Darum gehts
- Karin Keller-Sutter wurde von Trump gedemütigt
- Guy Parmelin lieferte am Ende den Zolldeal
- Zwei Bundesräte, zwei völlig unterschiedliche Krisenstile
Was macht eigentlich Guy Parmelin (66)? Man wusste es nicht so recht. Eine grosse Schweizer Zeitung begleitete den Wirtschaftsminister letzten Dezember. Er hatte ein heikles Dossier auf dem Tisch: Für den EU-Deal musste ein Kompromiss zwischen den Sozialpartnern her. Doch Parmelin kämpfte mit Rückenproblemen, konnte kaum aus dem Auto steigen. Die Zeitung zeichnete einen Mann, der sich abmüht. «Schafft er das?», fragte der «Tages-Anzeiger».
Schafft er das? Die Frage stellte sich umso mehr, als Anfang August Donald Trumps (79) Zollhammer über die Schweiz niedersauste. Guy Parmelin, ein Bundesrat, der nur schlecht Englisch spricht, musste mit den USA einen Deal aushandeln.
Schaffen musste er es dann
Schafft sie das? Niemand hatte diese Frage gestellt, als Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) im Frühling das Zolldossier – scheinbar – im Griff hatte. Gepriesen als «mächtigste Frau in Bern» («Blick»), als «starke Frau im Bundesrat» («NZZ») war sie ein seltener helvetischer Politstar. Genannt: KKS. Ein Akronym «wie JFK», schrieb das «Magazin» in einem grossen Porträt, eine «Insignie der Macht».
Kaum eine andere Schweizer Politikerin wurde derart intensiv gedeutet, beschrieben und begleitet. Sie schien zu liefern: Die Schweiz könnte als eines der ersten Länder einen Zolldeal mit Amerika aushandeln, kam rasch die Hoffnung auf.
Schon im April telefonierte Keller-Sutter mit dem US-Präsidenten. Ein diplomatischer Coup, hiess es: ein direkter Draht zum mächtigsten Mann der Welt. Sie rückte international ins Rampenlicht. Selbst US-Medien spekulierten: Hatte sie, die perfekt Englisch spricht, tatsächlich Trump geknackt?
Sie hat es nicht geschafft. Am Ende wird Donald Trump in einer seiner Launen sagen: «Ich kenne diese Frau nicht.» 39 Prozent!
Das System Parmelin
Schaffen musste er es nun. Guy Parmelin, ein Mann mit Schmerzen wie jeder andere auch. Ein Mann ohne Eitelkeiten, unterwegs in Kurzarmhemden und mit Nateltäschli am Gurt, in Fremdsprachen Durchschnitt. Er hat mehr vom gmögigen Landesvater als vom zielstrebigen Karrierepolitiker.
Doch er wird, das ist der Lauf seiner Karriere, immer wieder unterschätzt. Am Ende ist er oft die Überraschungstüte unter den Bundesräten. Er zaubert dann doch noch Lösungen aus dem Hut. Das geschah so oft, dass es nicht mehr Zufall sein kann. Es ist das System Parmelin. Der seriöse Schaffer biegt in der Not zurecht, was zurechtgebogen werden muss.
Schon einmal musste Parmelin vor dem 15-Prozent-Zolldeal die in ihrer Existenz bedrohte Schweizer Wirtschaft stützen: Als Wirtschaftsminister verantwortete er die Corona-Milliardenhilfen, mit denen viele Betriebe am Leben gehalten wurden.
Nicht immer gelingt ihm alles: Im Verteidigungsdepartement hinterliess er keine grossen Spuren, bei den stetig steigenden Miet- und Immobilienpreisen berief er einen runden Tisch ein. Bei der Frage bewegt man sich trotzdem weiterhin im Kreis.
Guy Parmelin steht einem Departement vor, das nicht zu den mächtigsten gehört. Das Staatssekretariat für Wirtschaft ist die liberale Speerspitze unter den Bundesämtern. Spötter sagen: Man weiss dort nie genau, ob sie wenig machen, weil sie liberal sind. Oder ob sie liberal sind, damit sie möglichst wenig machen müssen. Mit einem Bundesrat an der Spitze, der weder Geltungsdrang noch übermässig Gestaltungsdrang verspürt, kann das zögerlich wirken.
Die Frau an seiner Seite
Ein Geheimnis des Erfolgs: Guy Parmelin hat die richtige Frau an seiner Seite. Seine letzten Erfolge verbuchte der Wirtschaftsminister auch dank einer folgenschweren Personalentscheidung. Parmelin berief Helene Budliger Artieda (60) an die Spitze des Staatssekretariates für Wirtschaft. Fuhr die Vorgängerin im roten Porsche in Bern vor, ist Budliger Artieda so betont bodenständig wie ihr Chef. Das Handelsabkommen mit Indien, der EU-Deal mit Gewerkschaften und Arbeitgebern, nun die Zölle: Budliger Artieda ist Parmelins wichtigste Mitarbeiterin.
In seinen Sommerferien hatte Parmelin, so schrieb der «Tages-Anzeiger», mal ein Buch über die Geheimnisse der zehn letzten Olympiasieger im Springreiten gelesen. Dann freute er sich über Asterix. Ganz anders Bundesratskollegin Keller-Sutter. Sie wollte, wie immer, nichts anbrennen lassen. Über Weihnachten las sie Trumps Buch «The Art of the Deal», gab sich abgeklärt über die irrlichternde US-Politik. «Das System Trump ist ein System der Ankündigungen, ein System des Schocks», sagte sie.
Später wird Keller-Sutter sagen: Sie habe wohl den Draht zu Trump gefunden. Und dann? Am 31. Juli, um 20.10 Uhr, wählte Keller-Sutter erneut die Nummer des Weissen Hauses. Das Ende ist bekannt.
Heute steht Keller-Sutter in einem anderen Licht da. Obwohl sie vielleicht nicht einmal viel falsch gemacht hat. Obwohl viel nur an der Personalie Trump lag.
Kratzer und Glanz
Der Zollstreit hat Spuren hinterlassen, die Bundesrätin wirkt ungewohnt angeschlagen. In der Debatte um strengere Eigenkapitalvorschriften für Grossbanken lieferte sie sich offene Auseinandersetzungen mit der UBS, und zeitweise entstand der Eindruck, sie entfremde sich auch von ihrer eigenen Partei.
Nach dem CS-Ende galt sie als Frau, die die Welt vor einer Finanzkrise bewahrte. Heute drohen der UBS und der Schweiz wegen formaljuristischen Nachlässigkeiten beim Deal Milliardenzahlungen. Ihr Image als durchsetzungsstarke Gestalterin hat Kratzer erhalten.
Kratzer, Glanz: Parmelin scheint es egal. Mit 66 ist der Waadtländer im Pensionsalter, im kommenden Jahr wird er nochmals Bundespräsident. Seine Karriere neigt sich definitiv dem Ende zu. Im Dezember 2026 oder spätestens nach den Wahlen 2027 wird Schluss sein. Er hat viel geschafft.