Darum gehts
Die Vorwürfe sind happig: Das im Carna Center als Schweizer Fleisch verkaufte Poulet kam aus Osteuropa, der saure Mocken aus Uruguay und das als Schweizer Frischfleisch angepriesene Spanferkel aus sonst einer ausländischen Tiefkühltruhe. Das berichten mehrere ehemalige Mitarbeitende im Blick.
Jetzt zeigen Recherchen des «Beobachters»: Der Branchenverband Proviande stellt Ende Jahr den DNA-Check ein, der die «lückenlose Rückverfolgbarkeit vom Verkaufsregal bis zum einzelnen Tier garantiert».
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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DNA-Datenbank der Schlachttiere
Seit 2018 entnimmt Proviande in Schlachthöfen und Verarbeitungsbetrieben Hundertausende Referenzproben und erstellt mit diesen Erbgutanalysen eine Datenbank. Gleichzeitig werden im Handel und in der Gastronomie Fleischproben entnommen und deren DNA mit den Erbgutprofilen der Datenbank verglichen.
Mit dem Entscheid, das Programm einzustellen, lobt sich Proviande selbst: Das Ziel der Kampagne – die Rückverfolgbarkeit – sei erfüllt. «Es ist drin, was draufsteht. Bis heute haben wir keine schwarzen Schafe identifiziert, denen Fehlverhalten oder Betrug nachgewiesen werden konnte.» Das «mehrstufige Sanktionierungssystem» sei gar nie zur Anwendung gekommen.
Alles andere als lückenlos
Doch auch wenn das Kontrollsystem bestechend klingt, es ist auch löchrig. Denn getestet werden mit dem DNA-Herkunfts-Check nur Kalb- und Rindfleisch. Anderes Fleisch wird nicht kontrolliert. Und ganz so lückenlos, wie Proviande behauptet, ist die angepriesene Rückverfolgbarkeit auch nicht.
So werden etwa von mehr als zehn Prozent der in der Schweiz geschlachteten Kälber und Rinder keine Referenzproben erhoben, räumt Proviande ein. Hinzu kommt, dass die Probe manchmal mengenmässig zu gering ausfalle oder verunreinigt sei. Wenn nun also eine Fleischprobe im Detailhandel keine Übereinstimmung mit der DNA-Datenbank ergibt, lasse dies «nicht per se auf eine Verfehlung des Verarbeitungsbetriebs schliessen», hält Proviande gegenüber dem «Beobachter» fest.
Proviande schweigt
Zudem: Was Proviande sagt, kann niemand kontrollieren. Es ist eine freiwillige Aktion der Fleischindustrie, ihre Kontrollberichte sind nicht öffentlich. Schon vor Monaten verweigerte Proviande dem «Beobachter» die Einsicht. Und auch jetzt heisst es: «Konkrete Zahlen kommunizieren wir nicht.» Die Öffentlichkeit darf nicht einmal wissen, wie viele Proben pro Jahr im Detailhandel oder in der Gastronomie nicht mit der DNA-Datenbank übereinstimmen.
Mit der Blick-Recherche über fragwürdige Tricksereien der Ostschweizer Carna Center wurde auch ein Teil eines Kontrollberichts von Proviande publik. Gemäss diesem Auszug konnten beim Fleischfachhändler Carna Center während einer Woche gleich mehrere Proben keinem Tier zugeordnet werden, das in der Schweiz geschlachtet worden war. Ein sogenanntes No-Match.
Doch diese Auffälligkeit hatte keine Folgen. Wenn es zu einem No-Match komme, müsse das Unternehmen genau aufzeigen, welche Tiere für die Herstellung des fraglichen Fleischprodukts verwendet wurden, heisst es bei Proviande. «Aus der damaligen Datenanalyse war die Plausibilität der No-Matches gegeben, und der Fall wurde ohne negative Folgen für das Unternehmen abgeschlossen.»
Trotz Auffälligkeiten keine Zusatzkontrollen
Mehr noch: Obschon innerhalb einer Woche gleich an mehreren Standorten des gleichen Unternehmens solche No-Matches festgestellt worden waren, nahm Proviande den Betrieb in der Folge weder gezielt unter die Lupe, noch verstärkte der Branchenverband die Kontrollen. «Aufgrund der gegebenen Plausibilität der Datenanalyse wurde das Unternehmen nicht häufiger getestet.» Wie diese Plausibilität konkret festgestellt wurde, sagt Proviande nicht.
Die Beendigung der Fleischkontrollen durch Proviande mutet auch im grösseren Kontext eigenartig an. In den letzten drei Jahren wurden gemäss Angaben des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) über 500 Tonnen Fleisch in die Schweiz geschmuggelt.
Allein im letzten Jahr waren es rund 208 Tonnen. Dieses Fleisch, so das Bundesamt, wurde grösstenteils gewerbsmässig in die Schweiz geschmuggelt, also organisiert und koordiniert.