Darum gehts
So deutliche Worte hört man beim SRF selten. Nach der Schweizer Slalom-Ohrfeige in Levi (Fi) nimmt Ski-Experte Didier Plaschy kein Blatt vor den Mund. Dass Wendy Holdener (8.) nicht völlig befreit fährt? «Kann es nicht sein», findet er – «nicht in ihrer 16. Saison.» Dass nur zwei von neun weiteren Schweizerinnen Punkte holen – Camille Rast (15.) und Mélanie Meillard (22.) – stösst ihm ebenfalls sauer auf. «Es ist bedenklich, dass Ungarinnen und Finninnen in die 30 fahren, unsere Athletinnen aber nicht. Sie müssen härter zu sich sein, sich austoben, Frust in Energie umwandeln.»
Hat Plaschy recht? Anruf beim Schweizer Alpinchef Hans Flatscher. Zuerst lässt er sich die Aussagen des Slalom-Altmeisters schildern. Dann spricht er über Holdener. Vielleicht habe Plaschy recht, sagt er. Dann schiebt er ein grosses Aber nach. «Ich kenne keine, die seit 16 Jahren so liefert wie sie. Man muss sich keine Gedanken um sie machen, weder aus technischer noch körperlicher Sicht.»
Tatsächlich startete Holdener in den letzten Jahren stets verhalten in die Slalom-Saison – danach zündete sie den Turbo. Es scheint, als wolle sie keinesfalls ausscheiden und in eine Negativspirale kommen. «So funktioniert Wendy. Am Anfang geht sie nicht gleich ans Limit, ist noch nicht befreit. Aber das kommt noch – sie wird zulegen», so Flatscher.
Zu wenig frech, zu wenig mutig
Das Thema Holdener ist also abgehakt. Doch was ist mit der zweiten Schweizer Slalom-Garde, die Plaschy kritisiert? Sieben Athletinnen verpassen den 2. Lauf: Aline Danioth (32.), Amélie Klopfenstein (36.), Aline Höpli (37.), Nicole Good (38.), Eliane Christen (52.), Anuk Brändli (57.) und Selina Egloff, die kurz vor dem Ziel stürzt.
«Da muss man auch kritisch sein», gibt Flatscher zu. «Wir sind zu wenig frech, zu wenig mutig. Und wir überlegen zu viel, statt einfach mal draufloszufahren.»
Flatscher nennt das Beispiel der Amerikanerinnen, die dafür bekannt sind, Risiken einzugehen. «Unsere Kultur ist anders, wir sind eher zurückhaltend. Aber wenn unsere Fahrerinnen den Tritt finden, sind auch sie verlässlich.»
«Sie machen keinen Zirkus»
Ein Problem der sieben Schweizerinnen, die die Top 30 verpassen, sind die langen, flachen Passagen in Levi. Nur Good und Egloff sind dort schnell. «Da müssen wir über die Bücher», so Flatscher.
Man könne jedoch nicht alle über einen Kamm scheren – vielmehr brauche es individuelle Analysen. «Unsere Fahrerinnen werfen im Ziel nicht die Stöcke weg oder machen sonst einen Zirkus. Aber das heisst nicht, dass sie nicht hart zu sich sind. Sonst wären sie in ihrer Karriere nicht so weit gekommen. Wir bleiben ruhig. Wichtig ist, jetzt nicht dreinzuschlagen.»
Das Positive? Bereits in einer Woche können die Schweizerinnen das Blatt wenden. In Gurgl (Ö). Dort ist es deutlich steiler – das sollte den meisten liegen. «Dann wird es anders aussehen», ist Flatscher überzeugt.