Darum gehts
Die AHV ist an vielen Fronten im Umbruch. Da plant SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (61) bereits die nächste grosse AHV-Reform 2030. Die Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation will sie vor allem mit Mehreinnahmen überwinden, auf ein höheres Rentenalter vorerst verzichten.
Die Vorschläge der Sozialministerin sind von links wie rechts unter Beschuss. Doch auch im Bundesrat gab es einige Auseinandersetzungen. Das zeigen verwaltungsinterne Dokumente zur sogenannten Ämterkonsultation, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegen. Darin finden sich fünf spannende Knackpunkte.
Höheres Rentenalter
Die neue AHV-Reform 2030 ohne höheres Rentenalter! Angesichts der FDP-/SVP-Mehrheit im Bundesrat ist das ein Riesenerfolg für die Linke. Die FDP-Magistraten Karin Keller-Sutter (61) und Ignazio Cassis (64) sowie SVP-Bundesrat Guy Parmelin (65) regten eher freudlos ein höheres Rentenalter oder ein Lebensarbeitszeit-Modell an. SVP-Minister Albert Rösti (57) hingegen beschied seiner Kollegin trocken, er sei mit der Stossrichtung der Reform einverstanden, wie auch die «NZZ» berichtete.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) forderte derweil, zwei Varianten mit einer Erhöhung um ein beziehungsweise zwei Jahre samt Abfederungsmassnahmen und einer Schwerarbeiter-Ausnahme zu prüfen. Die Finanzverwaltung regte ebenfalls zwei Varianten an: eine rein mit Zusatzeinnahmen. Und eine, die zusätzlich ein um ein Jahr höheres Rentenalter beinhalten würde.
Baume-Schneider beschied ihren Kollegen, dass ein um ein Jahr erhöhtes Rentenalter zwar 3 Milliarden Franken einsparen würde. Dem würden aber zusätzliche Ausgaben bei der IV sowie eine kostspielige Abfederung gegenüberstehen. Vor allem aber überzeugte das massive Nein zur jungfreisinnigen Renten-Initiative – sie sah vor, das Rentenalter schrittweise zu erhöhen – den Bundesrat, die Finger von einem höheren Rentenalter zu lassen.
Grundstückgewinnsteuer
Die SP-Sozialministerin hat auch neue Finanzierungsquellen unter die Lupe genommen. Weiter vorantreiben wollte sie die Idee einer nationalen Grundstückgewinnsteuer. Eine Milliarde Franken sollte diese einbringen. Allerdings opponierten ihre bürgerlichen Gspänli dagegen. «Es wäre wohl mit massivem Widerstand der Kantone zu rechnen, was die Erfolgsaussichten der ganzen Vorlage mindern würde», warnte Keller-Sutters Generalsekretariat. Daraufhin liess Baume-Schneider die Idee fallen.
Es bleibt damit bei zusätzlichen Lohnprozenten und höherer Mehrwertsteuer. Wird die 13. AHV-Rente finanziert, wären ab 2030 weitere 0,7 Lohnprozentpunkte oder 0,9 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Oder eben ein Mix daraus. Allerdings machten etwa Cassis und Parmelin deutlich, dass sie einer höheren Mehrwertsteuer den Vorzug gegeben würden.
AHV-Teuerungsausgleich
2022 sorgte eine hohe Teuerung von 2,8 Prozent für Aufregung im Parlament. Ein vollständiger AHV-Teuerungsausgleich fiel zwar durch, doch Baume-Schneider wollte das Anliegen wieder aufgreifen. In Jahren mit hoher Teuerung über dem heute geltenden Mischindex aus Lohn- und Preisentwicklung sollten die AHV-Renten entsprechend stärker steigen.
Zu teuer, folgte die Kritik. «Die Anpassung würde Rentenerhöhungen beschleunigen und damit zu Mehrausgaben führen», monierte Cassis. Keller-Sutters Finanzverwaltung schlug dagegen vor, den Mischindex aufzuheben und nur noch die Teuerung auszugleichen – langfristig würden die Renten dadurch sogar weniger steigen. Das Thema wurde fallengelassen.
AHV für Weiterbildung
Lebenslanges Lernen! Für Weiterbildungen sollte auch die AHV finanziell einspringen, befand Baume-Schneider. Dem Vernehmen nach wurden dabei auch exotische Ideen gewälzt. Etwa, indem für ein Weiterbildungsjahr eine AHV-Rente vorbezogen werden könnte; dafür müsste man ein Jahr über das Referenzalter hinaus weiterarbeiten.
Das Vorhaben entpuppte sich dann doch als zu komplex. Zudem markierten verschiedene Stellen Widerstand. «Die AHV ist nicht für die Weiterbildung zuständig», wehrte sich das Aussendepartement gegen eine Vermischung von Aufgaben und Kompetenzen.
«Schengen-Migration» als «Zeitbombe»
Ganz in SVP-Manier brachte das Wirtschaftsdepartement einen weiteren Punkt in die Debatte ein: die «Schengen-Migration». Parmelins Generalsekretariat kritisierte Baume-Schneider, dass das Thema «systematisch ausgeklammert werde». Die Schengen-Migration werde hierzulande oft als Lösung für den Geburtenrückgang gerechtfertigt, um das Rentensystem aufrechtzuerhalten. Das möge zwar kurz- oder mittelfristig eine praktikable Lösung sein.
«Aber riskieren wir damit nicht eine Zeitbombe, die langfristig zu einem strukturellen Problem führen wird: Denn wer soll die Renten dieser Migranten – und ihre tiefen Beitragslücken – finanzieren? Wird es dann noch mehr Migration brauchen?», so Parmelins Generalsekretärin Nathalie Goumaz. Das müsse stärker analysiert werden. Das Anliegen fand im Bundesrat aber keinen Widerhall.