Sie alle wollen die Hamas beerben
Diese fünf Parteien kämpfen in Gaza um die Macht

Geröll, Gewalt und Gebrechen: Gaza liegt darnieder. Das wollen verschiedene Parteien ändern und den Küstenstreifen in eine neue Zukunft führen. Ihre Ideen für den Gazastreifen könnten weiter kaum auseinanderliegen. Der Machtkampf um das Reich der Ruinen tobt.
Publiziert: 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 17:54 Uhr
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Die Hamas macht keine Anstalten, die Macht in Gaza freiwillig abzugeben.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Chaos herrscht in Gaza nach Kriegsende. Rückkehr zur Vorkriegsrealität nicht absehbar
  • Fünf Gruppierungen konkurrieren um die Macht im Gazastreifen
  • Wiederaufbau des Ruinenreichs wird auf mindestens 53 Milliarden Dollar geschätzt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Wenige Tage nach dem Ende des Gazakrieges regiert das Chaos im Reich der Ruinen. Hunderttausende Menschen kehren zurück in ihre zerstörte Heimat. Verzweifelte suchen unter den Trümmern nach den noch immer rund 10'000 Vermissten. 

Derweil exekutiert die Hamas vor den Augen von Hunderten Zuschauern (inklusive Kinder) mutmassliche Israel-Kollaborateure. Das zeigt: Der Machtkampf über den Küstenstreifen ist entfacht. Fünf Gruppierungen gibt es, die Gaza regieren wollen. Ihre Ideen könnten weiter nicht auseinanderliegen.

1

Die Hamas

Was sie will: Seit 2007 ist die Terrororganisation in Gaza an der Macht – und will das auch bleiben. Matthew Levitt, Professor am Washingtoner Institut für Nahost-Politik, schreibt in einer Analyse, die Hamas werde «bis zum letzten Mann dafür kämpfen, die politische und militärische Macht in Gaza» zu halten. Insbesondere jetzt, wo wieder internationale Hilfe fliesst, die man in die eigenen Taschen umleiten kann.

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Der kaputtgebombte Küstenstreifen erlebt derzeit einen Machtkampf.
Foto: IMAGO/Anadolu Agency

Was für sie spricht: Wenig bis nichts. Interimistisch übernimmt die Hamas die Aufgabe, in Gaza für Ruhe und Stabilität zu sorgen. Kritische Stimmen über die korrupte Verwaltung werden aber immer lauter.

Was gegen sie spricht: Fast alles. Die USA wollen die Terroristen von der Macht weghaben. Trump will den Kämpfern, die aufgeben, Amnestie gewähren.

2

Die Palästinensische Autonomiebehörde

Was sie will: Die PA, die im Westjordanland seit Jahrzehnten an der Macht sitzt, möchte auch in Gaza übernehmen und als Dachorganisation die Vereinigung der Gebiete zu einem Palästinenserstaat vorantreiben.

Was für sie spricht: Die Autonomiebehörde ist international gut vernetzt. Heute schon ist sie für die Wasserversorgung und die Kanalisationsanlagen in Gaza zuständig. Sie zeigt sich reformbereit und willens, den auf 53 Milliarden Dollar geschätzten Wiederaufbau zu koordinieren.

Was gegen sie spricht: Die PA ist nicht eben ein Leuchtturm der Demokratie. Die letzten Wahlen im Westjordanland liegen 19 Jahre zurück! PA-Chef Mahmud Abbas (er ist 89!) findet immer wieder neue Ausreden, Neuwahlen zu verschieben.

3

Israel

Was es will: Israels Rechtsparteien liebäugeln damit, die 2,1 Millionen Palästinenser aus Gaza zu vertreiben. Gaza gehöre «untrennbar» zu Israel, liess Finanzminister Bezalel Smotrich (45) verlauten. Er liess Baupläne erstellen, die die Errichtung von Tausenden Wohnblöcken für israelische Siedler in Gaza vorsehen. Premierminister Benjamin Netanyahu (75) geht auf Distanz zu diesen extremen Plänen, betont aber, dass er keinen selbstverwalteten Palästinenserstaat will.

Was für es spricht: Israel hätte – falls der politische Wille dazu existierte – gute Ressourcen, beim Wiederaufbau mitzuhelfen.

Was gegen es spricht: Nach über 60'000 Toten ist die Verachtung der Gaza-Bewohner für die israelischen Besatzer riesig. Eine israelische Verwaltung würde als Unterdrückung wahrgenommen.

4

Donald Trump

Was er will: Von seinen Plänen einer «Gaza Riviera» mit Luxusanlagen scheint Trump abgerückt zu sein. In seinem 20-Punkte-Plan macht er dennoch keinen Hehl daraus, dass er Gaza am liebsten gleich selbst regieren würde. Trump will sich als Chef des Friedensgremiums einsetzen, das über die zukünftige Verwaltung Gazas entscheidet. 

Was für ihn spricht: Zyniker sagen: Wer sonst als Ex-Tycoon Donald Trump kann aus den Ruinen wieder eine blühende Destination machen? Was die rein baulogistischen Aspekte anbelangt, könnten sie recht haben.

Was gegen ihn spricht: Auch ein US-Präsident als oberster Lenker würde von der Gaza-Bevölkerung als Unterdrücker angesehen und nicht akzeptiert werden.

5

Arabische Clans

Was sie wollen: Rund 80 Prozent der Bevölkerung in Gaza stammt nicht aus dem Gebiet selbst, sondern wurde nach Israels Staatsgründung 1948 zwangsweise in den Küstenstreifen umgesiedelt. Viele dieser Entwurzelten organisierten sich in Clans, um überhaupt überleben zu können. Berühmtheit erlangte etwa der Doghmush-Clan in Gaza-Stadt, mit dessen Vertretern sich die Hamas seit 2008 blutige Gefechte liefert. Die Clans wollen ihren lokalen Einfluss behalten, aber nicht ganz Gaza regieren. Sie hoffen auf für sie günstige Arrangements mit der neuen Verwaltung, wer auch immer das sein wird. 

Fazit: Wer auch immer in Gaza das Sagen haben wird, hat einen Monster-Job vor sich. Millionen traumatisierte Menschen, Milliarden an nötigen Investitionen, tiefe gesellschaftliche Spaltung. Rosig wird die Zukunft noch lange nicht.

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