«Unbekannte haben versucht, mich von der Recherche abzubringen»
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Wirtschafts-Chef Rotzinger:«Unbekannte haben versucht, mich von der Recherche abzubringen»

Ex-Angestellte packen über Ekel-Tricks aus
Blick deckt neuen Fleisch-Skandal auf!

Tricksereien der Carna-Center-Fleischverarbeiter erschüttern die Branche. Die Fachmärkte haben laut ehemaligen Angestellten ausländisches als Schweizer Fleisch verkauft. Und abgelaufene Ware sei als Frischfleisch zu unschlagbar günstigen Preisen angeboten worden.
Publiziert: 00:03 Uhr
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So sehen gewöhnliche Carna-Center-Betriebe aus: Der Standort in Winterthur musste Ende 2023 schliessen.
Foto: Ulrich Rotzinger

Darum gehts

  • Carna Center betreibt Fleisch-Bschiss wie einst Carna Grischa – so soll ausländisches Fleisch als Schweizer Fleisch verkauft worden sein
  • DNA-Tests zeigten: Schweizer Deklaration stimmte bei einigen Produkten nicht
  • Ursprünglich gab es fast ein Dutzend Carna Center, nur drei sind übrig geblieben
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ulrich RotzingerWirtschaftschef

Mit dem Versprechen «Mehr Fleisch fürs Geld» machte Carna Grischa Werbung in eigener Sache. Jahrelang hat die Fleischhändlerin aus Landquart GR Beizen und Kantinen hinters Licht geführt – bis SonntagsBlick die Fleisch-Tricksereien öffentlich machte. Im Jahr 2015 ging die Firma pleite. Seitdem steht Carna Grischa für den grössten Fleischskandal in der Schweiz.

Zehn Jahre später bringen Recherchen von Blick ans Licht: Auch bei den Carna Centern, den früheren Schwesterbetrieben der Skandalfirma, gibt es unerhörten Fleisch-Bschiss. Diese Fleischfachmärkte, zum Beispiel in Frauenfeld TG, Heerbrugg SG, Oberaach TG, Winterthur ZH und Wittenbach SG, nutzen dabei teilweise heute noch den gleichen Werbespruch und dasselbe Logo wie die pleitegegangene Carna Grischa.

Fahrzeuge der Carna Center AG: Werbesymbole und Logo gleichen jenen ...
Foto: Blick
... auf den Lieferwagen der pleitegegangenen Bündner Skandalfirma Carna Grischa (im Bild).
Foto: Blick

Schon als der Carna-Grischa-Skandal 2014 aufgedeckt worden war, bestritten die Chefs der damaligen Schwesterbetriebe jegliche Verbindungen. Bei Carna Centern werde sauber gearbeitet, die schwarzen Schafe seien bei Carna Grischa. Jetzt zeigt Blick: Pustekuchen! Bis in die Gegenwart wurde auch bei Carna Centern getrickst.

Haben es die Carna Center wie Carna Grischa gemacht?

Blick exklusiv vorliegende Dokumente ehemaliger Angestellter widersprechen der damaligen Darstellung der Chefs. Carna-Center-Betriebe unter dem Dach der Carna Holding haben laut den Insidern bis in die Gegenwart bei Deklaration, Zustand und Herkunft der Ware getrickst und geltendes Lebensmittelgesetz ausgehebelt. Die Betroffenen: Restaurants, Vereine, Asia-Take-aways und unzählige Privatpersonen.

«Alle wurden über den Tisch gezogen, immer auf Anweisung der Geschäftsleiter», sagen mehrere Ex-Angestellte von Carna-Center-Betrieben, die Blick unabhängig voneinander befragt hat.

Langjährige Ex-Angestellte von Carna-Center-Betrieben packen aus. Aus Angst bleiben sie anonym. Bildmitte: Blick-Wirtschaftschef Ulrich Rotzinger beim Treffen am geschlossenen Winterthurer Carna-Standort.
Foto: Thomas Meier

Sie wollen aus Furcht vor Anfeindungen anonym bleiben, auch weil sie beim Bschiss zumindest teilweise mitgemacht haben. Wer aufbegehrt habe, behaupten sie, dem hätten die Carna-Center-Chefs mit der Kündigung gedroht: «Du wirst in der Fleischbranche nie mehr einen Job finden.»

Unsauberes Spiel hinter den Kulissen

Im Zentrum der Recherche stehen die Fleischfachmärkte in Frauenfeld und Winterthur mit jeweils einem Jahresumsatz von rund 3 Millionen Franken.

Undurchsichtiges Netzwerk um die Carna Center

Die Carna Holding AG mit Sitz in Affeltrangen TG ist ein undurchsichtiges Netzwerk von Firmen, die im Fleischgewerbe tätig sind. Sie steht auf drei Säulen: Fleischproduktion, Gastronomiebelieferung und eigene Fleischfachmärkte. Geschätzter Jahresumsatz: rund 30 Millionen Franken.

Das erste Carna Center eröffnete im Jahr 1999 in Oberaach TG. Zu besten Zeiten gab es rund ein Dutzend diese Fleischfachmärkte. Schlechtere Zeiten kamen mit dem Carna-Grischa-Skandal im 2014. Vier Jahre bevor dieser Fleischbeschiss aufflog, verkaufte der damalige Inhaber der Carna Holding seine Beteiligung am Skandalfleischhändler aus Landquart GR. Er sass aber bis zu dessen Auffliegen im Carna-Grischa-Verwaltungsrat. Darum ist bei Carna Grischa auch vom einstigen Schwesterbetrieb der Carna Center die Rede.

Heute gibt es noch die Standorte Oberaach TG und Heerbrugg SG. Diese sind seit Anfang 2024 wieder im Besitz des damaligen Inhabers der Carna Holding, der sie nun unter der Firma Carnapartner AG führt. Das Carna Center in St. Gallen heisst seit Anfang 2025 Gastroblitz.

Die Carna Holding AG mit Sitz in Affeltrangen TG ist ein undurchsichtiges Netzwerk von Firmen, die im Fleischgewerbe tätig sind. Sie steht auf drei Säulen: Fleischproduktion, Gastronomiebelieferung und eigene Fleischfachmärkte. Geschätzter Jahresumsatz: rund 30 Millionen Franken.

Das erste Carna Center eröffnete im Jahr 1999 in Oberaach TG. Zu besten Zeiten gab es rund ein Dutzend diese Fleischfachmärkte. Schlechtere Zeiten kamen mit dem Carna-Grischa-Skandal im 2014. Vier Jahre bevor dieser Fleischbeschiss aufflog, verkaufte der damalige Inhaber der Carna Holding seine Beteiligung am Skandalfleischhändler aus Landquart GR. Er sass aber bis zu dessen Auffliegen im Carna-Grischa-Verwaltungsrat. Darum ist bei Carna Grischa auch vom einstigen Schwesterbetrieb der Carna Center die Rede.

Heute gibt es noch die Standorte Oberaach TG und Heerbrugg SG. Diese sind seit Anfang 2024 wieder im Besitz des damaligen Inhabers der Carna Holding, der sie nun unter der Firma Carnapartner AG führt. Das Carna Center in St. Gallen heisst seit Anfang 2025 Gastroblitz.

Welche Vorwürfe liegen konkret vor? Blick konnte Fotos, interne Mails und Whatsapp-Nachrichten-Verläufe einsehen, anhand derer sich nachzeichnen lässt, wie diese Filialen immer wieder beschissen haben:

  • Ausländische Produkte – Billigfleisch aus Osteuropa – soll als teures Schweizer Fleisch verkauft worden sein.
  • Angebliches Frischfleisch soll aus dem Tiefkühler gestammt haben.
  • Günstige Geflügel-Chipolata sollen als teure Kalbs-Chipolata verkauft worden sein.
  • Fondue-Chinoise-Platten sollen statt mit Schweizer Poulet mit ungarischem Poulet bestückt worden sein.

Ein beteiligter Mitarbeiter, der über 14 Jahre im Betrieb arbeitete, gibt zu Protokoll: «Spanferkel haben wir häufig tiefgekühlt aus dem Ausland besorgt. Verkauft worden ist es als Frischfleisch aus der Schweiz». Poulet sei ebenfalls immer mal wieder «eingebürgert» worden. Denn dort ist der Preisunterschied zwischen einheimischem und ausländischem Fleisch besonders hoch.

Carna-Center-Chefs reagieren heftig auf die Vorwürfe

Damit konfrontiert, schalten die Carna-Center-Chefs Staranwalt Andreas Meili ein. «Diese Vorwürfe haben sich nicht bestätigt», sagt dieser. Generell habe es weder Order «von oben» gegeben noch Anweisungen, ausländische Ware umzuetikettieren, um sie dann zu verkaufen.

Meili beruft sich dabei neben Belegen von Schweizer Lieferanten auch auf Aussagen der ehemaligen Standortleitung Frauenfeld.

Mit dieser konnte Blick direkt sprechen und erfuhr: Heute will sich die Standortleitung nicht mehr hinter die von ihr damals gemachten Aussagen stellen. Unerwähnt liess der Anwalt, dass Carna Center regelmässig über ihren Fleischimporteur Delimpex AG in Pfäffikon SZ Ware aus dem Ausland eingekauft haben.

«Schweiz» drauf, kein «Schweiz» drin

Blick weiss: Die Herkunfts-Check-Verantwortlichen des Fleischfachverbands Proviande stiessen bereits vor vier Jahren auf Unregelmässigkeiten bei Carna-Center-Betrieben.

Bei einigen der bei Kontrollkäufen in unterschiedlichen Filialen der Carna Center bezogenen Waren ergaben DNA-Tests: «Schweiz» stand zwar auf der Verpackung, doch es war kein «Schweiz» drin. Bezeichnet werden solche Befunde als «No-Match».

Fleischherkunftsauswertung der Proviande-Testkäufe bei Carna Center an unterschiedlichen Standorten: «No-Matches» heisst, dass die Deklaration Schweizer Fleisch nicht bestätigt werden konnte.
Foto: Blick

Blick liegen die Ergebnisse dieser Kontrollen vor. Kurz gesagt: Die Frauenfelder Filiale verkaufte ausländische Rindstatarwürstli als Schweizer Fleisch.

Carna Center Frauenfeld: Rindstartarwürstli deklariert als Schweizer Fleisch. Proviande konnte aber keine Schweizer Herkunft ermitteln.
Foto: Blick

Die Filiale in Oberaach (TG) bürgerte Suure Mocke (Rindssauerbraten) aus Uruguay ein. Deklariert wurde es als «hergestellt in der Schweiz mit Schweizerfleisch», wie auf dem Etikett gut zu sehen ist.

Carna Center Oberaach: Suure Mocke, verkauft als Schweizer Fleisch, tatsächliche Herkunft: Uruguay.
Foto: Blick

Die Filiale Frauenfeld musste im Frühjahr 2023 schliessen und wurde mit dem Standort Winterthur zusammengelegt. Die Filiale Oberaach existiert noch heute.

«Mittels Rückverfolgbarkeit konnte der Proviande damals glaubhaft nachgewiesen werden, dass es sich um CH-Fleisch handelte», sagt Carna-Center-Anwalt Meili zu diesen Kontrollkäufen. Blick könne die Branchenorganisation kontaktieren, deren Verantwortliche gerne Auskunft gebe. Fehlanzeige!

Proviande will diese Aussage nicht bestätigen. «Wir werden uns dazu nicht mehr äussern», heisst es auf Nachfrage. Darauf angesprochen Anwalt Meili: «Die Fehlerquelle (Anm. d. Red.: No-Matches) kann bei der Proviande liegen oder auch beim Lieferanten.» Der grösste Teil des Rindfleisches sei ja korrekt deklariert gewesen.

Abgelaufene Produkte sollen neu verpackt worden sein

Mit dem Aus des Winterthurer Carna Centers zum Jahreswechsel 2024 gingen die Tricksereien gemäss Quellen weiter.

Carna Center Winterthur: Ende 2023 ging der Laden für immer runter.
Foto: Blick

In den Wochen nach der Schliessung wurde das Fleisch aus den Winterthurer Frischtheken von einem angestellten Chauffeur in einem Abfallcontainer entsorgt.

Tiefgekühlte Produkte, darunter auch abgelaufene Produkte, habe dieser aber gemäss Aussagen eines damals Beteiligten statt in die Entsorgung in die Filiale in Oberaach verfrachtet. Dort sei die Ware «neu verpackt» worden und in den Jubiläumsverkauf «25 Jahre Carna Center Oberaach» im Mai 2024 gelangt.

Der Chauffeur selbst erzählte herum, er sei von einem der Chefs dazu mündlich instruiert worden, entschädigt in bar auf die Hand. Das berichten voneinander unabhängige Quellen. Der betreffende Chauffeur hängte – von Blick darauf angesprochen – das Telefon auf.

Laut Anwalt Meili sind nur einwandfreie und keine abgelaufenen Fleischwaren vom Carna Center Winterthur nach Oberaach verschoben worden. Alles andere stimme nicht. «Die Pflicht zur Deklaration von aufgetautem Fleisch und die Kompetenz für die Entsorgung von abgelaufenem Fleisch lag bei den Leitern der jeweiligen Standorte», hält der Anwalt generell fest. Befehle «von oben» habe es keine gegeben.

Wie steht es heute um die Carna Center?

Ursprünglich gab es fast ein Dutzend Carna Center in der Deutschschweiz. Übrig geblieben sind die Fleischfachmärkte in Oberaach, Heerbrugg und St. Gallen.

Der Carna-Center-Betrieb in St. Gallen hat sich Anfang 2025 in Gastroblitz umbenannt. Die Website erhielt einen frischen Anstrich. Jetzt heisst es nicht mehr «Mehr Fleisch fürs Geld», sondern «Saftiges zu fairen Preisen».
Foto: Screenshot

Letztere hat Anfang dieses Jahres den Firmennamen Gastroblitz angenommen. Die Website wurde ausgetauscht, mit grünem Anstrich und neuem Gastroblitz-Slogan. Statt wie früher «Mehr Fleisch fürs Geld» heisst es heute «Saftiges zu fairen Preisen».

Anwalt Meili hält fest: «Heerbrugg und Oberaach sind seit 1. Januar 2024 eigenständige Niederlassungen mit einem tadellosen Ruf.» Seitdem habe deren Firma «Carna Partner AG keine Verbindung mehr zur Carna Holding AG». Die Lieferanten der beiden Center-Standorte sind aber nach wie vor dieselben wie die der Carna Holding.

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