Plötzlich ging alles ganz schnell. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag sprach der Schweizer Wirtschaftsminister Guy Parmelin noch in Washington mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer (46). Knapp 16 Stunden später präsentiert der Bundesrat vor den Medien bereits den Deal, auf den die Schweizer Wirtschaft sehnlichst gewartet hatte: 15 statt 39 Prozent Zölle – gleich viel wie die EU.
Die Ausgangslage ist damit für die Wirtschaft zwar weiterhin komplizierter als noch Anfang Jahr. Mit dem Deal hat die Schweiz gegenüber den Nachbarländern nun immerhin so etwas wie Waffengleichheit. Dafür musste der Bund einige Zugeständnisse machen: Zölle auf US-Produkte sollen gleich reihenweise abgebaut werden.
200 Milliarden Investitionen
Neben sämtlichen Industrieprodukten kommt die Schweiz den USA auch bei Fisch und Meeresfrüchten entgegen. Ein Import kommt der hiesigen Landwirtschaft – unter anderem aufgrund des fehlenden Meeranschlusses – kaum in die Quere. Zudem gewährt die Schweiz Zollkontingente auf Rind-, Bison- oder Geflügelfleisch.
Für US-Präsident Donald Trump aber fast wichtiger dürften die 200 Milliarden US-Dollar sein, die Schweizer Firmen in die USA investieren wollen. Welche Unternehmen das Versprechen abgegeben haben, wollte Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (60) vor den Medien nicht verraten. Der «Löwenanteil» komme aber vonseiten Pharma und Life-Science-Betrieben. Es seien jedoch nicht die einzigen Branchen – auch Flugzeughersteller Pilatus und Zugbauer Stadler würden beispielsweise in den USA produzieren. Dazu werde wohl vermehrt Gold in den USA weiterverarbeitet.
In einer Mitteilung des Weissen Hauses zum Abschluss des «historischen» Deals werden mehrere Schweizer Firmen genannt, die in den USA investieren werden: «Unter der Führung des Präsidenten wurden im Zusammenhang mit dem Rahmenabkommen bereits Investitionen in Milliardenhöhe von grossen Schweizer Unternehmen wie Roche, Novartis, ABB und Stadler angekündigt», heisst es. Weitere würden folgen.
Die Höhe und die Schnelligkeit der Investitionen – das Geld soll bis Ende 2028 investiert werden – sei zwar aussergewöhnlich, so Budliger Artieda. Doch die Schweiz habe schon immer in anderen Ländern investiert. «Wo würden wir denn die Firmen bauen und die Arbeitskräfte herholen?»
Auch das Volk könnte noch mitreden
Auch wenn die Schweizer Firmen nun aufatmen können: Ganz so schnell wird es nicht gehen. Ein genaues Datum, ab wann die 15 Prozent gelten, wollte Budliger Artieda nicht nennen. Es gehe aber nicht um Monate, «sondern Tage oder Wochen». Schliesslich müssten die Neuigkeiten zuerst ins amerikanische Zollsystem eingetragen werden.
Ausserdem: Felsenfest ist der Deal noch lange nicht. Das Abkommen besteht erst als rechtlich unverbindliche Absichtserklärung, so der Bund. Zwar hätten sich die Amerikaner bereit erklärt, die Zölle zu senken. Der politische Prozess in der Schweiz beginnt aber erst. An dessen Ende entscheidet das Parlament – und möglicherweise das Volk, sollte es ein Referendum geben. Darüberhinaus hat auch das US-Gericht bei Trumps Zollpolitik noch ein Wörtchen mitzureden. Wie der US-Präsident mit diesen Ausblicken umgehen wird, steht also noch in den Sternen.
Wirtschaftsminister Parmelin war jedoch an der Medienkonferenz gut anzusehen: Vorerst überwiegt die Erleichterung.
Das steht im Zoll-Deal
Der Deal ist Tatsache: Die Strafzölle der USA gegen die Schweiz sollen von 39 auf 15 Prozent gesenkt werden. Das jedoch erst mittels einer rechtlich unverbindlichen Absichtserklärung. Grundlage der Einigung sei unter anderem das vom Bund bereits am 4. August deponierte Angebot, teilt der Bundesrat mit. Damit soll das Handelsdefizit der USA gegenüber der Schweiz verringert werden.
Dafür muss die Schweiz einige Zugeständnisse machen: Die Einfuhrzölle für zahlreiche US-Produkte sollen abgebaut werden – nämlich für sämtliche Industrieprodukte sowie Fisch und Meeresfrüchte. Für weitere US-Agrarprodukte konnte man sich laut Bund ebenfalls auf eine Lösung einigen: Die Schweiz gewährt den USA Zollkontingente auf ausgewählte Lebensmittel. Für Rindfleisch gelte ein Umfang von 500 Tonnen, für Bisonfleisch 1'000 Tonnen und für Geflügelfleisch 1’500 Tonnen. Die Umsetzung werde so koordiniert, dass die Zollsenkungen auf beiden Seiten zeitgleich passieren.
Ebenfalls sollen Schweizer Unternehmen laut dem Deal bis Ende 2028 200 Milliarden US-Dollar direkt in die USA investieren. Gleichzeitig soll die Berufsbildung gestärkt werden.
Medienkonferenz beendet
Damit ist die Medienkonferenz beendet.
Was passiert, wenn ein Gericht die Zölle kippt?
In den USA entscheidet ein Gericht, ob die Zölle überhaupt gültig sind. Bis jetzt sei das Abkommen noch nicht rechtlich bindend, so Parmelin. Wenn der Deal rechtlich bindend wäre, könne man die Folgen nicht abschätzen. Er glaube aber nicht, dass sich von einem Tag auf den anderen etwas ändere.
Zölle werden vor Volksentscheid gesenkt
Die Zölle werden vor dem Volksentscheid gesenkt, sagt Parmelin. Bislang ist der Deal nur eine Absichtserklärung, die noch in ein Abkommen gegossen werden muss. Gegen dieses Abkommen könnte das Referendum ergriffen werden.
Die USA hätten aber entschieden, dass schon die Absichtserklärung genügt, um die Zölle zu senken.
Ein Journalist fragt, was bei einem Volksnein passiert. Parmelin sagt, dass das Volk abwägen werde, zwischen Vor- und Nachteilen. Über die Konsequenzen will Parmelin nicht spekulieren.
Höhe und Schnelligkeit der Investitionen aussergewöhnlich
Die Höhe und Schnelligkeit der Investitionen in die USA sei zwar aussergewöhnlich, sagt Budliger Artieda. Historisch sei das aber normal, dass die Schweiz im Ausland investiere. «Wo würden wir den die Firmen bauen und die Arbeitskräfte herholen?.»
«Pech als das Foto gemacht wurde»
Die Schweiz hätte Pech gehabt, als das Foto des Handelsdefizit gemacht wurde. Die Eidgenossenschaft habe keine Versprechen gemacht, dieses Defizit zu reduzieren, hier hätte aber die Wirtschaft Versprechen gemacht. «Das war ein Zusammenkommen des Privatsektors.» Die Schweiz hätte einen «Plan als Land» präsentieren können.
«Fleiss, Fleiss, Fleiss»
Was war der Punkt, dass den Durchbruch gebracht hat? Parmelin sagt, man habe gut verhandelt mit den US-Teams. «Fleiss, Fleiss, Fleiss», ergänzt Staatssekretärin Budliger-Artieda.
Bundesrat dankt Trump
In einem Post dankte der Bundesrat US-Präsident Trump – obwohl dieser noch immer höhere Zölle auferlegt hat als vor dem April. Das sei Realpolitik, sagte Parmelin. Er sprach von einer «Win-Win-Situation», auch die Schweiz habe etwas herausgeholt.
Wollte Trump Keller-Sutter nicht mehr sehen?
Ähnliche Handelsabkommen wurden mit den Staatschefs abgeschlossen. Ein Journalist fragt, ob Trump Keller-Sutter nicht mehr sehen haben wolle. Parmelin verneint das, die Verhandlungen mit Greer seien gut gelaufen. Auch bei anderen Staaten seien die Deals einfach veröffentlicht worden, ergänzt Budliger Artieda.
«Man muss sich jetzt noch etwas gedulden.»
Bis die 15 Prozent in den amerikanischen Zollsystem angekommen sind gehe es «nicht Monate, sondern Tage oder Woche», sagt Staatssekretärin Budliger Artieda. Ein genaues Datum will sie nicht sagen, da dies in den Händen der Amerikaner liege. «Man muss sich jetzt noch etwas gedulden.»
Mehr Boeing-Flugzeuge kaufen
Private Firmen wollen mehr Boeing-Flugzeuge kaufen, nicht der Bund. «Wir haben schon eins», sagt Parmelin. «Ich habe es genutzt.»