«Wir müssen in Rumänien punkten!»
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Keller vor Spiel in Bukarest:«Wir müssen in Rumänien punkten!»

YB-Gegner FCS Bukarest
Der Rumänen-Klub, den es doppelt gibt

Bauernsohn Gigi Becali hat als Besitzer des FCSB den ganzen rumänischen Fussball aufgewirbelt. Deshalb gibt es Steaua Bukarest nun gewissermassen doppelt. Und die Aufstellung macht der Autokrat auch mal selber.
Publiziert: 13:31 Uhr
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FCSB-Besitzer Gigi Becali, ein bekennender Homophober, organisierte 2023 am Tag vor der Bukarest Pride eine eigene, religiöse Prozession, um die Strassen der Stadt mit Weihwasser zu reinigen.
Foto: zVg

Darum gehts

  • Steaua Bukarest existiert seit 2014 doppelt: als FCSB und Armeesportklub
  • George Becali führt FCSB mit strenger Hand und umstrittenen Entscheidungen
  • FCSB liegt mit elf Punkten auf Platz elf der Super League
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Alain Kunz, Bukarest

Seit 2014 gibt es Steaua Bukarest doppelt. Den Meistercupsieger von 1986, als man den grossen FC Barcelona in einem epischen Penaltyschiessen in Sevilla in die Knie zwang, in welchem ein gewisser Helmut Duckadam (der vor zehn Monaten erst 65-jährig verstarb) alle vier Elfer der Katalanen hielt. Damals ist Steaua ein klingender Name in Europa, mit viel Glanz. Natürlich mit dem üblichen Ostblock-Mief damaliger Zeit. Aber dafür umso mythischer, geheimnisumwitterter, weil man ja nicht so genau wusste, was ennet dem Eisernen Vorhang geschah. Auf jeden Fall spielten sie 1986 verdammt gut Fussball in Bukarest. Und genossen alle Privilegien. Verantwortlich dafür: Valentin Ceausescu, Sohn des drei Jahre später hingerichteten Diktators Nicolae.

Schafe exportiert, Zigaretten schwarz importiert

Es war für die Ceausescus ein Einfaches, Steaua mit allem Nötigen auszustatten, war doch der Verein 1947 als Armeesportklub gegründet worden. Richtig spannend wird die Geschichte nach dem Sturz des Regimes und von Ceausescu. Ein Revolutionsprofiteur, George «Gigi» Becali, beginnt nach und nach, Anteile am Klub zu erwerben. Becali hatte ein erstes Vermögen mit dem Export von Schafen in die Türkei gemacht, wobei er seine Lastwagen auf dem Rückweg mit Textilien, Zigaretten und Seife füllte, alles damals Mangelware in seiner Heimat. Sein damaliger Geschäftspartner: ein gewisser Georghe Hagi, Rumäniens Fussballikone schlechthin. Sein Geld investierte der Bauernsohn in Immobilien. Einem Markt, der sich in Rumänien gerade zu entwickeln begann. Viele Geschäfte waren dubios. Becali landete immer wieder vor Gericht und auch mal im Gefängnis. 2003 wurde der nach eigenem Bekunden reichste Rumäne Grosssponsor von Steaua, dann Eigentümer und schliesslich Präsident.

Steaua wurde 2017 von Verteidigungsministerium neu gegründet

Das passte den Militärs nicht. Das rumänische Verteidigungsministerium klagte 2011 gegen die Verwendung des Namens und des Logos in einer privaten Aktiengesellschaft. 2014 gab der Oberste Gerichtshof dem Ministerium recht. Der Klub musste den Namen in Fotbal Club FCSB abändern und das Logo wechseln. Wobei das «S» unverändert für Steaua stehen soll … Der Armeesportklub seinerseits wurde unter dem historischen Namen Steaua Bukarest neu gegründet, musste aber in der vierten Liga bei null beginnen. 2021 war der Klub zurück in der zweiten Liga. Sportlich ist er mittlerweile mehrmals in die Super League aufgestiegen. In der Theorie. Doch der Verband untersagte dem Klub die Promotion, weil er sich in öffentlicher Hand befindet. Nur Privatgesellschaften sind in der obersten Liga zugelassen. Mittlerweile sind Bestrebungen im Gang, den Klub zu privatisieren, respektive das Gesetz zu ändern.

Schwulenhasser und Verschwörungstheoretiker

Doch zurück zum YB-Gegner, der für sich die Geschichte von Steaua sowie die Titel beansprucht. 2020 kommt der erste Titel als FCSB dazu, als man den Cup gewann. 2024 die erste und gleich danach die zweite Meisterschaft. Becali ist längst nicht mehr Präsident, führt den Klub gleichwohl mit strenger Hand und der Willkür eines Autokraten. Immer wieder fällt der Schwulenhasser durch homophobe Äusserungen auf. Bereits 2013 entschied der oberste Gerichtshof, dass das damalige Steaua für dessen Aussagen haftbar gemacht werden könne, auch wenn Becali nicht mehr dessen Präsident sei. Während der Pandemie verbot der zu Verschwörungstheorien neigende Becali seinen Spielern und Mitarbeitenden die Covid-19-Impfung. Seinen Spielern zahlt er für rumänische Verhältnisse horrende Gehälter.

Viele Trainer gaben entnervt auf

Der ultrakonservative Rechtsradikalist redet seinen Trainern, die nur er ernennen darf, fortlaufend drein. Was heisst, er redet drein? Er befiehlt! Dem eben zum Triple-Gewinner gewordenen Constantin Galca ordnete er aus dem Gefängnis heraus an, wie er zu spielen habe. Als sich Galca weigerte, wurde er entlassen. Dessen Nachfolger Mirel Raduio hielt es sechs Monate unter Becali aus und gab nach endlosen Disputen entnervt auf, nachdem dieser wiederholt Trainer und Spieler niedergemacht hatte. «Er wird sich nie ändern», sagte Raduio unlängst. Zuvor hatte Bogdan Andone den Bettel schon viel früher hingeworfen, nach der Qualifikation für die dritte Quali-Runde in der Europa League. Kurz und knackig sagte dieser damals: «Ich lasse mich nicht für Entscheidungen kritisieren, die nicht ich gefällt habe. Denn hier macht der Chef alles …» Ein (absurdes) Beispiel: Becali ordnete an, dass ein eben von einer Knieoperation zurückgekommener Spieler eingesetzt werden müsse, obwohl der noch nicht mal im Teamtraining war. Ein aktuelles Beispiel: Frage eines rumänischen Journalisten an Giorgio Contini, ob es ein Vorteil sei für einen Coach, die Aufstellung schon am Vortag zu wissen, weil sie ja Becali mache und meistens sogar publik mache? Der YB-Coach: «Bei uns ist das nicht so. Da machen sie immer noch Trainer und Staff. Und wir geben sie erst am Matchtag bekannt. Ich sehe es aber nicht als Vorteil, weil beim FCSB ja kaum je dieselbe Mannschaft spielt. In den letzten vier Spielen war die Aufstellung nie die gleiche. Und es spielt auch mal der Sechser auf dem linken Flügel. Speziell.»  

Becali diktiert schon mal die Aufstellung in Interviews

Kleine Anekdote am Rande: Die erwähnten, von Becali geschassten Coaches besetzen mit ihren Klubs aktuell die drei ersten Positionen in der Super League. Der FCSB liegt mit elf Punkten gerade mal auf Platz elf, acht Punkte hinter dem letzten Playoff-berechtigenden Platz sechs. Und Becali wettert bereits nach dem erst zweiten Saisonsieg gegen Otelul Galati: «Sollten wir die Playoffs verpassen, wäre das eine Schande!» Und er gab Trainer Elias Charalambous bereits in einem Telefoninterview mit Digi Sport Special mit auf den Weg, wie der aufzustellen habe. Weil Becali mit der Leistung des 18-jährigen Mihai Toma nicht zufrieden war, ordnete er an, dass im nächsten Spiel der um ein Jahr jüngere Alexandru Stoian in der Startaufstellung zu stehen habe.

Der FCSB gewinnt zum Europa-League-Start in Holland!

Die Europa League hat der Autokrat als prestigeträchtig ausgemacht und will da die bestmögliche Mannschaft auf dem Feld sehen. Wie letzte Saison, als man sich als Elfter der Liga für die Playoffs qualifizierte, dort aber an PAOK Saloniki scheiterte. Der Start des FCSB ist auch diese Saison ganz im Gegensatz zu jenem von YB prima geglückt mit dem 1:0-Erfolg bei den Go Ahead Eagles Deventer aus der holländischen Eredivisie. Nur blöd, ist Stoian für die Europa League nicht gemeldet. Da wird Becali mit Garantie einen Schuldigen ausmachen. Der Coach ist mit seinem schlechten aktuellen Punkteschnitt von 0,91 höchst gefährdet …

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