Darum gehts
Wenn sich Donald Trump (79) und Wladimir Putin (72) am Freitag in Alaska treffen, könnte es eine grosse Überraschung geben. Denn die Zusammensetzung der russischen Delegation deutet darauf hin, dass der Kreml-Herrscher noch ganz andere Traktanden als die Ukraine auf die Liste setzen will.
Der frühere KGB-Agent hat es bisher gut verstanden, den US-Präsidenten einzulullen und hinzuhalten. Erste Hinweise zeigen: Putin hat auch dieses Mal den Köder für Trump schon gelegt. Es geht um Rohstoffe, Geld – und einen grossen Deal.
Der kurzfristig anberaumte Gipfel mit dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten findet am Freitag auf dem Luftwaffenstützpunkt Elmendorf-Richardson im US-Bundesstaat Alaska statt. Die Erwartungen sind hoch: Noch nie stand man einem Waffenstillstand in der Ukraine so nahe wie jetzt. Mit der Abtretung von eroberten Gebieten wäre der Preis für die Ukraine allerdings hoch.
Dass es nur schon zu einem Gipfel kommt, ist für Putin ein grosser Sieg: Der isolierte Staatspräsident, den der Internationale Strafgerichtshof zur Verhaftung ausgeschrieben hat, wird vom mächtigsten Mann der Welt eingeladen. Europäische Schwergewichte wie der deutsche Kanzler, der britische Premier oder der französische Präsident werden in Nebenrollen gedrängt. Selbst der am meisten betroffene Staatspräsident, Wolodimir Selenski (47), bekommt lediglich eine Abnickrolle zugeteilt.
Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Analysten gehen davon aus, dass Putin den Gipfel angeregt hat, um ganz andere Ziele als eine Ukraine-Lösung anzupeilen. So glaubt Matthew Chance, CNN-Chefkorrespondent für globale Angelegenheiten, dass Putin die Beziehungen zu Washington losgelöst von der Ukraine «grundlegend neu gestalten» und eine wirtschaftliche Zusammenarbeit anstreben will. Dafür spricht die Zusammensetzung der russischen Delegation, zu der Finanzminister Anton Siluanow (62) und der oberste Wirtschaftsgesandte Kirill Dmitriew (50) gehören.
Ulrich Schmid, Russland-Experte an der Universität St. Gallen, meint: «Dass Dmitriev mitreist, ist ein wichtiges Zeichen. Er ist Direktor des grossen russischen Anlagefonds und an einer russisch-amerikanischen Wirtschaftskooperation interessiert.» Schmid bezeichnet ihn, der in den USA studiert hat, als das «freundliche Gesicht» des Putin-Regimes.
Schon im Interview von TV-Moderator Tucker Carlson (56) mit Trumps Sondergesandtem Steve Witkoff (68) im März tauchte das Thema einer russisch-amerikanischen Wirtschaftskooperation auf. «Mit glänzenden Augen sprach Witkoff darüber, dass Russland und die USA die globale Energieversorgung sicherstellen könnten», sagt Schmid.
Eine Zusammenarbeit dürfte Putin zudem in der Technologie, in der Eroberung des Weltalls sowie in der Erschliessung und Ausbeutung der Arktis anstreben. Die Arktis ist reich an Erdöl, Erdgas, Mineralien und seltenen Erden. Mit einer Kooperation könnten die beiden den Einfluss anderer Konkurrenten wie China schwächen. Zudem würde eine gemeinsame Nutzung und Absicherung von strategisch wichtigen Routen kürzere Seewege bedeuten. Weiter stellte Putin einen möglichen Atomdeal in Aussicht.
Wird die Ukraine zum Nebenthema?
Mit einer Zusammenarbeitsoffensive dürfte Putin auch ein weiteres Ziel verfolgen. Philipp Adorf, USA-Experte an der Universität Bonn, sagt: «Putin zielt darauf ab, einen Keil in die westliche Allianz zu treiben. In seinem Bestreben, die Nato zu schwächen und insbesondere Osteuropa als russische Einflusssphäre zu sichern, sieht er in Trump einen empfänglichen Gesprächspartner.»
Um Trump als Partner zu gewinnen, muss Putin laut Adorf allerdings einige Hürden überwinden. Es brauche eine Abkehr Russlands vom amerikanischen Erzfeind China, zudem müsse Putin wirklich attraktive Perspektiven bieten können.
Doch Putin hat es, wie erwähnt, bisher gut verstanden, Trump bei Laune zu halten und für sich zu gewinnen. Das kann auch in Alaska wieder der Fall sein. CNN-Analyst Chance befürchtet: «Wenn sich Putin auf dem Gipfel durchsetzt, könnte die Ukraine-Frage zu einem von vielen Gesprächsthemen werden – und nicht einmal mehr zum dringlichsten.»