Darum gehts
Mehr Luxus geht nicht. Im goldverzierten Oval Office von Donald Trump waren die exklusivsten Weltmarken versammelt: Cartier, Dunhill, Chloé, Baume & Mercier, IWC, Montblanc, MSC Cruise, Rolex, Vacheron Constantin und Breitling. Die Eigentümer der Preziosen waren extra aus der Schweiz angereist, um mit dem US-amerikanischen Präsidenten dreissig Minuten lang über die Kunst des Investierens zu parlieren. Zuvor hatte Trump die Männertruppe eine halbe Stunde im Vorzimmer warten lassen. Ordnung muss sein.
Trotz Verzögerung sorgte das Treffen im Oval Office von vergangener Woche allseits für gute Stimmung: Trump war begeistert vom Austausch – Geschäftsmann mit Geschäftsmann, Milliardär mit Milliardär. Auf Truth Social schrieb er später: «Es war mir eine grosse Ehre, die hochrangigen Vertreter der Schweiz zu treffen. Ich möchte allen Anwesenden für die gute Arbeit danken.» Dabei hatte es vor ein paar Wochen noch ganz anders getönt. «Die Schweiz profitiert von den USA und bringt uns keinen Respekt entgegen.»
Gemeinsame Interessen ausgelotet
Was ist geschehen? Für den Wetterumschlag sorgten ein halbes Dutzend milliardenschwere Unternehmer: Diego Aponte, Eigentümer der Reederei MSC, Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour, Partners-Group-Patron Alfred Gantner, Mercuria-Mitgründer Daniel Jaeggi, Richemont-Eigentümer Johann Rupert und Marwan Shakarchi, Chef der Goldraffinerie MKS Pamp. Aufgebrochen war das Männerteam bereits vor Wochen, mit dem Ziel, den Handel zwischen der Schweiz und den USA wieder in berechenbare Bahnen zu bringen und das Exportieren von Luxusgütern einträglicher zu machen.
Seit Trumps Liberation Day Anfang April, an dem er die halbe Welt mit Strafzöllen überzogen hatte, und nach dem wenig freundlichen Telefongespräch mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter herrschte so etwas wie Funkstörung zwischen Bern und Washington. Schliesslich gingen die hochkarätigen Exporteure in die Offensive und versuchten auf eigene Faust, sich ins Oval Office vorzukämpfen. Nicht, um über US-Sanktionen oder Zolltarife zu verhandeln, diese kamen gar nicht zu Wort, sondern schlicht um die gemeinsamen Interessen auszuloten. Im Trump-Jargon heisst das «patriotischer Kapitalismus».
In den USA mit der grossen Kelle anrühren
Seit dem Wirtschaftsgipfel, als die Schweizer noch Glitzergut in Form einer Rolex-Tischuhr und eines Barrens auf den Resolute Desk im Präsidentenbüro legten, scheint der Bann gebrochen. Anfang Woche feixte Trump mit US-Journalisten über Rolex-Uhren und bekannte sich zum Zolltarif von 39 Prozent, den er der Schweizer Exportwirtschaft aufgebrummt hatte: «Wir trafen die Schweiz sehr hart – nun wollen wir, dass die Schweiz erfolgreich bleibt.» Trumps Sohn Eric, Teilhaber der Beteiligungsgesellschaft New America Acquisition, hörte in der zweiten Reihe aufmerksam zu.
Besonders ins Zeug gelegt hatten sich drei Vollblutunternehmer: MSC-Chef Diego Aponte, Partners-Group-Präsident Fredy Gantner und Mercuria-Mitgründer Daniel Jaeggi. Alle hatten sie gute Trümpfe. Reeder Aponte aus Genf rührt nämlich in den USA mit der grossen Kelle an, was dem TV-affinen Regenten im Weissen Haus kaum entgangen sein kann. Zum Beispiel am 19. Oktober: Formel-1-Rennen, Grosser Preis der USA. Hauptsponsor: MSC. 5. November: Jungfernfahrt des grössten Kreuzfahrtschiffes in den USA. Eigentümerin: MSC. Der Name des schwimmenden Luxussalons mit 333 Meter Länge dürfte Trump besonders geschmeichelt haben: «MSC World America».
Partners Group investiert in den USA im grossen Stil
Auch Gantner wuchert im Trump-Land mit den Pfunden. Seine Partners Group betreibt vier Büros im Land und treibt das Wirtschaftswachstum an. Die Baarer Firma investiert in Rechenzentren, Energieinfrastruktur, Einfamilienhaussiedlungen, Pipelines und Industrieanlagen. Das tut sie nicht zu knapp, wie dem jüngsten Geschäftsbericht zu entnehmen ist: 45 Prozent, also fast die Hälfte der verwalteten Vermögen des Private-Market-Managers, sind in den USA investiert. Über alle Anlageklassen hat Gantner mehr als 100 Milliarden Dollar in den USA angelegt.
In dieser Superliga spielt auch Daniel Jaeggi, der die Genfer Energiehandelsfirma Mercuria innert zwanzig Jahren zu einem der umsatzstärksten Konzerne in der Schweiz formte. Der ehemalige Goldman-Sachs-Trader hantiert in den USA mit Rohöl, Erdgas, Strom, Metallen, Biokraftstoffen, Elektromobilität und CO₂-Emissionszertifikaten. Ende September traf er den türkischen Energieminister in New York und tütete einen Deal ein: In den nächsten zwanzig Jahren liefert Mercuria LNG-Gas aus amerikanischen Lagern in die Türkei. Volumen: 100 Milliarden Dollar. Eine solche Summe beeindruckt selbst den früheren Immobilientycoon aus Brooklyn.
In Amerika gilt Mercuria als wichtige Energiedrehscheibe: Man beliefert staatliche Energieversorger mit Strom und verkauft Elektrizität aus Staudämmen und Gaswerken nach Mexiko, dank Lieferlizenzen des US-Energiedepartements. Dessen Chef ist voll auf Maga-Kurs eingeschworen und hält nichts von CO₂-Reduktion auf Kosten von Wachstum. «Wir behandeln den Klimawandel als Nebenwirkung einer modernen Welt», sagt Minister Chris Wright.
Nach dem Auftritt der Schwergewichte scheint der Chef im Weissen Haus die Bedeutung des Alpenlandes verstanden zu haben, denn am Pressetermin Anfang Woche meinte er: «Die Schweiz ist ein kleines Land, aber wirtschaftlich sehr gross.» Und ein treuer Verbündeter der USA obendrein.
In enger Absprache mit dem Bund
Der Plan der Unternehmer, der im Sommer anlief und im Herbst im Weissen Haus endete, war kein Trip von Hasardeuren und Solotänzern, sondern eng abgesprochen mit dem Seco. Regelmässig sollen sich Gantner und Jaeggi mit Staatssekretärin Helene Budliger Artieda ausgetauscht haben. Vor dem Spitzentreffen soll die resolute Luzernerin mit allen Washington-Fahrern einzeln gesprochen haben, heisst es. Die meisten kennt sie schon länger. Richemont-Chef Johann Rupert aus ihrer Zeit als Schweizer Botschafterin in Südafrika.
In einem ersten Aufgalopp montierte Partners-Group-Chef Gantner seinen US-Lobbyisten Robert O’Brien, den ehemaligen Sicherheitsberater unter Trumps erster Regierung. Er leitet die Beratungsfirma American Global Strategies, doch ins Innerste des Machtapparats vermochte er nicht vorzudringen. Die Gründe sind unklar.
Daraufhin brachte MSC-Chef Aponte seinen Vertrauensmann in den USA ins Spiel, Carlos Trujillo. Er leitet die Lobbyfirma Continental Strategy und ist mit dem Trump-Universum bestens verlötet. Der Präsident beförderte ihn in seiner ersten Amtszeit zweimal in Spitzenämter, mal zum Uno-Botschafter der USA und mal zum Chefdiplomaten in der Organisation Amerikanischer Staaten; weiter ist er befreundet mit Aussenminister und Sicherheitsberater Marco Rubio. Ein letzter Trumpf: Continental-Partnerin Katie Wiles ist die Tochter von Susie Wiles, der Stabschefin von Trump. Eine Konstellation, die schliesslich die Tür ins Oval Office öffnete.
Druck und Gegendruck, Poltern und Feilschen
So arbeiteten sich Gantner, Aponte und Co. vor und profitierten von ihrem Kontaktnetz und ihrer Marktmacht, von der sich Trump am Schluss beeindrucken liess. Doch es sind mit Trump neue Usanzen, die Einzug in die hohe Politik feiern. Diplomatischer Komment ist seine Sache nicht. Es geht um Druck und Gegendruck, um Poltern, Drohen, Feilschen – einen Deal auszubaldowern, der seinen Interessen nützt. «Unter Präsident Trump rücken wirtschaftliche Themen in den Vordergrund», beobachtet auch Florence Schurch, Generalsekretärin bei Suissenégoce, dem Dachverband der Handelsfirmen in der Schweiz. Diesen eher unzimperlichen Umgang ist man sich in ihrer globalisierten Branche längst gewohnt. Das gilt nicht überall.
Erstaunlich ist, dass die Schweizer Politik selbst im Krisensommer 2025 keine Lobby initiierte, um in Washington Verhandlungsmacht aufzubauen. Das ist unverständlich, zumal das Seco im April die Anwaltskanzlei Akin Gump in Washington anheuerte, um beim Zugang zu leistungsfähigen KI-Chips Rückenwind zu erhalten, nachdem Trump gedroht hatte, deren Verkauf nach politischen Kriterien einzuschränken. Immerhin war dem Seco diese Lobbyarbeit maximal 500’000 Dollar wert, wie der amtlichen Auftragsplattform Simap zu entnehmen ist.
Bern, so scheint es, hat im Gegensatz zu anderen Staaten grösste Hemmungen, professionelle Interessenvertreter für seine Zwecke einzuspannen – auch deshalb, weil Ämter und Departemente Auftragserfüller und Kosten offenlegen müssen und mediales Murren befürchten. Da denkt selbst das Internationale Komitee vom Roten Kreuz moderner und nimmt Dienste einer Beratungsfirma in Anspruch. Allzu viel zu melden hatte auch die Schweizer Botschaft in Washington nicht. Der Hausherr ist zwar ein Karrierediplomat, doch vernetzt ist er in den USA kaum, zumal er erst seit einem Jahr im Amt ist. Auch habe man die für die Schweizer Exportwirtschaft bedrohliche Lage unterschätzt, denn nur so sei verständlich, dass die für Handels- und für Wirtschaftsfragen zuständigen Verantwortlichen sich im Juli Ferien gönnten. Dabei hatte Trump die 39 Prozent Zoll für die Schweizer Exportindustrie längst angedroht. Nichts brachte ihn bislang davon ab.
Bis ein paar ausgebuffte Milliardarios mit ihren weltbekannten Edelmarken im Oval Office auftauchten und dem gelernten Immobilienhändler zuzwinkerten.