Darum gehts
- Österreich plant Verschärfung des Waffenrechts nach Amoklauf in Graz
- Schweiz dient als Vergleich: Hohe Waffendichte wegen Miliz-Soldaten
- Seit 2007 gibt es allerdings Einschränkungen bei der Abgabe der Munition
Ein Amoklauf erschüttert Österreich: Ein 21-Jähriger erschoss im Juni an einer Schule in Graz zehn Menschen, bevor er sich selbst tötete. Jetzt will die Regierung in Wien das Waffenrecht verschärfen – unter anderem mit höheren Altersgrenzen und strengeren Tests. Bald sollen neue Gesetze vorgelegt werden.
In der seit Wochen hitzigen Debatte wird gerne ein Vergleich gezogen: mit der Schweiz. Besonders Gegnerinnen und Gegner schärferer Regeln führen unser Land ins Feld. Das Argument: In der Schweiz hätten sogar Milizsoldaten ihre Dienstwaffe zu Hause – und dennoch zähle das Land zu den sichersten der Welt. Laut Kritikern könnten Verschärfungen als Generalverdacht gegen unbescholtene Bürger interpretiert werden.
«Schauen Sie in die Schweiz, Frau Kollegin!»
Pointiert äussert sich besonders die Rechtspartei FPÖ. Als die Grünen-Abgeordnete und Ex-Justizministerin Alma Zadić (41) kürzlich in einer Parlamentsdebatte vor den Gefahren einer zu liberalen Waffenpolitik warnte und auf die USA verwies, rief der FPÖ-Abgeordnete Volker Reifenberger (46) plötzlich dazwischen: «Schauen Sie in die Schweiz, Frau Kollegin!»
Zadić liess sich nicht aus der Ruhe bringen. «Dort gibt es jede Woche das, was wir in Graz erleben mussten», sagte sie mit Blick nach Amerika weiter. Auch dazu ist von Reifenberger ein spitzer Zwischenruf protokolliert: «Die Schweiz ist das Problem in Europa, oder wie?» Die Grünen-Politikerin ging darauf nicht ein.
Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst (56) verwies im Parlament direkt auf die Schweiz. Das Land habe «weltweit die höchste legale Schusswaffendichte – da hat ja auch jeder Reservist sein Sturmgewehr zu Hause». Um dann anzufügen: «Totschlags-, Gewaltkriminalität mit Einsatz von Schusswaffen: eine der niedrigsten Raten auf der ganzen Welt.»
In Österreichs Öffentlichkeit stossen die Schweiz-Vergleiche auf Resonanz. In der reichweitenstarken «Kronen»-Zeitung war in einer Kolumne prominent zu lesen: «Das Land der Eidgenossen ist eines der am stärksten bewaffneten Länder der Welt.» Die Schweiz sei «aber auch eines der sichersten Länder der Welt».
Heisse Debatte um Munition in der Schweiz
Was dabei unerwähnt bleibt – ob bewusst oder nicht: das Kleingedruckte. In der Schweiz ist das Bild des bewaffneten Milizlers tief verwurzelt, ja. Aber: Die Soldaten können zwar ihr Sturmgewehr heimnehmen, nicht aber Munition. Seit 2007 ist es ihnen untersagt, die sogenannte Taschenmunition zu Hause aufzubewahren. Der Bund hatte die Verschärfung eingeführt, nachdem sich Suizide mit Armeewaffen gehäuft hatten.
Die Zahl der Suizide mit Armeewaffen ist messbar gesunken. So gesehen taugt die Schweiz nur bedingt als Vorbild für starke Bewaffnung. Und allgemein lässt sich sagen: Zwar sind auch in der Schweiz die Waffenregeln relativ liberal – aber nicht schrankenlos.
Allerdings gibt es auch hierzulande eine Diskussion: Bürgerliche Politiker und Militärverbände fordern aktuell, dass Soldaten wieder Munition zu Hause lagern dürfen. Angesichts der angespannten Sicherheitslage brauche es eine rasch mobilisierbare Armee, argumentierten sie gegenüber Blick. Kritiker warnen hingegen vor Rückschritten beim Suizidschutz. Waffen und Munition zusammen stellten daheim ein erhebliches Risiko dar.
Linke Politiker fordern, dass ehemalige Soldaten ihre persönliche Armeewaffe abgeben müssen, sofern sie diese seit über zehn Jahren nicht mehr im Schiesssport genutzt haben.