Darum gehts
- US-Zölle belasten Schweizer Exportindustrie, Bundesrat sucht nach Lösung
- Exportberatung für Schweizer Firmen wird aktuell stark nachgefragt
- 950 Anfragen seit März, fast ein Drittel nach dem 1. August
US-Präsident Donald Trump (79) bringt die Schweizer Exportindustrie in Aufruhr. Seit dem 1. August gelten für viele Branchen happige Zölle, wenn sie ihre Produkte in die USA liefern möchten.
Der Bundesrat und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) um Chefin Helene Budliger Artieda (60) suchen hinter den Kulissen weiter nach einem Deal. Sowohl beim Bund als auch den Unternehmen regiert die Ungewissheit: Wie soll die Wirtschaft mit dem Zollschock umgehen? Zahlen zeigen: Die Exportberatung für Schweizer Firmen wird aktuell überrannt.
Die Exportberatung ist heiss begehrt
Für die Betreuung der Ausfuhr hat der Bund das Unternehmen Switzerland Global Enterprise (S-GE) beauftragt. Während sich die grossen Firmen selbst umorganisieren und etwa bereits Produktionsverlagerungen planen, lassen besonders die KMU nach Trumps «Liberation Day» im April die Leitungen der Wirtschaftsberatung heisslaufen: Seit Ende März hat die S-GE bereits 950 Anfragen bezüglich des Exports in die USA erhalten – mehr als zweieinhalbmal so viele wie im Vorjahr. Fast ein Drittel davon traf nach dem 1. August ein.
«Der Informationsbedarf ist riesig», sagt Alfonso Orlando (48), Direktor von ExportHelp der S-GE. Sein Team beschäftigt sich seit dem Zollschock vor allem mit dem US-Markt sowie den Executive Orders und Proclamations von Präsident Trump.
«Wir mussten zwar dafür andere Themen etwas in den Hintergrund rücken und sind auch täglich länger dran», so Orlando. «Aber wir können es bisher gut stemmen. Das kann sich aber auch noch ändern.» Einen Informationsvorsprung habe man aber gegenüber den Unternehmen nicht. «Es wäre schön, aber wir erfahren alles zeitgleich.»
Wie gross ist der Handlungsspielraum?
Die Kernfrage liegt dabei auf der Hand: Wie viel Handlungsspielraum gibt es? «Wir werden oft gefragt, ob es beispielsweise eine Möglichkeit gebe, die Produkte neu über die EU oder Liechtenstein in die USA zu exportieren.» Denn der europäische Staatenbund und das Fürstentum profitieren von tieferen Zollsätzen als die Schweiz.
So einfach ist das aber nicht: «Es braucht im angegebenen Herkunftsland eine wesentliche Verarbeitung des Produkts», so Orlando. Die Ware neu zu verpacken oder die Veredelung auszulagern, reiche nicht. «Zudem haben die USA ihre eigenen Herkunftsregelungen – und schauen auch nur auf diese.»
Das heisst: Die Unternehmen müssen die bittere Pille schlucken. Der Zollhammer schmälert ihre Wettbewerbsfähigkeit – und erhöht den Arbeitsaufwand. «Die US-Zollbehörden verlangen wegen der verschiedenen Zolltarife deutlich mehr Angaben.»
Ein E-Bike ist plötzlich um die Hälfte teurer
Orlando veranschaulicht die neuen Bestimmungen für Blick an einem Beispiel. Eine in der Schweiz hergestellte Waschmaschine hätte vor dem August an der US-Grenze lediglich einen Zoll von 1,4 Prozent kassiert. Denn als eine der «Most Favoured Nations» (meistbegünstigte Nationen) profitierte die Schweiz von tiefen Zolltarifen. Bei einem Warenpreis von 1000 Franken wären also nur 14 Franken angefallen.
Mittlerweile ist es das Dreissigfache. Während ein Teil des Produkts dem 39-Prozent-Zusatz untersteht, werden für den Stahl in der Maschine gar Strafzölle von 50 Prozent fällig. Bei 40 Prozent Stahlanteil werden so aus 1000 plötzlich 1448 Franken.
Auch Schweizer E-Bikes sind auf dem US-Markt fast um die Hälfte teurer geworden. Bei einem Produktpreis von 3000 Franken und einem Stahl- und Aluminiumanteil von 30 Prozent fallen beim Import nun happige 1269 Franken an. «Vor dem 1. August war die Einfuhr noch zollfrei», merkt Orlando an.
Hoffen auf den Deal
Zumindest die Strafzölle auf Stahl und Aluminium treffen die meisten anderen Exportstaaten genauso. Dennoch: «Mit 39 Prozent ist die Schweizer Industrie nicht mehr konkurrenzfähig», sagt Orlando. «Der Unterschied zu den 15 Prozent der EU spüren die Unternehmen, und das tut weh.»
Seit dem 18. August, als die US-Regierung noch einmal 407 weitere Produkte auf die Zollliste nahm, habe sich immerhin nichts mehr geändert. Ob es in Zukunft so bleibt, weiss auch die S-GE nicht. «Die Situation ist aktuell unberechenbar», sagt Orlando. Mit dem Seco pflege man einen engen Austausch. «Wir können nur hoffen, dass es doch noch zu einem Deal kommt.»