Darum gehts
- Halbzeitbilanz des Bundesrats: Parmelin und Baume-Schneider stark, Jans schwächelt
- Karin Keller-Sutter erlebt Achterbahn der Gefühle nach CS-Krise und Zollstreit
- Albert Rösti trifft viele Entscheide per Verordnung, umgeht so Parlament
Halbzeit für den Bundesrat! Die sieben Mitglieder stehen mitten in der Legislatur. Zwei Jahre haben sie seit der letzten Gesamterneuerungswahl hinter sich, in zwei Jahren steht die nächste grosse Wahl an. Bis dahin sind noch viele Aufgaben zu meistern. Blick zeigt auf, welche Bundesräte den Takt vorgeben und welche derzeit schwächeln.
203 Stimmen! SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (66) wird mit einem Glanzresultat zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Der Lohn für einen, der nicht poltert, sondern unaufgeregt und kollegial mitregiert.
Flog er nach Corona lange unter dem Radar, ist er dieses Jahr voll ins Rampenlicht gerückt. Beim Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump (79) schafft er den Durchbruch für den 15-Prozent-Deal – auch wenn es danach mit der Kommunikation haperte. Zudem hat er mehrere Freihandelsabkommen auf den Weg gebracht.
Obwohl er als SVPler gegen den neuen EU-Deal ist, ebnet er diesem mit seinem Lohnschutzpaket den Weg. Seine Geheimwaffe: Seco-Chefin Helen Budliger Artieda (60), der er viel Handlungsspielraum lässt.
Schleifen lässt er es im Wohnungswesen. Die Mieten steigen und steigen, ohne dass er hier gross eingreifen mag.
Eine Achterbahn der Gefühle! Lange galt Karin Keller-Sutter (61) als die starke Figur im Bundesrat. Es gibt kaum ein vorbei an der FDP-Finanzministerin, die gerne auf der Staatskasse hockt. Gerade während der CS-Krise nahm sie entschlossen die Zügel in die Hand. Die britische Wirtschaftszeitung «Financial Times» würdigte KKS Ende 2023 sogar als eine der einflussreichsten Frauen des Jahres.
Doch dann kam der Zollstreit mit den USA – eine Klatsche für die Erfolgsverwöhnte! Nach einem gemeinsamen Telefonat strafte Trump die Schweiz mit Zöllen von 39 Prozent ab. Kollege Parmelin musste die Kohlen aus dem Feuer holen. Wer Machtmensch KKS kennt, weiss, wie sehr sie das wurmt. Und mit dem umstrittenen Entlastungspaket steht bereits der nächste Prüfstein bevor.
Eines hat Albert Rösti (58) vielen Schweizerinnen und Schweizern voraus: Er hat die Aromat-Chips bereits getestet. Das beschreibt den Verkehrsminister gut. Rösti hat keine Berührungsängste, kommt in der Bevölkerung gut an und ist sich auch nicht zu schade, in Tiktok-Videos aufzutreten.
Bei keinem anderen Bundesrat zeigt sich die politische Herkunft so klar wie bei Rösti. Viele Entscheide fallen auf dem Verordnungsweg, zum Beispiel beim Tempo 30 oder dem Wolf. Das kommt nicht überall gut an. Schliesslich umgeht er so Parlament und Volk.
Für Rösti steht im nächsten März ein wichtiger Abstimmungskampf an: Er muss die SRG-Initiative der SVP im Namen des Bundesrates bekämpfen – selbst sass er aber im Initiativkomitee. Als Medienminister hat er bereits entschieden, die Abgabe auf 300 Franken zu senken – per Verordnung.
Was ein Wechsel auslösen kann! Im Asyldepartement mühte sich SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (61) noch ab, im Innendepartement blüht sie auf. Das Ja zur 13. AHV-Rente und die abgelehnte Pensionskassen-Reform sind für sie als Linke zwei heimliche Siege. Bringt sie die Finanzierung durch, winkt ihr der Titel «Mutter der 13. AHV-Rente».
Auch wenn sie mit linken Forderungen öfters abblitzt, hat sie sich bei der AHV-Reform 2030 durchgesetzt: Ein höheres Rentenalter ist – zum Ärger der Wirtschaftsverbände – vom Tisch.
Die Gesundheitsakteure peitschte die Jurassierin zu Sparvorschlägen für 300 Millionen jährlich. Mit dem Schlaghammer hat sie die neue Tarifstruktur Tardoc durchgesetzt. Nun soll auch noch ein zentrales E-Gesundheitsdossier langfristig Milliarden sparen. Menschlich punkten sie mit ihrer offenen, unbekümmerten Art.
Lange galt Justizminister Beat Jans (61) als Ankündigungsminister. In seinem zweiten Jahr als Bundesrat hätte er die Chance gehabt, gegen diesen Ruf anzukämpfen – schliesslich sind die Asylzahlen und die illegale Migration im ersten Halbjahr gesunken. Doch politisch konnte der Sozialdemokrat daraus keinen Gewinn ziehen. Stattdessen trat er Kantonen und Gemeinden auf die Füsse: Von einer Entlastung spüren sie wenig, viele fühlen sich vom Bund alleingelassen.
Auch zeigen er und sein Stab wenig taktische Raffinesse. Sein Kommunikationschef Oliver Washington (52) kämpft seit der Affäre um eine Maturaarbeit mit einem beschädigten Ruf, und im Bundesrat läuft Jans regelmässig auf. Im Kampf gegen die 10-Millionen-Initiative setzte er etwa auf einen Strauss von Massnahmen, deren Chancenlosigkeit absehbar war. Die Abstimmung über die Initiative im kommenden Jahr wird für Jans nun zum nächsten Formtest.
Martin Pfister (62) ist der Neuling. Der Mitte-Verteidigungsminister ist erst seit April im Amt. Noch hatte er denn auch wenig Chancen, eigene Akzente zu setzen. Pfister muss bisher vor allem Scherben zusammenfegen: In Schieflage geratene IT-Projekte sind wieder auf den rechten Weg zu führen, bei den israelischen Problem-Drohnen hat er sich zu einer Notlösung durchgerungen und beim neuen Kampfjet F-35 muss er wegen des Fixpreis-Desasters ebenfalls notgedrungen improvisieren.
Eine eigene Duftmarke setzen konnte er bisher mit der Neubesetzung der Spitzen von Armee und Nachrichtendienst. Wie gut diese geglückt ist, muss sich noch zeigen. Pfister legt viel Wert auf Kollegialität im Bundesrat – und stösst so auf mehr Wohlwollen als seine Vorgängerin Viola Amherd (63). Das könnte ihm noch helfen bei den anhaltenden Diskussionen um die Armeefinanzen.
Aussenminister Ignazio Cassis (64) übernimmt ab Neujahr einen Prestigeposten mit Tücken: den OECD-Vorsitz. Doch die USA unter Präsident Donald Trump wollen das Budget senken. Dennoch könnte die Vereinigung eine wichtige Rolle spielen: Trotz des Krieges in der Ukraine ist Russland noch immer mit dabei. Ein Dialog bleibt möglich. Eine Chance für Cassis.
Der Deal mit der Europäischen Union könnte sein Vermächtnis werden – und ist gleichzeitig ein grosses Risiko. Scheitert das Abkommen, hat er in seiner Bundesratszeit nichts erreicht. Doch bei den Diskussionen um den EU-Deal ist er bislang wenig aufgetreten.
2027 wird er Bundespräsident. Gut möglich, dass danach Schluss ist – für Cassis im Bundesrat und für die FDP mit zwei Sitzen in der Landesregierung.