Darum gehts
- SVP-Zuwanderungsinitiative hat intakte Chancen an der Urne
- Drei mögliche Gegenvorschläge stehen im Ständerat zur Diskussion
- Ohne Gegenvorschlag kommt die Initiative 2026 vors Volk
Eine neue Tamedia-Umfrage schreckt die Gegner der SVP-Zuwanderungsinitiative auf: 48 Prozent würden der Volksinitiative derzeit zustimmen, nur 41 Prozent lehnen sie ab. Der Rest ist noch unentschlossen.
Die SVP will mit ihrer Initiative eine 10-Millionen-Schweiz vor 2050 verhindern – und dafür notfalls auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und damit die bilateralen Verträge kippen. Die Erfolgschancen an der Urne sind intakt, wie die Umfrage belegt. Die Mitte möchte das Begehren daher mit einem direkten Gegenvorschlag kontern.
Drei Gegenvorschläge auf dem Tisch
Nächste Woche kommt es im Ständerat zum Showdown. Drei mögliche Gegenvorschläge stehen dort zur Diskussion. Mitte-Ständerat Daniel Fässler (65, AI) kopiert mit seinem Antrag den SVP-Text – mit einer gewichtigen Ausnahme: Statt die Personenfreizügigkeit automatisch zu kündigen, soll das Stimmvolk bei Erreichen der 10-Millionen-Grenze obligatorisch über die Weiterführung der Personenfreizügigkeit abstimmen. Mitte-Ständerätin Heidi Z'graggen (59, UR) will hingegen eine Zuwanderungsabgabe in der Verfassung festschreiben.
FDP-Ständerätin Petra Gössi (49, SZ) wiederum möchte einen scharfen Mechanismus zur Auslösung der Schutzklausel verankern. Sollte die Nettozuwanderung dreimal hintereinander mehr als 0,8 Prozent pro Jahr betragen, würde die Schutzklausel ausgelöst, so die Idee. Bei einer Neun-Millionen-Bevölkerung wäre der Schwellenwert ein Plus von 72’000 Personen.
In der zuständigen Ständeratskommission fand keiner der drei Vorschläge eine Mehrheit. Allerdings lag damals die neue Umfrage noch nicht auf dem Tisch. Kommt nun doch Bewegung in die Sache?
Klar ist: Die SVP will ihre Volksinitiative durchbringen und hat an einem abgeschwächten Gegenvorschlag kein Interesse. Der Linken hingegen gehen zusätzliche Verschärfungen im Asylbereich und beim Familiennachzug gegen den Strich. Und die GLP will die Zuwanderung mit einer stärkeren Nutzung des Inländerpotenzials dämpfen.
FDP als Schlüsselfaktor
Zum Schlüsselfaktor wird damit die FDP. Neben den 14 Mitte-Stimmen braucht es neun von zwölf Freisinnigen, um für einen Gegenvorschlag eine Mehrheit zu bekommen. Eine davon ist Gössi. «Die Zuwanderungsfrage rangiert ganz oben im Sorgenbarometer», sagt sie zu Blick. Für viele seien volle Züge, zunehmender Stau auf der Autobahn oder die höheren Miet- und Lebenshaltungskosten ein Problem. «Wenn die Leute nach Bauchgefühl entscheiden, droht an der Urne ein Ja zur Initiative», so die Schwyzerin. «Mit einem Gegenvorschlag zeigen wir, dass wir das Problem ernst nehmen, ohne gleich die Personenfreizügigkeit aufs Spiel zu setzen.»
Mit dieser Position bleibt sie in der FDP deutlich in der Minderheit, wie Gespräche mit verschiedenen Ständeräten zeigen. «Ich sehe bisher keinen Gegenvorschlag, der unser Land wirklich weiterbringt», sagt Ständerat Damian Müller (41, LU). Die Schweiz stehe unter starkem demografischem Druck. «Wir erleben eine Arbeitskräftekrise, und in den kommenden Jahren fehlen uns rund eine halbe Million Fachkräfte.»
Er habe Verständnis dafür, dass viele Menschen angesichts dieser Entwicklung Sorgen und Ängste haben – diese seien real. «Darum braucht es Lösungen, die wirken», so Müller. «Zuwanderung muss strikt arbeitsmarktorientiert gesteuert werden. Rückführungen müssen konsequent umgesetzt werden – ohne Ausnahmen.» Und man müsse die inländischen Potenziale besser nutzen. «Mehr arbeiten muss wieder möglich und attraktiv werden, gerade für ältere Arbeitnehmende und Zweitverdienende.»
Mitte-Fässler: «Hoch gepokert»
Die Mitte-Ständeräte versuchen zwar weiterhin, ihre Ratskollegen für einen Gegenvorschlag zu gewinnen, sind sich aber der schwierigen Ausgangslage bewusst. «Dafür müssten noch einige von der Parteidoktrin abweichen», sagt Fässler. Ohne Gegenvorschlag in die Abstimmung zu steigen, sei aber «hoch gepokert», warnt er, «da sollte uns die Masseneinwanderungs-Initiative eine Lehre sein».
Die Warnung wird in der kleinen Kammer wohl verhallen. Der Ständerat dürfte dem Nationalrat folgen, der bereits in der Herbstsession einen Mitte-Vorschlag mit 161 zu 30 Stimmen vom Tisch wischte. FDP, SP, GLP und Grüne gehen auf tutti! Die Initiative kommt damit – voraussichtlich schon im Juni 2026 – blank vors Volk.