Darum gehts
- FDP kritisiert AHV-Reform 2030 und lanciert Petition gegen Mehrbelastung
- Burkart warnt vor jährlich 3000 Franken Mehrkosten pro Haushalt
- FDP-Chef fordert moderate Rentenaltererhöhung statt einseitiger Zusatzfinanzierung
SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (61) plant die nächste grosse AHV-Reform 2030. Die Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation will sie mit Mehreinnahmen überwinden. Das Rentenalter bleibt vorerst unangetastet. Das bringt die FDP auf die Palme.
Die Partei warnt vor Mehrkosten von rund 3000 Franken pro Haushalt. Jetzt lanciert sie eine Petition gegen den «Angriff auf den Mittelstand». Wieso, erklärt FDP-Präsident Thierry Burkart (49) im Blick-Interview.
Blick: Herr Burkart, die FDP attackiert die AHV-Reform 2030 scharf. Was ärgert Sie so sehr daran?
Thierry Burkart: Bundesrätin Baume-Schneider hat den einfachsten und gleichzeitig schädlichsten Weg gewählt. Zusätzliche Lohnbeiträge schwächen die Löhne, und eine höhere Mehrwertsteuer verteuert den täglichen Einkauf. Damit werden einmal mehr jene bestraft, die den Wecker stellen, aufstehen und arbeiten gehen. Die Reform kostet jeden Haushalt rund 3000 Franken jährlich. Der Mittelstand und die KMU werden massiv geschwächt.
3000 Franken? Ist das nicht zu hoch gegriffen?
Das strukturelle Defizit beträgt in den 2030er-Jahren rund 3 Milliarden Franken, die 13. AHV-Rente kostet 5 Milliarden und die von der ständerätlichen Sozialkommission ins Auge gefasste Abschaffung des Ehepaarplafonds ohne gleichzeitige Abschaffung der Ehevorteile gegen 4 Milliarden. Gut 12 Milliarden also! Umgelegt auf die Haushalte sind es rund 3000 Franken. Irgendwann reicht es. Gegen eine solch einseitige Reform werden wir das Referendum prüfen.
Ihre Petition fordert eine «nachhaltige und realistische Sanierung». Nur das Rentenalter zu erhöhen, ist doch nicht realistisch.
Wir bieten Hand zu einem Kompromiss. Aber der Bundesrat hat sein Wort gebrochen! Im Abstimmungskampf zur Renten-Initiative hat er versprochen, bei der nächsten Reform auch auf strukturelle Massnahmen zu setzen. Ein höheres Rentenalter erachtete er als «berechtigte Massnahme». Jetzt will er nichts mehr davon wissen.
Im Bundesrat haben die Bürgerlichen eine 5:2-Mehrheit gegen die Linke. Sie haben es selber in der Hand.
Was im Bundesrat gelaufen ist, weiss ich nicht. Was aber auffällt: Wir sind die einzige Partei, die vehement gegen die ständigen Mehrbelastungen des Mittelstands kämpft. Die SVP schweigt, weil viele in ihrer Basis bei sozialpolitischen Fragen mit den Linken stimmen, nicht nur beim unfinanzierten Rentenausbau. Und die Mitte hat sich in der Sozialpolitik schon länger von den Bürgerlichen verabschiedet. Mit ihrer eigenen Ausbau-Initiative steckt sie in der AHV-Falle und paktiert deshalb mit der Linken.
Ohne Mehreinnahmen ist die Babyboomer-Pensionierungswelle nicht zu bewältigen. Wie sieht Ihr Kompromiss also aus?
Bei einer Reform, die einseitig zulasten des arbeitenden Mittelstands geht und keine strukturellen Massnahmen beinhaltet, machen wir nicht mit. Die Renten-Initiative wurde aus zwei Gründen verworfen: Weil sie einen Automatismus vorsah und für körperlich belastende Arbeiten keine Ausnahmen machte. Dieser Kritik können wir bei einer Neuauflage Rechnung tragen. Es braucht eine moderate Rentenaltererhöhung. Immer älter werden, ohne länger zu arbeiten, ist eine Illusion.
Wo setzen Sie bei den Einnahmen an?
Wir wollen keine Steuererhöhungen. Nur, wenn es anders nicht geht, können wir zur Finanzierung der 13. AHV-Rente über Zusatzeinnahmen reden. Gegen jeden weiteren AHV-Ausbau zulasten von Mittelstand und KMU werden wir uns wehren. Die Abschaffung des Ehepaarplafonds unterstützen wir, wenn gleichzeitig die heutigen Vorteile für Ehepaare wegfallen und sie damit kostenneutral erfolgt. Wir sind für echte Fairness. Was die Mitte will, ist ein reiner Leistungsausbau.
Die Linke möchte eine Erbschaftssteuer, die Mitte eine Finanztransaktionssteuer zugunsten der AHV. Warum helfen Sie da nicht mit?
Neue Steuerinstrumente lehnen wir ab. Die Finanzmarkttransaktionssteuer ist sowieso nur eine Nebelpetarde der Mitte und nicht umsetzbar. Ein kürzlich erschienener Bericht des Bundesrats hat dies bestätigt.
Bei der AHV-Reform 2030 droht eine Blockade. Ein grosser Wurf, wie 1948 unter dem damaligen FDP-Bundesrat Walther Stampfli, scheint nicht mehr möglich.
Die Gründerväter der AHV würden eine derart einseitige Reform auch ablehnen. Die AHV ist nicht dazu da, links-grüne Umverteilungsfantasien zu verwirklichen. Sie wurde damals auf einer deutlich tieferen Lebenserwartung konzipiert und im Lot gehalten. Die FDP führt dieses verantwortungsbewusste Erbe fort.
Neben der AHV lässt der EU-Deal samt innenpolitischen Begleitmassnahmen die Wogen hochgehen. Wie zufrieden sind Sie damit?
Gerade in Zeiten grosser Unsicherheit wollen wir ein langfristig stabiles Verhältnis zur EU. Die 10-Millionen-Initiative der SVP lehnen wir deshalb vehement ab. Die Haltung zu den Bilateralen III wird unsere Basis im Oktober an ihrer Delegiertenversammlung festlegen. An diesen Prozess halte ich mich.