Darum gehts
- Trumps unberechenbare Politik bringt den Berner Politikbetrieb ins Wanken
- Schweizer Diplomatie und Stabilität treffen auf Trumps konfrontative Bulldozerpolitik
- Das Parlament kommt deswegen gleich mehrfach an Grenzen
Die Worte wirken zunächst harmlos. Sie beschreiben das Offensichtliche, verpackt in diplomatische Watte. Doch sie stammen vom Bundesrat. Und genau das macht sie so bemerkenswert: Ein Satz – und der Hintergrund, vor dem er gefallen ist – verrät viel darüber, wie US-Präsident Donald Trump (79) den Berner Politikbetrieb ins Wanken gebracht hat.
Die Politik der USA sei «derzeit durch eine gewisse Unberechenbarkeit geprägt», schreibt der Bundesrat in seiner Antwort auf einen Vorstoss. Und weiter: Das erschwere «konkrete Vorhersagen über künftige handelspolitische Schritte zusätzlich».
«Gewisse Unberechenbarkeit»? Das ist Diplomatendeutsch für: Es herrscht Willkür pur! So deutlich hat der Bundesrat das bisher kaum angesprochen. «Noch direkter dürfte man die USA kaum als schwierigen Partner abstempeln», sagt ein Berner Topbeamter. Drei Erkenntnisse dazu.
Trumps Bulldozer überrollt Bern
Dass in Bern offiziell das Wort «Unberechenbarkeit» verlautet wird, dokumentiert eindrücklich die Abkehr vom üblichen staatlichen Miteinander. Trumps Bulldozerpolitik trifft auf die kleine Schweiz, deren System auf Stabilität und Konsens basiert. Zwar setzten die USA schon früher auf Powerplay in Verhandlungen – immerhin aber in einem klar abgesteckten Rahmen.
Normalerweise schaffen Verträge und multilaterale Regeln Verlässlichkeit, Verhandlungen folgen klaren Abläufen. Gerade kleine Staaten sind darauf angewiesen. Mit Trump aber bricht dieses Fundament weg – statt auf Kooperation und Diplomatie setzt er auf Konfrontation und Machtspiele. Es gilt das Recht des Stärkeren.
Trumps Tempo überfordert
Das Wort «Unberechenbarkeit» fällt in der Stellungnahme zu einer Anfrage der Grünen-Nationalrätin Delphine Klopfenstein Broggini (49, GE). Der Vorstoss an sich wäre kaum der Rede wert. Eingereicht wurde er im Mai, beantwortet hat ihn der Bundesrat nun über drei Monate später. Inzwischen hat der 39-Prozent-Zollhammer auf die Schweiz eingeschlagen, nach einer Serie irrer Wendungen in Trumps Handelspolitik.
Klopfenstein Broggini wollte nur wissen, was Trumps Drohung von 100-Prozent-Zöllen auf ausländische Filme für die Schweizer Branche bedeuten würde. Megazölle auf Filme? Genau, da war mal was. Im Mai sorgte Trumps Ansage für Aufruhr. Umgesetzt wurde sie nie – und im Zollstreit spielt die Filmwirtschaft ohnehin keine Rolle.
Dass bis zur Beantwortung eines Vorstosses mehrere Monate vergehen, ist völlig normal. Doch im Trump-Zeitalter ist das eine Ewigkeit. Eine echte Herausforderung für das Schweizer Milizparlament: Es kommt im Plenum nur ein paar Mal im Jahr zusammen, seine Prozesse sind bis ins Kleinste austariert. Mit Trumps Tempo Schritt halten: schwierig.
Trump macht das Parlament noch machtloser
Ohnehin hat in der Aussenpolitik der Bundesrat das Heft in der Hand: Dem Parlament bleibt die Rolle des kritischen Zuschauers – es nickt Verhandlungsmandate ab und versucht, mit Fragen dazwischenzufunken.
Aber auch diese Arbeit ist nur für die Galerie, wenn Trump mit einem Federstrich wegwischen kann, was zuvor auf Basis eines Mandats ausgehandelt worden ist – und wenn Anfragen bald von der nächsten Laune überholt werden.
Öffentlich überschlugen sich Parlamentarier mit Ideen und Forderungen, wie man auf den Zollhammer reagieren müsse. Überparteiliche Absprachen gab es kaum. Anstatt eine gemeinsame Linie zu finden, produzierten sie bisher vor allem: Kakofonie.