Hitler, Merkel, Rassentheorie
Die radikalen Facebook-Posts des Thurgauer AfD-Pfarrers

Ein Pfarrer verbreitete unter dem Namen seines Bruders auf Social Media völkisches Gedankengut. Er politisiert in Deutschland für die AfD und predigt hierzulande. Inzwischen wurde das Profil gelöscht.
Publiziert: 24.07.2025 um 14:29 Uhr
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Aktualisiert: 24.07.2025 um 15:55 Uhr
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Gottfried Spieth ist Pfarrer im Thurgau und Politiker für die AfD in Deutschland.
Foto: Gottfried Spieth

Darum gehts

  • Thurgauer Pfarrer politisiert für die AfD und verbreitet völkisches Gedankengut.
  • Spieth bestreitet die Vorwürfe, Expertin erkennt ein rechtsextremes Weltbild.
  • Der Pfarrer wird im Dezember, zwei Monate früher als geplant, pensioniert.
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Er predigt in der Schweiz – und politisiert für die AfD in Deutschland. Der Doppeljob des Thurgauer Pfarrers Gottfried Spieth (64) sorgte schon in den letzten Wochen für Aufregung. Da wurde öffentlich, dass Spieth im Juni 2024 ins Stadtparlament von Frankfurt an der Oder gewählt worden war – während er auch Pfarrer von Diessenhofen TG ist.

In der brandenburgischen Stadt an der Grenze zu Polen hat Spieth seinen Zweitwohnsitz. Die AfD ist dort mit 13 von 46 Sitzen die stärkste Kraft im Parlament. Zur «Thurgauer Zeitung» sagte der Pfarrer, er habe «mit Rechtsextremen nichts am Hut».

Kirchgemeinde nicht erfreut

Nicht erfreut über Spieths politisches Engagement ist die Diessenhofer Kirchenpräsidentin Jael Mascherin. «Wir stehen gar nicht dahinter», sagte sie gegenüber der «Thurgauer Zeitung». Die AfD werde in Deutschland als teils rechtsextrem und antisemitisch eingestuft. «Das sind keine Werte, welche die Kirche vertritt.»

Spieths Doppelrolle sei jedoch nicht verboten. Der Kirchenspitze seien die Hände gebunden. Spieth sei zudem ein guter Pfarrer. «Wir schätzen ihn, denn auf der Kanzel predigt er keine politischen Haltungen.»

Hitler, Merkel und Rassentheorien

Nun zeigt aber eine Recherche der «Schaffhauser AZ», dass der Pfarrer auf Social Media wilde Theorien verbreitete – inzwischen ist das entsprechende Profil gelöscht. Auch Blick konnte Screenshots der Posts einsehen.

Der Pfarrer traute sich offenbar nicht, die Texte unter seinem eigenen Namen zu veröffentlichen, sondern tat es unter dem Namen «Spieth Gottfried Gerhard». Gerhard war sein Bruder, der längst verstorben ist. Dass er hinter dem Profil steht, gab der Pfarrer gegenüber der «AZ» zu. Und die Texte haben es in sich.

«Das dritte Reich war eine komplexe Mischung und lässt sich nicht in seiner ganzen Breite auf einen kriminellen Nenner bringen (…)», heisst es einmal. In einem anderen Post wird infrage gestellt, ob die Verwendung des Worts «Massenmord» angebracht ist: «Die Alliierten konnten es sich im WK II (2. Weltkrieg, Anm. d. Red.) leisten, das dritte Reich mit solchen Maximalbegriffen zu brandmarken, weil sie aus der Position überlegener Stärke handeln konnten.»

Zur Ernennung von Adolf Hitler als Reichskanzler im Jahr 1933 schrieb der Gottesdiener: «Das war demokratischer Pragmatismus.» Die Soldaten der nationalsozialistischen Wehrmacht, die in der Schlacht um Stalingrad zwischen 1942 und 1943 kämpften, seien «überzivilisiert und verweichlicht» gewesen.

Expertin erkennt «rechtsextremes Weltbild»

Und dann beschäftigt sich der Pfarrer mit Genetik. So sei die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel (71) schlecht für den «Gen-Pool» der Deutschen gewesen – eine Anspielung auf die Anzahl aufgenommener geflüchteter Personen in Deutschland. Zum Erfolg der deutschen Männerfussballnationalmannschaft schrieb er: «Ethnobiologen und Rassenkundler werden hier noch bessere Antworten finden als ich. Anscheinend ist aber ein gewisser Gen-Mix sogar produktiv.»

Die österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl (40) hat die Posts des Diessenhofer Pfarrers ebenfalls angeschaut. Sie kommt gegenüber der «AZ» zum Schluss: «Gottfried Spieth erfüllt so ziemlich alle Kriterien eines gefestigten rechtsextremen Weltbildes.»

Pensionierung steht an

Die «AZ» hat Spieth mit den Texten und Vorwürfen konfrontiert. Rassismus, Antisemitismus oder rechtsextremes Gedankengut könne er darin aber nicht erkennen, sagte der Pfarrer. Die Facebook-Beiträge seien nicht «Meinungsabgaben im engeren Sinne», sondern «Blitzlichter und assoziative Verlautbarungen, mit denen ich die Grenzen des bürgerlich Sagbaren ausloten wollte».

Bald dürfte die der Kirche wohl eher unangenehme Personalie ausgesessen sein: Spieth wird im Dezember pensioniert – zwei Monate früher als geplant. Das habe man ihm so nahegelegt, heisst es bei der Kirche.

Er selbst sagte gegenüber dem SRF, dass sich seine zwei Ämter längerfristig nicht gut miteinander hätten vereinbaren lassen, gerade in Diessenhofen: «Da ist einfach die Gemeinde zu vielfältig, zu bunt.»

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