Darum gehts
Die Show war bizarr, mit der US-Präsident Donald Trump (79) diese Woche im ägyptischen Sharm el-Sheikh den «ewigen Frieden» im Nahen Osten feierte. Während er mit den Machthabern von Ägypten, Katar und der Türkei den Deal zwischen Israel und der Hamas unterzeichnete, mussten die Europäer am Katzentisch Platz nehmen.
Interessant ist, wer ganz fehlte: Israels Premier Benjamin Netanyahu (75) blieb fern – eine Annäherung an arabische Herrscher hätte seine rechtsgerichtete Koalition gesprengt. Auch der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (41) und der Emirate-Präsident Muhammad bin Zayid al-Nahyan(64) liessen sich nicht blicken. Beide sind Schlüsselspieler im Machtpoker um Gazas Zukunft.
Ägypten braucht die Saudis und die Emirate
In der arabisch-islamischen Welt klaffen nach dem Gazakrieg die Interessen weit auseinander: Katar und die Türkei stützen die Hamas als Instrument islamischer Solidarität, während Ägypten, Saudi-Arabien und die Emirate deren Entmachtung wollen, aus Angst vor dem politischen Islam. «Die grosse Frage ist, ob Saudi-Arabien und die Emirate Ägypten politisch und finanziell unterstützen werden, um die Hamas kleinzuhalten», sagt Ghaith al-Omari vom Washington Institute. Der Palästinenser war früher Berater und Unterhändler für Mahmud Abbas (89), Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA).
Dass die Terrorgruppe nicht einfach verschwindet, zeigte sie diese Woche: In Gaza liess die Hamas mutmassliche Kollaborateure hinrichten. «Je länger wir mit einer Alternative warten, desto schwieriger wird es, sie zu beseitigen», warnt al-Omari. «Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.»
Geht es nach Trumps 20-Punkte-Plan, sollen multiarabische Streitkräfte das entstandene Machtvakuum in Gaza vorübergehend füllen und eine Technokratenregierung unter internationaler Aufsicht eingesetzt werden. Im Westjordanland bringt sich gleichzeitig die von der Regierungspartei Fatah geführte PA von Abbas in Stellung, um mittelfristig zu übernehmen.
Keine «Märtyrerrente» mehr
Die PA stellte vorsorglich die umstrittene «Märtyrerrente» ein – Zahlungen an Terroristen oder deren Familien bei Tod, Verwundung oder Gefangenschaft. Doch solche symbolischen Gesten genügen nicht. Die Behörde gilt als undemokratisch, korrupt und führungsschwach. Präsident Abbas wurde einst für vier Jahre gewählt und feiert 2025 sein 20-Jahr-Jubiläum im Amt, ohne dass er sich je wieder einer Volkswahl gestellt hat.
Den Rückhalt der Palästinenser hat die PA längst verloren. Stattdessen hat ausgerechnet die Hamas in den letzten zwei Jahren in der Westbank massiv an Zuspruch gewonnen, während sie im zerstörten Gaza in der Zivilbevölkerung kaum noch Fürsprecher hat.
Al-Omari sagt, die Menschen im Westjordanland unterstützten die Hamas aus Wut auf die kriminelle Palästinenser-Regierung. «Sie sehen die politische Botschaft der Hamas, haben das Leid, das durch sie entsteht, aber nicht am eigenen Leib erfahren.» Der Nahost-Experte ist überzeugt: Das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen kann die Autonomiebehörde nur mit neuem Personal und einer umfassenden Reform.
Zumindest teilweise scheint das auch Langzeitpräsident Abbas erkannt zu haben.
Amnestie für innerparteiliche Gegner
Unter arabischem Druck bot Abbas zuletzt seinen innerparteilichen Gegnern Amnestie an – darunter Nasser al-Kidwa (72), Neffe des legendären Jassir Arafat. Al-Kidwa, einst Aussenminister und Uno-Botschafter, kehrte vor ein paar Tagen nach vier Jahren Exil in Frankreich zurück und forderte eine «ernsthafte Auseinandersetzung mit der Korruption».
Gemeinsam mit Israels Ex-Premier Ehud Olmert (80) hatte er schon zuvor einen Friedensplan auf Basis einer Zweistaatenlösung vorgelegt. Nun soll er wieder eine wichtige Rolle in Ramallah spielen. Olmert lobt die Rückkehr al-Kidwas im Gespräch mit Blick als «wichtiges Signal».
Ehud Olmert, ein erbitterter Netanyahu-Gegner, wirft Israel Kriegsverbrechen in Gaza und der Westbank vor. Das nun geschlossene Abkommen, sagt er, hätte schon vor anderthalb Jahren möglich sein können – «erst Trump zwang Netanyahu zum Einlenken». Vom «ewigen Frieden», den der US-Präsident propagiert, könne dennoch keine Rede sein. «Das ist kein Friede, sondern nur das Ende eines Krieges», sagt Olmert. Echten Frieden gebe es nur mit zwei Staaten – und anhaltendem Druck aus dem Weissen Haus.
«Schweizer Dienste weltweit anerkannt»
Aber nicht nur. Olmert sagt, dass sich auch Europa stark einbringen müsse. Und er kritisiert die zurückhaltende Rolle der Eidgenossenschaft: «Die Schweiz kann und sollte sich aktiver für eine politische Lösung einsetzen», sagt der israelische Ex-Premier. Ihre Guten Dienste seien «weltweit anerkannt», so Olmert. «Ich wäre mehr als glücklich, wenn al-Kidwa und ich unseren Plan für eine Zwei-Staaten-Lösung bei Aussenminister Cassis vorstellen könnten.»
Auch Ghaith al-Omari glaubt an die Zweistaatenlösung – aber nicht mit Netanyahu und Abbas an der Macht. Trotzdem rät er der Palästinensischen Autonomiebehörde, sich so aufzustellen, als stünde die Ausrufung von Palästina kurz bevor. «Bei Frieden geht es nicht nur um Diplomatie», sagt Al-Omari, «sondern um Realität.»
Nur wenn die Palästinenser funktionierende Institutionen aufbauen, die Stabilität und Sicherheit garantieren können, würden die Israeli einem Staat nicht mehr ausweichen können. Und damit in einen «ewigen Frieden» einwilligen.