Darum gehts
- Skigebiete in der Schweiz verschwinden. Nachfrage und Angebot nehmen ab
- Klimawandel und steigende Fixkosten bedrohen viele Skigebiete
- Seit 2000 haben 49 Skigebiete den Betrieb eingestellt
Die Skination Schweiz bröckelt. Einerseits schwindet die inländische Nachfrage. Immer mehr Menschen machen einen Bogen um den Wintersport-Klassiker. Nur noch gut jeder Vierte fährt regelmässig Ski, wie aus einer 2022 veröffentlichten Erhebung des Schweizer Sportobservatoriums hervorgeht. Die Gründe für das abnehmende Interesse sind vielfältig: Einigen sind Ferien auf den Skipisten zu teuer. Andere widmen sich lieber alternativen Sportarten, deren Vielfalt über die Jahre zugenommen hat.
Andererseits nimmt auch das Angebot an Ski-Orten stetig ab. Vor drei Jahren hat die Technische Universität Dortmund eine Untersuchung zum Skiland Schweiz publiziert. Das ernüchternde Ergebnis: Von den rund 550 jemals eröffneten Skigebieten und Mini-Liften in unserem Land gibt es einen Grossteil nicht mehr – nämlich über 40 Prozent. Und der Abbau von kleinen Schleppliften in den Dörfern und sogar von ganzen Destinationen hält an.
Fast 50 Skigebiete sind seit dem Jahr 2000 verschwunden
Blick hat ausgewertet, wie viele Schweizer Skigebiete seit der Jahrtausendwende nicht mehr existieren. Als Skigebiet zählen auch einzelne Dorflifte, solange diese nicht an ein Gebiet mit weiteren Schleppern, Gondeln oder Sesselliften angeschlossen sind. Die Recherche hat ergeben, dass mindestens 49 solcher Gebiete seit Anfang 2000 den Betrieb eingestellt haben. Das heisst auch: Jedes sechste Gebiet ist in den letzten 25 Jahren von der Landkarte verschwunden. Derzeit gibt es in der Schweiz laut der europäischen Outdoor-Plattform Bergfex 276 Skigebiete.
Das Skigebiet-Sterben ist ein schweizweites Phänomen. Ganze 17 Kantone haben im 21. Jahrhundert mindestens einen Ort fürs Skifahren verloren, darunter verschiedene Kantone aus dem Unterland. Die Grafik zeigt aber auch: Wo es viel Wintersport gibt, verschwinden auch mehr Skilifte. So sind die zwei Bergkantone Wallis und Graubünden besonders stark betroffen – mit neun respektive sieben eingestellten Skiorten.
Mit diesen Problemen kämpfen die Skiorte
Der schleichende Niedergang im Wintersport liegt auch an den Geldproblemen zahlreicher Skigebiete. Die Betreiber haben oft mit steigenden Fixkosten zu kämpfen, weil sie immer mehr Beschneiungsanlagen für Kunstschnee brauchen. Jene Gebiete, die ihre Einnahmen nicht hochfahren können, rutschen in die roten Zahlen. Beispielhaft stehen dafür die Belalp Bahnen in Naters VS. Das Walliser Skigebiet mit elf Liftanlagen bedrückt ein Schuldenberg von 18 Millionen Franken. Mehrere Übernahmen der Bahnen sind gescheitert. Die Zukunft ist ungewiss, die Gemeinde gespalten.
Die Frage zwischen Aufwand und Ertrag stellt sich insbesondere in den tieferen Lagen, wo oftmals Private und Vereine den Schlepplift im Dorf mit viel Hingabe betreiben. Die Schneetage werden weniger, die nötige Freiwilligenarbeit aber nicht unbedingt. Irgendwann ist dann genug. Zu diesem Entscheid ist etwa Bruno Mathys gekommen. Der Sporthändler und Snowboardpionier aus Adelboden BE hat knapp zwei Jahrzehnte lang den Kult-Übungslift am Norro-Hang mitten im Dorf betrieben. Jetzt aber mag er nicht mehr – und sucht verzweifelt nach einer Nachfolge. Den Lift samt Inventar würde Mathys gratis abgeben.
Haupttreiber dieser Entwicklung ist die Klimaerwärmung, die den Wintersport durchschüttelt – im zunehmenden Masse. Skigebiete in tiefen Lagen haben langfristig keine Überlebenschance, sind sich viele Experten einig. Bereits 2022 sagte Thomas Egger (58), Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), zu Blick: «Orte unter 1600 Meter müssen vom Skitourismus wegkommen.»
Wenn Engagierte ihr Skigebiet retten
Trotz dieser trüben Aussichten gibt es hie und da den ein oder anderen Hoffnungsschimmer. Im letzten Frühling gab es etwa im Berner Oberland ein Happy End. Dort schwebten lange Zeit dunkle Wolken über dem Tellerlift Schwändli in Eriz BE oberhalb von Thun. Der Bund wollte dem beliebten Kinderskilift nachträglich die Bewilligung entziehen, weil dieser in einem Flachmoor von «nationaler Bedeutung» steht. Es drohte das Aus des gesamten Skigebiets, zu dem noch ein längerer Schlepplift und Übungslift für die ganz Kleinen gehört. Ende Mai konnten sich die Betreiber mit dem Bund auf einen Deal einigen, der das weitere Bestehen sichert.
Und Anfang Mai gab es gute Kunde aus dem Wallis. Beim Skigebiet Grächen VS hatte sich ein Schuldenberg von 20 Millionen Franken angehäuft. Die Touristische Unternehmung Grächen (TUG) brauchte dringend 6 Millionen, um den Betrieb für diesen Winter zu sichern. Und es klappte: Mit einer Aktienzeichnung kamen insgesamt sogar 6,7 Millionen Franken für das Familienskigebiet zusammen. Grächen ist somit vorübergehend gerettet.
Diese Beispiele zeigen: Engagierte kämpfen um die lokalen Skilifte, die für so viele Menschen mit unbezahlbaren Kindheitserinnerungen verbunden sind. Nicht alle gewinnen ihren Kampf. Aber sie versuchen zu verhindern, dass der Glanz der Skination Schweiz nicht ganz so schnell erblasst.