Darum gehts
- AHV-Reform 2030: Kritik von allen Seiten, Mischindex auf dem Prüfstand
- Baume-Schneider prüft Interventionsmechanismus
- Gewerkschaften befürchten Angriff auf regelmässige Rentenanpassung
Kaum hat SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (61) die Stossrichtung für die nächste grosse AHV-Reform 2030 präsentiert, hagelt es von allen Seiten Kritik. Der FDP fehlt eine Erhöhung des Rentenalters im Paket, die Linke fordert neue Finanzierungsinstrumente wie eine nationale Erbschaftssteuer.
Auch der Gewerkschaftsbund ist alarmiert! Sie fürchten um den sogenannten Mischindex bei den AHV-Renten. Dank diesem werden die Renten in der Regel alle zwei Jahre der Lohn- und Preisentwicklung angepasst – zuletzt per 2025 um 2,9 Prozent. Die maximale Einzelrente stieg so monatlich um 70 Franken auf 2520 Franken an. Ehepaare erhalten bis zu 105 Franken mehr und damit maximal 3780 Franken. Übersteigt die Teuerung innerhalb eines Jahres mehr als 4 Prozent, werden die Renten sogar jährlich angepasst.
Mischindex auf dem Prüfstand
Doch jetzt steht der Mischindex und damit die regelmässige Rentenerhöhung auf dem Prüfstand. Baume-Schneider klärt nämlich ab, ob es einen Interventionsmechanismus braucht für den Fall, dass sich die finanzielle Situation der AHV verschlechtert oder die politischen Entscheide nicht rechtzeitig vorliegen. Ein Notfall-Automatismus.
«Ein solcher Mechanismus könnte bei den Beiträgen ansetzen, bei der Mehrwertsteuer, aber auch bei den Leistungen, beispielsweise bei der Anpassung mit Mischindex», bestätigt Markus Binder vom Bundesamt für Sozialversicherungen gegenüber Blick. Wobei er auch gleich zu beruhigen versucht: «Anpassen heisst nicht aufheben. Und prüfen lassen heisst nicht, dass der Bundesrat dies derzeit beabsichtigt.»
«Erneuter Angriffsversuch»
Mit solchen Beschwichtigungen lassen sich die Gewerkschaften nicht besänftigen. «Alleine schon, dass der Mischindex und damit auch der AHV-Teuerungsausgleich zur Debatte steht, gibt uns zu denken», sagt SGB-Zentralsekretärin Gabriela Medici (39).
Die regelmässige Rentenanpassung sei rechtsliberalen Kreisen ein Dorn im Auge und werde daher immer wieder infrage gestellt, moniert sie. «Der Prüfauftrag wurde Baume-Schneider auch diesmal von rechts aufs Auge gedrückt. Ein erneuter Angriffsversuch, um die AHV und damit die Kaufkraft der Rentnerinnen und Rentner zu schwächen.»
Bei Altersvorsorge 2020 abgewehrt
Beim Gewerkschaftsbund werden dabei böse Erinnerungen wach. Es ist noch gar nicht so lange her, da wollte der Bundesrat den Mischindex bereits einmal vom Tisch fegen – zumindest temporär in Notlagen. Mit der Altersvorsorge 2020 präsentierte der damalige Sozialminister Alain Berset (53, SP) eine Reform, die «für schwierige Zeiten» einen zweistufigen Interventionsmechanismus beinhaltete.
Für den Fall, dass der Stand des AHV-Fonds unter 70 Prozent einer AHV-Jahresausgabe zu sinken droht, sollte der Bundesrat dem Parlament Gegenmassnahmen vorschlagen. Sollte die Politik keine Lösung finden und der Fonds tatsächlich unter die 70er-Limite fallen, würden automatisch Massnahmen ausgelöst.
Neben einer Erhöhung der Lohnbeiträge um maximal 1 Prozentpunkt auch eine «begrenzte Einschränkung der Rentenanpassung». Sprich: Während maximal 5 Jahren hätten die AHV-Renten eingefroren werden können – erst danach hätte zumindest der Teuerungsausgleich wieder gewährt werden müssen.
«Zurückgestellt für spätere Revisionen»
Erst das Parlament kippte dieses toxische Element wieder aus der Vorlage, um diese nicht unnötig zu gefährden. Oder wie es damals ein Ständerat ausdrückte: Die Punkte mit Angriffsflächen wurden «zurückgewiesen – vielleicht zurückgestellt für spätere Revisionen».
Ob nun die Zeit reif dafür ist? Medici befürchtet, dass der Bundesrat den früheren Vorschlag wieder aus der Schublade holt und einen neuen Vorschlag darauf aufbaut. «Ein Angriff auf den Mischindex steht im Widerspruch zum bundesrätlichen Versprechen, das Rentenniveau zu sichern», macht sie klar. «Einen derartigen Leistungsabbau werden wir auf jeden Fall bekämpfen.»