Darum gehts
- Wendy Holdener nutzt Twin Carve für schmale Skiführung im Training
- System zwingt zu paralleler Skihaltung und verbessert Technik
- Sie wartet seit fast drei Jahren auf nächsten Weltcup-Sieg – folgt er in Levi?
Kennen Sie Try Ski? Eine kleine Skihilfe aus Plastik, gedacht für Kinder. Sie hält die Skispitzen zusammen und verhindert, dass sich die Ski kreuzen oder auseinanderlaufen. Wendy Holdener (32) nutzt seit diesem Sommer ein ähnliches System. «Auf flachen Pisten und aggressivem Schnee konnte ich ein paar geile Schwünge ziehen – fast vergass ich, dass ich angekettet bin», sagt sie mit einem Lächeln.
Holdeners Variante heisst Twin Carve – moderner und teurer als Try Ski. Zwei Schienen werden montiert, nicht an den Spitzen, sondern vor und hinter der Bindung. Sie zwingen die Fahrerin, die Ski parallel zu halten. Trainer Jörg Roten erklärt: «Wir wollen die kleinen Drifter, die Wendy vor den Toren manchmal hat, ausschalten. Ziel ist, sofort auf Zug zu gehen. Ein neuer Reiz, den wir in ihr Programm eingebaut haben.»
Twin Carve zwingt Holdener, schmal zu fahren – ein Ziel, das sie ohnehin verfolgt. Vorbilder sind die schnellsten Slalom-Männer. «Höher stehen, näher an die Tore, die Auflage gleichmässiger verteilen – das ist der Trend», sagt Roten.
Er denkt dabei weniger an Olympiasieger Clément Noël (28, Fr), der gross ist und sehr direkt fährt, als vielmehr an den vierfachen Slalomkugel-Gewinner Henrik Kristoffersen (32, No): Er ist kleiner, fährt runder und flüssiger. Mit dem Norweger, einst Rotens Schützling, hat Holdener im vergangenen Winter trainiert.
«Keine bremsende V-Stellung»
Neu erfindet Holdener das Skifahren nicht, doch sie entwickelt es weiter. Auf steilen Pisten hilft Twin Carve wenig – dort dürfen die Ski auch mal auseinandergehen, dabei bilden sie einen Halbmond. Sonst ist das System jedoch eine gute Ergänzung.
Neben der schmalen Skiführung sieht Holdener zwei Vorteile: «Ich kann keine V-Stellung machen, die bremst. Und ich muss mit der Hüfte sauber über dem Ski stehen – sonst fällt man fast.» Fast? Holdener lacht. «Richtig gestürzt bin ich noch nie. Einmal hat es mich etwas auf die Seite gelegt, aber ich dachte, es würde schlimmer.»
Ketten werden nun gesprengt
Ob sich der Trainings-Trick schon in Levi (Fi) auszahlt, wird sich zeigen. Die langen, flachen Passagen dort verlangen viel Arbeit nach vorn – ohne unsauber zu werden. Genau das hat Holdener mit Twin Carve geübt. Sicher ist: Ohne die Ketten wird sie sich freier fühlen. Ein psychologischer Vorteil. «Das coole Ski-Gefühl entsteht mit Twin Carve selten – man ist eingeklemmt. Entfernt man sie, fährt man befreit», sagt Roten. Holdener stimmt zu: «Ohne sie macht es mehr Spass.»
Und wohin führt dieser Spass? Holdener: «Ich sehne mich nach dem nächsten Sieg.» Fast drei Jahre ist ihr letzter her. Trotzdem war der vergangene Winter stark: dreimal Zweite im Weltcup, dreimal Silber an der WM. Viele wären damit glücklich. «Aber der Sieg fehlte. Er war schon vergangenes Jahr das Ziel. Jetzt versuche ich es wieder.»