Darum gehts
Grasskifahren? Das war für Aline Höpli (24) nie ein Thema. Trotzdem steht sie jetzt – fürs Shooting mit Blick – auf Ski im Gras.
Nicht irgendwo, sondern dort, wo sie als Mädchen ihre ersten Schwünge machte. Auf 750 Meter über Meer in Egg SG oberhalb von Flawil SG, gleich neben dem umgebauten Bauernhaus der Eltern. «Ich war schon als Kind sehr ehrgeizig, wollte überall gut sein. Und natürlich so schnell wie meine Geschwister», sagt die Slalom-Spezialistin.
Ihr Geschwister sind Schwester Michèle und Bruder Remo. Beide sind älter als sie. Höpli eiferte ihnen nach – nicht immer mit gutem Ende. Während Remo einmal mit dem Velo locker vom Hauseingang auf den Vorplatz sprang, ging die kleine Aline unsanft zu Boden. «Und zwar volle Kanne», wie es Mutter Jeannette erzählt. Ein Problem?
Nein. Höpli stand auf, blickte auf ihre aufgeschürfte Haut und fuhr weiter. Und als ihre sechs Jahre ältere Michèle sie einst bei einem Klubrennen schlug, sprach sie danach den ganzen Tag nicht mit ihr. «Ich war so hässig. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass sie schneller war. Erst spät am Abend habe ich ihr gratuliert», schmunzelt Höpli.
«Ich will die Schnellste sein»
Kampfgeist und unbändiger Wille – beides begleitet die Ostschweizerin. Sie überstand drei Kreuzbandrisse (2017, 2019 und 2020) und dachte trotzdem nie ans Aufhören. Das zahlte sich im letzten Winter endlich aus. Höpli fuhr dreimal Weltcuppunkte ein, in Killington (USA) wurde sie 15.
Ähnlich weit nach vorne soll es auch in Levi (Fi) gehen – in Lappland steigt am Samstag der erste Slalom der Saison. Ihrer Strategie wird Höpli dabei treu bleiben. Welche? Sie gibt immer Vollgas. «Ich will die Schnellste sein. Das ist immer das Ziel. Was dann herauskommt, ist etwas anderes.»
Experten trauen Höpli in den nächsten Jahren grosse Schritte nach vorne zu. Sie selbst tut das auch. «Ich habe in den Rennen noch nicht gezeigt, wozu ich fähig bin.»
Entscheidend: Sie darf es mit dem Risiko nicht übertreiben. So wie vorletzte Saison – damals fädelte sie viel zu oft ein. «Ich fahre nicht sehr rund, sondern eher direkt auf die Tore zu. Dann rutsche ich und gehe voll auf Zug. Wenn ich dabei etwas zu früh dran bin, erwischt es mich. Zum Glück habe ich mich gebessert.»
Eigenblut-Spritzen nach letztem Unfall
Einen Rückschlag erlitt die Powerfrau Anfang August. Beim Riesenslalom-Training knickte ihr rechtes Knie unkontrolliert ein – die Knochen prallten aufeinander und der Knorpel erlitt einen Schaden.
«Es knackste, und ich dachte schon, es sei erneut ein Kreuzbandriss. Ein mulmiges Gefühl. Doch ich musste nicht operieren, Spritzen mit Eigenblut halfen bei der Heilung des Knorpels.» Vater Thomas bewundert seine Tochter: «Aline hat die Freude am Sport immer beibehalten. Ich bin sehr stolz auf sie.»
Lehrerin? Höpli macht Ausbildung
Neben der Ski-Karriere macht Höpli im Sommer eine Lehrerausbildung an der Pädagogischen Hochschule Schwyz. «Das tut dem Kopf gut», sagt sie. Sie machte auch schon Praktika und las dabei den Kindern unter anderem «Zilly und Zingaro: Der böse Roboter» vor. «Ich mag Kinder sehr, helfe gerne, lasse sie aber auch machen. Und wer weiss, vielleicht werde ich ja nach meinem Ski-Leben einmal Lehrerin.»
Noch ist es nicht so weit. Höpli hat auf den Pisten noch viel vor. «Ich hätte schon oft aufgeben können, tat es aber nicht. Das zahlt sich aus.»