Darum gehts
- Preiskampf beim Frischfleisch in der Schweiz seit einem Jahr
- Lidl führt Preisvergleich an, gefolgt von Coop und Aldi
- Bio-Fleisch ist 50 bis 100 Prozent teurer als Billig-Fleisch
Seit einem Jahr tobt in der Schweiz eine Preisschlacht ums billigste Pouletbrüstli, Schweinskotelett oder Rindsgehacktes. Aldi überraschte die Branche Anfang September 2024 mit purzelnden Preisen beim Frischfleisch. Die Antwort der Konkurrenz folgte postwendend: Denner senkte bloss wenige Tage später ebenfalls die Fleischpreise. Auch Lidl zog nach. Selbst die zwei Platzhirsche Coop und Migros fühlten sich zu einer Reaktion gezwungen.
Die Konsequenz: Billig-Fleisch ist seither nochmals spürbar günstiger geworden. Die Detailhändler befeuern den Preiskampf beim Frischfleisch mit neuen Aktionen oder dauerhaften Vergünstigungen. Wer aber hat zurzeit wirklich die Tiefpreis-Krone auf? Blick hat die tiefsten Preise (ohne temporäre Rabatte) von Aldi, Coop, Denner, Lidl und Migros verglichen.
Wer hat aktuell die tiefsten Fleischpreise?
Das Preisvergleich-Rennen ist unglaublich eng. Über alle Frischfleisch-Preise gesehen schneidet Lidl am besten ab. Etwas überraschend landet Coop auf dem zweiten Platz – vor Aldi, dem zweiten Discounter mit deutschen Wurzeln. Die drei Supermarkt-Betreiber auf den Podestplätzen liegen mit ihren Preisen innerhalb von nur 40 Rappen. Die beiden Vertreter aus dem Universum des orangen Riesen belegen die hinteren Plätze. Und hier gibt es die zweite Überraschung: Der Discounter Denner verliert das Migros-interne Duell der eigentlich teureren Mutter.
Was zudem auffällt: Die Detailhändler schauen sich die Preise gegenseitig ab – insbesondere bei Fleischklassikern. Dort ist es besonders wichtig, konkurrenzfähig zu sein. So haben beim mageren Schweinskotelett vier von fünf Detailhändler den exakt gleichen Preis pro 100 Gramm. Das Gleiche gilt beim beliebten Rindsgehacktes. Generell tauchen oft die gleichen Preise auf. Dabei scheinen sich insbesondere Aldi und Lidl gegenseitig zu beäugen. Nur in zwei Fällen gibt es einen preislichen Unterschied zwischen den beiden Discountern. Auch Coop und die Migros orientieren sich oft am Tiefstpreis des jeweils anderen.
In den Preisvergleich sind total 17 gängige Fleischsorten eingeflossen, die alle fünf überprüften Detailhändler im Angebot haben. Stichtag war am Donnerstag. Weil die Preise bei Frischfleisch sehr oft ändern, kann es bereits jetzt schon Abweichungen geben.
Welche Folgen hat die Preisschlacht beim Billig-Fleisch?
Das günstigere Angebot im Tiefpreissortiment hat sich auf unser Einkaufsverhalten ausgewirkt. Wir greifen im Kühlregal häufiger beim Billig-Fleisch zu, wie der Blick bereits Mitte Februar berichtet hat. Das teurere Label-Fleisch bleibt dagegen häufiger zurück, weil dort die Preise weitgehend stabil geblieben sind. Aktuell ist Bio-Fleisch gemäss des Preisvergleichs von Blick zwischen 50 bis 100 Prozent teurer. In gewissen Fällen ist der Preis sogar mehr als doppelt so hoch. Ein besonders frappantes Beispiel bei Coop und Migros: Beide bieten die Billig-Pouletbrust für 1.50 Franken pro 100 Gramm an, die gleiche Menge Pouletbrüstli mit Bio-Label kostet dagegen 5.60 Franken.
Die hohen Preisunterschiede kommen beim Verein Faire Märkte Schweiz (FMS) nicht gut an. «Nicht die Kundschaft ist schuld am Griff zum Billigfleisch, sondern der Handel», sagte Präsident Stefan Flückiger (64) im Februar zu Blick. Bei einer derart grossen Preisdifferenz sei es nur logisch, dass die preissensible Kundschaft zu den günstigeren Produkten wechsle. Der Detailhandel nannte zusätzliche Kosten bei Bio-Fleisch als Grund für den hohen Unterschied beim Preis.
Kritisch beäugte man die Preisschlacht auch in der Landwirtschaft. Die Bauern befürchteten, dass die mächtigen Detailhändler die tieferen Fleischpreise auf sie abwälzen würden – obwohl Aldi, Migros und Co. dies stets verneinten und betonten, für die Preisabschläge selber aufzukommen. Offenbar ist das auch nicht passiert – im Gegenteil, wie Faire Märkte Schweiz auf Anfrage mitteilt. «Die Entwicklung der Produzentenpreise gestaltet sich seit mehreren Wochen erfreulich. Bei allen Fleischkategorien liegen die Produzentenpreise über denjenigen vom Vorjahr», sagt Flückiger. Der Grund: Die Nachfrage sei relativ gut, während das Angebot eher knapp sei. Entsprechend sieht der FMS-Präsident «derzeit keinen gravierenden Handlungsbedarf».
Warum sind tiefe Fleischpreise für die Detailhändler wichtig?
Die vergleichsweise hohe Teuerung in den letzten Jahren hat ihre Spuren hinterlassen. Weil vieles teurer geworden ist, sind die Kundinnen und Kunden preissensibler geworden. Fleisch gilt als Paradebeispiel für Produkte, die Schweizerinnen und Schweizer besonders oft im grenznahen Ausland einkaufen. Etwa in Deutschland ist Fleisch nochmals deutlich billiger. Mit tieferen Fleischpreisen wollen die hiesigen Detailhändler ihre Kundinnen und Kunden vom Shopping-Trip ennet der Grenze abhalten – zumal der Fleischkonsum seit Jahren rückläufig ist. 2024 ist der Fleischverzehr erstmals unter die Schwelle von 50 Kilogramm pro Person gefallen. Der Rückgang im Konsum war in den letzten 10 Jahren aber tiefer als das Bevölkerungswachstum. Heisst: Die Gesamtnachfrage nach Fleisch ist seither gestiegen.
Da ist es als Detailhändler sinnvoll, mit tiefen Preisen punkten zu können. Zumal Fleisch laut verschiedenen Studien sogenannte Verbundeffekte aufweist. Das bedeutet: Ein Fleisch-Kunde kauft auch noch andere Produkte im Laden. Zum Schweinsgschnätzleten landen auch noch eine Packung Nüdeli, etwas Gemüse und vielleicht ein passender Rotwein im Einkaufswägeli. Oder wie es ein Branchenkenner einst gegenüber Blick ausdrückte: «Fleisch-Käufer sind wertvolle Kunden.»
Was sagen die Detailhändler?
Die Preisoffensive von Aldi im letzten Herbst hat neuen Schwung in den Schweizer Fleischmarkt gebracht – und die Preise nach unten gedrückt. Damit ist auch der Wettbewerb härter geworden. Entsprechend beschreiben die Detailhändler den Markt auf Anfrage von Blick allesamt als sehr dynamisch. Preisänderungen kommen derzeit sehr häufig vor – teilweise nach oben, meistens aber nach unten. Und wenn ein Konkurrent den ersten Schritt macht, wollen die anderen möglichst nachziehen.
Das beste Preis-Leistung-Verhältnis zu bieten, ist also nicht mehr nur der Anspruch der Discounter. Auch Coop und die Migros mischen im Preiskampf vorne mit. Gerade weil der Markt so umkämpft ist, will sich niemand in die Karten schauen lassen. Man beobachte den Markt, heisst es von den Discountern, angesprochen auf mögliche Preissenkungen in nächster Zeit. Mehr sagen sie dazu nicht. Schliesslich wollen sie ihre Mitbewerber gerne überraschen – so wie es Aldi vor einem Jahr gelungen ist.