfang April präsentiert US-Präsident Donald Trump (79) neue US-Zölle. Der Schweizer Tarif: 31 Prozent. Wenige Stunden später ist alles bereits wieder anders, die Strafzölle sollen erst in 90 Tagen gelten. Die Schweiz versucht zu verhandeln. Doch lange passiert nichts.
In der Nacht auf den 1. August packt Trump nach einem fatalen Telefonat mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61, FDP) den 39-Prozent-Hammer aus. Aus Sicht des US-Präsidenten ist es die Strafe für ein Handelsdefizit von 38,9 Milliarden Franken.
Wie kam der neue Deal zustande?
Nach dem Zollschock bleibt Keller-Sutter im Hintergrund. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (66, SVP) und Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (60) übernehmen. Immer wieder werden sie bei der US-Regierung und insbesondere beim Handelsbeauftragten Jamieson Greer (46) vorstellig.
Nach monatelangem Hin und Her verkündet der Bund am 14. November: Der Deal ist da.
Was haben eine Rolex und ein Goldbarren damit zu tun?
Die Wirtschaftselite als Dosenöffner: Rund eine Woche vor dem Abschluss der Verhandlungen treffen Schweizer Unternehmer Trump in seinem Büro. Als Geschenk überreichen sie ihm eine Rolex-Uhr und einen Goldbarren mit eingravierter Widmung. Trump ist beeindruckt.
Kann das Schweizer Stimmvolk den Deal noch verderben?
Noch ist das Abkommen nicht fix: Es besteht aktuell erst als rechtlich unverbindliche Absichtserklärung. Es wird also weiter verhandelt. Zudem steht auch noch eine Entscheidung des Supreme Court, des Obersten Gerichts der USA, aus: Es könnte die Zölle bereits in wenigen Wochen wieder kippen.
Sollte das nicht passieren, wird auch noch das Schweizer Parlament über den Vertrag entscheiden müssen – und vielleicht sogar das Volk, falls das Referendum ergriffen wird.
Was muss die Schweiz im Gegenzug liefern?
Neben sämtlichen Industrieprodukten kommt die Schweiz den USA auch bei Fisch und Meeresfrüchten entgegen. Zudem gewährt die Schweiz Zollkontingente auf Rind-, Bison- oder Geflügelfleisch. Ebenfalls haben sich Schweizer Unternehmen verpflichtet, bis Ende 2028 200 Milliarden Dollar in den USA zu investieren.
Die Liste scheint jedoch noch um einiges länger, als der Bundesrat am Freitag preisgab: Laut der US-Regierung solle die Schweiz etwa auch auf Steuern auf digitale Dienstleistungen verzichten, US-Sicherheitsstandards für Autos übernehmen und die Zölle für weitere Landwirtschaftsprodukte aufheben.
Warum ausgerechnet «zollfrei» für Fisch und Meeresfrüchte?
Ein Import von US-Fleisch könnte die hiesige Landwirtschaft treffen. Bei Lebensmitteln aus dem Meer ist dies kaum der Fall. Die Schweiz ist Binnenland – und daher kein Fischerei-Hotspot.
Wie viel Ami-Fleisch kommt nun in die Schweiz?
Für Rindfleisch sollen jährlich Zollkontingente im Umfang von 500 Tonnen gelten, für Bisonfleisch 1000 Tonnen und für Geflügelfleisch 1500 Tonnen. 3000 Tonnen US-Fleisch – klingt nach viel, entsprechen aber nur 0,7 Prozent des gesamten Fleischkonsums in der Schweiz. Und die Schweizer Supermärkte signalisieren: Sie haben keinen Bedarf an US-Fleisch.
Kann man bei uns bald US-Chlorhühner kaufen?
Die US-Regierung drängt darauf, dass die Schweiz auch die Einfuhr von mit Chlor entkeimtem Geflügelfleisch erlaubt. Aktuell will Wirtschaftsminister Parmelin am Schweizer Importverbot festhalten. Ob es so bleibt, wird sich in der zweiten Verhandlungsrunde zeigen.
Wer soll 200 Milliarden Dollar in den USA investieren?
Den Löwenanteil der Investitionen tragen die Pharma- und Lifescience-Unternehmen. Staatssekretärin Budliger Artieda nannte die konkrete Summe von 80 Milliarden Franken, die von dieser Branche stammt. Praktisch alles davon entfällt auf die zwei Riesen Novartis und Roche.
Daneben helfen etwa ABB, Stadler Rail und zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen mit, um das Ziel zu erreichen. Knapp ein Drittel davon soll laut der US-Regierung bereits nächstes Jahr getätigt werden.
Muss der Bund in den USA mehr Waffen kaufen?
Wie die «NZZ am Sonntag» berichtete, prüfe die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat einen vermehrten Kauf von amerikanischen Rüstungsgütern als Verhandlungsmasse anzubieten. Gemäss Insidern solle der Kauf von mehr Patriot-Systemen oder Lenkwaffen im Vordergrund stehen. Nach dem Debakel um den Fixpreis bei den F-35-Kampfjets dürften die Pläne auf Widerstand stossen.
Wie kommt der Deal in Politik und Wirtschaft an?
Das Echo ist überall ähnlich: Die Erleichterung ist gross – doch noch bleiben viele Fragezeichen. Nur bei der SVP zeigt man sich restlos begeistert: «Gut gemacht, Bundesrat Parmelin!», jubelt sie.
Besonders SP und die Grünen kritisieren, dass weiterhin unklar ist, was die Schweiz denn nun alles an Zugeständnissen abliefert. Da wird auch plötzlich ein Begriff salonfähig, der sonst eigentlich die SVP für sich beansprucht: «Unterwerfungsvertrag».
Bei Wirtschaftsverbänden ist man vor allem erfreut, dass die Spiesse gegenüber dem Rest Europas wieder ausgeglichen sind. Herausforderungen wie der starke Franken und steigende Herstellungskosten bleiben.
Wie reagiert das Ausland?
«Korruption!» «Unterwerfung!» So tönt es nach dem Zolldeal aus den ausländischen Medien. Grund: der Besuch der Schweizer Wirtschaftsführer im Oval Office. «Wenn Schweizer Unternehmer Trump schmieren, um Zölle zu begrenzen», titelt etwa die französische Zeitung «Libération». Die «New York Times» schreibt von einem «ungewöhnlichen» Besuch.
Auch von den Trump-Gegner in den USA hagelt es Kritik: «Während Trumps Zölle die Preise für die Amerikaner erhöhen, profitieren milliardenschwere CEOs und ausländische Unternehmen, die sich bei Trump einschmeicheln», so die demokratische Senatorin Elizabeth Warren (76).
Ist nur die Schweiz betroffen?
Auch unser unscheinbares Nachbarland darf sich freuen: Das Abkommen mit den USA gilt auch für Liechtenstein. Das Ländle hatte zwar bereits zuvor «nur» einen Zollsatz von 15 Prozent zu verkraften. Allerdings wurden diese Zölle zusätzlich zum Standardzollsatz gerechnet.
In der Absichtserklärung ist nun ein gedeckelter Zollsatz vorgesehen. Entsprechend erfreut äussert sich Vaduz: «Die liechtensteinische Regierung begrüsst die Einigung auf eine gemeinsame Absichtserklärung.»
Ab wann gelten die neuen Regeln?
Es gehe nicht um Monate, «sondern Tage oder Wochen», teilte Seco-Chefin Budliger Artieda mit. Ein genaues Datum wollte die Staatssekretärin jedoch bisher nicht nennen. Laut der US-Regierung werde bis «Anfang 2026» ein Abkommen ausgehandelt.