«Unbekannte haben versucht, mich von der Recherche abzubringen»
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Wirtschafts-Chef Rotzinger:«Unbekannte haben versucht, mich von der Recherche abzubringen»

Fleisch-Tricksereien der Carna Center – Vorwürfe waren seit Monaten bekannt
«Wo waren da die Lebensmittelkontrolleure?»

Gastronomie und Privatkunden hatten keine Chance, die Fleisch-Tricksereien der Carna Center zu erkennen. Die St. Galler Lebensmittelinspektoren wussten seit Monaten von den Vorwürfen von Ex-Angestellten.
Publiziert: 00:44 Uhr
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Aktualisiert: 07:42 Uhr
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Langjährige Ex-Angestellte von Carna-Center-Betrieben packen aus. Aus Angst bleiben sie anonym. Bildmitte: Blick-Wirtschaftschef Ulrich Rotzinger.
Foto: Thomas Meier

Das Schweizer Poulet kommt aus Osteuropa, der Schweizer Suure Mocke aus Uruguay und das als Schweizer Frischfleisch angepriesene Spanferkel aus einer ausländischen Tiefkühltruhe. Gefrorenes Fleisch sei immer wieder aufgetaut worden und mit neuem Etikett in der Frischfleischtheke gelandet, berichten Ex-Mitarbeiter der Ostschweizer Carna Center. Diese bedienen sowohl die Gastronomie als auch Privatkunden.

Das sind nur einige von vielen Schweinereien, von denen Insider dieser Fleischfachmärkte berichten. Blick machte ihre Vorwürfe in dieser Woche öffentlich. Sie lösten ein Beben in der Branche aus.

Zur Erinnerung: 2014 hatte die Bündner Firma Carna Grischa für den grössten Fleischskandal in der Schweiz gesorgt. Jetzt also der nächste! Und wie damals bestreiten die Verantwortlichen mithilfe eines Staranwalts die Vorwürfe. Bei einer internen Untersuchung «haben sich diese Vorwürfe nicht bestätigt», sagt Carna-Center-Anwalt Andreas Meili.

Lebensmittelinspektoren wussten Bescheid

Blick weiss: Die Lebensmittelinspektoren des St. Galler Amts für Verbraucherschutz und Veterinärwesen haben Carna-Center-Betriebe schon seit längerem unter Beobachtung. Pikant: Die Verantwortlichen wussten spätestens seit Mitte November 2024 von den mutmasslichen Machenschaften und Tricksereien bei Carna Center. Ein Ex-Angestellter hatte dem Amt eine «vertrauliche Mitteilung zu Missständen bei der Carna Center AG» zukommen lassen. Im Anhang des Mails: Fotos und Dokumente als Belege der Vorwürfe.

Gemäss Recherchen bestätigte der leitende Lebensmittelinspektor des Regionalbüros St. Gallen dem Carna-Informanten den Erhalt von «Nachricht und den Unterlagen». Per Mail vom 19. November 2024 versprach er, diese zu prüfen und das weitere Vorgehen zu definieren. «Das Carna Center St. Gallen ist uns bekannt», schrieb der Regionalbüroleiter dem Insider. 

Was ist in der Zwischenzeit passiert? Hat das Amt diese Unterlagen geprüft und Abklärungen unternommen? Gab es Durchsuchungen? Bis die Vorwürfe von Ex-Carna-Center-Angestellten nun öffentlich wurden, ist über ein halbes Jahr vergangen! Darauf angesprochen, verweigert die Presseabteilung des Kantons St. Gallen eine Auskunft. Auch ein Antrag auf Aktenansicht via Öffentlichkeitsgesetz wurde abgeschmettert – unter Berufung auf die Schweigepflicht.

«Wir prüfen Unternehmen der Lebensmittelproduktion in regelmässigen Abständen. Wenn ein Verdacht auf einen Missstand vorliegt, führt das Amt auch fallweise Prüfungen durch», heisst es lediglich beim zuständigen Gesundheitsdepartement auf Nachfrage.

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Wer kontrolliert die Kontrolleure?

«Wo waren da die Lebensmittelkontrolleure?», fragt Maya Graf (63) und schüttelt den Kopf. «Die Betriebe haben offensichtliche Mängel aufgewiesen. Doch offenbar hat niemand hingeschaut. Das zeugt von einer mangelhaften Kontrolltätigkeit», sagt die Baselbieter Grünen-Ständerätin. 

Graf sass beim Carna-Grischa-Skandal vor elf Jahren als Nationalrätin im Parlament. Damals forderte sie die Regierung zu mehr Kontrollen auf. «Nochmals der gleiche Fleischbschiss ist ein absoluter Skandal und eine schlechte Nachricht für alle anständigen Betriebe», so Graf. Eine ganze Industrie werde nun in Geiselhaft genommen. «Das Vertrauen in die Fleischbranche geht verloren, und Metzgerei-und Landwirtschaftsbetriebe, die auf Tierwohl und hohe Qualität setzen, müssen es ausbaden.» 

Der Ständerätin fehlt jegliches Verständnis dafür, dass Behörden trotz Informationen offenbar untätig geblieben sind. «Nun muss das Kantonsparlament eine Untersuchung einleiten, warum die zuständigen Ämter offensichtlich versagt haben.»

Seriöse Betriebe leiden nicht nur unter dem Reputationsschaden. Wer die Ware richtig deklariert, gerät auch preislich und margentechnisch ins Hintertreffen. «Bedauerlich ist, dass solche Betrügereien unglaublich lukrativ sind. Man verkauft Fleisch, das aus katastrophalen Bedingungen in ausländischen Massentierhaltungsbetrieben kommt, zum Preis von Schweizer Fleisch», bringt es Graf auf den Punkt.

Man müsse zwingend besser mit den europäischen Nachbarländern zusammenarbeiten. «Damit die Rückverfolgbarkeit bei der Herkunft gewährleistet ist.» 

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