Darum gehts
- SVP-Initiative gegen die Zehn-Millionen-Schweiz: Der Ständerat diskutiert einen möglichen Gegenvorschlag
- Es werden verschiedene Vorschläge zur Zuwanderungskontrolle ohne Kündigung der Personenfreizügigkeit debattiert
- Der Nationalrat lehnt den Mitte-Vorschlag eines Gegenvorschlags mit 161 zu 30 Stimmen ab
Zehn Millionen Menschen in der Schweiz vor 2050. Das will die SVP mit ihrer Zuwanderungs-Initiative verhindern – und dafür notfalls auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und damit die bilateralen Verträge kippen. Die Gegner sprechen bereits von einer «Kündigungs-Initiative» und wollen einen SVP-Erfolg an der Urne verhindern. Der Nationalrat geht dabei auf tutti und will ohne direkten Gegenvorschlag in die Abstimmungsschlacht steigen. Einen entsprechenden Mitte-Vorschlag wischte er mit 161 zu 30 Stimmen vom Tisch.
Gegessen ist die Sache damit aber noch nicht. In der Staatspolitischen Kommission des Ständerats ist das Thema für die Sitzung nächsten Montag programmiert. Die Verwaltung hat den Auftrag gefasst, bis dahin verschiedene Optionen vorzulegen. Dann will die Kommission entscheiden, ob sie einen direkten Gegenentwurf vorantreibt oder die Volksinitiative solo an die Urne bringen will.
Die Mitte pocht auf den Gegenvorschlag
Verschiedene Ständeräte haben Ideen für einen allfälligen Gegenvorschlag eingebracht, weil sie der SVP-Initiative durchaus Chancen einräumen. Mit einer konkreten Alternative liesse sich die Initiative auskontern, ohne die Personenfreizügigkeit aufs Spiel zu setzen, so die Überlegung. Insbesondere die Mitte pocht auf einen direkten Gegenvorschlag.
Zur Debatte stehen Vorschläge, die nahe an der SVP-Initiative bleiben wollen, ohne aber eine automatische Kündigung der Personenfreizügigkeit einzubauen. Stattdessen könnte das Stimmvolk bei Erreichen der Zehn-Millionen-Grenze erneut an der Urne entscheiden könnte, ob das Abkommen weitergeführt werden soll oder nicht. Als weitere Optionen werden auch eine Zuwanderungsabgabe oder – ein Denkanstoss von grüner Seite – ein Inländervorrang bei der Wohnungsvergabe diskutiert.
FDP-Gössi ist für «klaren Mechanismus»
Auch FDP-Ständerätin Petra Gössi (49, SZ) plädiert – entgegen der Parteispitze – für einen direkten Gegenvorschlag. «Es braucht einen klaren Mechanismus, damit der Bund handeln muss – ohne gleich die Bilateralen zu gefährden», sagt Gössi zu Blick. Sie fordert eine Auslösung der Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit und härtere Massnahmen im Asylbereich, sollte die Nettozuwanderung dreimal hintereinander mehr als 0,8 Prozent pro Jahr betragen. Bei einer Neun-Millionen-Bevölkerung wäre der Schwellenwert ein Plus von 72’000 Personen.
Ob sich ein mehrheitsfähiger Kompromiss finden lässt, wagt Gössi nicht zu prognostizieren. «Dass ein bürgerlicher Gegenvorschlag zustande kommt, wird schwierig», glaubt sie.
Die SVP legt sich quer
Die SVP legt sich quer. «Wir lehnen jegliche Gegenvorschläge ab», macht Ständerätin Esther Friedli (48, SG) deutlich. Die bisherigen Vorschläge seien ein Jekami, mit welchem die SVP-Initiative verwedelt werde. «Das Handfeste wird herausgestrichen und den Leuten Sand in die Augen gestreut», sagt sie. «Will man das Problem der Zuwanderung lösen, muss man diese endlich selber steuern und kontrollieren können. Ist die Zuwanderung weiterhin sehr hoch, braucht es auch eine Änderung bei der Personenfreizügigkeit mit der EU.»
Ein Gegenvorschlag müsse eine gleich starke Wirkung haben wie die SVP-Initiative, betont SVP-Ständerat Pirmin Schwander (63, SZ). «Mir ist bisher kein Vorschlag unter die Augen gekommen, der die Zuwanderung so stark bremst und steuert, wie wir das fordern.» Er glaubt denn auch nicht, dass die Kommission eine mehrheitsfähige Variante findet. «Es sei denn, die Kommission und dann der Ständerat stellen taktische Spiele über die Landesinteressen.»
Open-end-Sitzung am Montag
Am Montag ist eine Open-End-Sitzung angesagt. Die Lösungsansätze scheinen aber zu unterschiedlich zu sein, als dass sich ein gemeinsamer Nenner finden lassen dürfte.
Kommt es tatsächlich zum Gegenvorschlagabsturz, kommt die «10 Millionen»-Initiative schon in der Wintersession in den Ständerat.