«Unbekannte haben versucht, mich von der Recherche abzubringen»
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Wirtschafts-Chef Rotzinger:«Unbekannte haben versucht, mich von der Recherche abzubringen»

Wie im Fleisch-Skandal Beizer und Kunden über den Tisch gezogen wurden
Alles noch schlimmer – das Grüsel-Protokoll

In den Fleischfachmärkten der Carna Center hätten Kunden immer wieder aufgetaute Tiefkühlware erhalten, wenn sie frisches Fleisch bestellt hatten, behaupten Insider. Und das soll bei weitem nicht alles sein. Die Gruselbilder, das Protokoll.
Publiziert: 00:54 Uhr
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Ehemalige Angestellte der Carna Center packen über ihre Arbeit und die Anweisungen von Chefs aus. In der Bildmitte: Blick-Wirtschaftschef Ulrich Rotzinger.
Foto: Thomas Meier

Darum gehts

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Ulrich RotzingerWirtschaftschef

Die Fleischbranche ist in Aufruhr. Langjährige Ex-Mitarbeitende erheben massive Vorwürfe gegen die Chefs der Carna-Center-Fleischfachmärkte. Deren Anwalt hält dagegen, nichts sei an den Vorwürfen dran. Ex-Angestellte berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie mehrfach tiefgefrorene, teilweise abgelaufene Ware auftauen, umlabeln und als Frischfleisch deklarieren mussten.

Schweinerei mit Auftauen unterm Wasserhahn

Nachtaktion in Frauenfeld: Hier wird Schweinefleisch aus dem Tiefkühler im Waschbecken unter laufendem Wasser aufgetaut.
Foto: Blick

Ein Kunde vom Carna Center Frauenfeld hatte frische Schweinehuftspiessli bestellt. «Weil keine an Lager waren, gabs eben Aufgetautes, das dann als Frischware deklariert wurde», sagt ein Ex-Mitarbeiter, der dabei war. Seine Handyaufnahmen dokumentieren, wie hierfür kistenweise Schweinehuft über Nacht, teils unter laufendem Wasserhahn, aufgetaut wurde. 

Auftauende Schweinehuft im Carna Center Frauenfeld.
Foto: Blick

Der Branchenverband Proviande hält fest: «Gesundheitlich gefährlich» werde es, wenn beim Auftauen Fehler gemacht werden. «Zum Beispiel wenn Fleisch im heissen Wasser oder im eigenen Saft in der Wärme aufgetaut wird. Denn das ist ein Nährboden für Bakterien.» Carna-Center-Anwalt Andreas Meili: «Für die einzelnen Filialen und das Tagesgeschäft war und ist stets der zuständige Standortleiter verantwortlich.» Der damaligen Standortleiterin und auch den Chefs sei davon nichts bekannt.

Jahrelang schlummert Ware im Tiefkühler

Ungesunde Details kommen mit der Schliessung der Frauenfelder Carna-Filiale im Frühjahr 2023 auf den Tisch. Hunderte Kilo Fleisch, das dort zum Teil über Jahre im Tiefkühlraum lagerte, wurde nicht etwa vernichtet – die Ware sei einfach in der Winterthurer Filiale gelandet, behaupten Involvierte. 

Ein Ex-Mitarbeiter der Filiale Winterthur informierte seinen Chef via Whatsapp im April 2023, er habe rund fünf Jahre alte, gefrorene Kalbsnierstücke aus Frauenfeld erhalten.
Foto: Blick

Darunter Nierstücke vom Kalb mit Verpackungsdatum vom 11. Dezember 2018.

Datum auf der Etikette des Kalbnierstücks: 11.12.2018.
Foto: Blick

Anordnung der Carna-Chefs laut Ex-Mitarbeitenden: «Fleisch auftauen, neu etikettieren und als frische Aktion in der Gastro den Kunden für einen günstigen Preis verkaufen.» Der Hinweis des Personals, dass Kalbsnierstücke maximal sechs Monate tiefgekühlt werden dürfen, wurde offenbar abgeschmettert. Der Standortleiter sorgte schliesslich dafür, dass dieses Fleisch entsorgt wurde, wie Blick weiss.

Aus alter Tiefkühlware wird Frischware

Aus Frauenfeld erhielt Winterthur 100 Kilogramm Rindshuft, die tiefgekühlt sechs bis acht Jahre im Kühlraum lagerten.

Aufgetaute Rindshuft: Laut Insidern lag diese sechs bis acht Jahre im Tiefkühler.
Foto: Blick

«Die Rindshuft musste auf Anweisung der Geschäftsführer aufgetaut, und die grauen Stellen mussten weggeschnitten werden», berichtet ein Ex-Angestellter, der damals dabei war. «Dann mussten wir das Fleisch in Würfel schneiden, marinieren und als frische Rindsspiesse im Laden verkaufen.»

Noch ein Beispiel: Von einem den Carna Centern nahestehenden Lieferanten erhielt die Filiale Winterthur am 27. Juni 2023 tiefgekühlten Schweinehals.

Carna Center Winterthur: Schweinehals – über ein Jahr alt.
Foto: Blick

Dieser war jedoch datiert mit Verpackungsdatum 2. März 2022. «Unverkäuflich. Ware tiefgekühlt, maximal zu verkaufen: sechs Monate», meldete der Standortleiter seinen Chefs. Deren Anweisung sei prompt gekommen: «Auspacken, die Originaletikette entfernen und durch neues Datum ersetzen. Die Ware geht nicht an den Lieferanten zurück und muss verkauft werden.» 

Carna-Center-Anwalt Meili sagt, die Vorwürfe hätten sich in ihrer Untersuchung nicht bestätigt. Solche Anweisungen der Chefs habe es nicht gegeben. Das Tiefkühllager, das von Frauenfeld nach Winterthur gebracht worden ist, sei kontrolliert worden. «Hier ist festgestellt worden, dass ältere Kalbssteaks im Tiefkühler waren. Diese wurden entsorgt», so der Anwalt. 

Fakt ist: Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, wie lange Fleisch im Tiefkühler liegen darf. Gesetzlich festgeschrieben ist allerdings die Lagerung im Tiefkühler bei mindestens minus 18 Grad.

Asia-Restaurant wird mit Billigrind ausgetrickst

Aus diesem Rinderhals soll kurzerhand ...
Foto: Blick
... teurer Rind-Hohrücken gemacht worden sein. Den Asia-Kunden liess man im Dunkeln.
Foto: Blick

Beim Fleischfachmarkt Carna Center Winterthur bestellte ein asiatisches Restaurant aus Volketswil ZH 15,5 Kilogramm teure Rindshohrückensteaks. Was der Kunde nicht wusste und nicht auf dem Lieferschein steht: Statt der Hohrückensteaks wurde ihm billigerer Rindshals angedreht – das behauptet zumindest ein Ex-Carna-Center-Mitarbeiter, der die Bestellung abgearbeitet hatte. Blick liegt Bildmaterial der Rindshalspackung vor, die umverpackt und mit «Hohrückensteak» beschriftet worden sein soll. «Solch ein Etikettenschwindel wurde von den Geschäftsführern immer wieder verlangt», sagt der Insider weiter. Das sei «Bschiss am Kunden», damit habe man die Marge deutlich verbessern können. «Es sind keine Kundenreklamationen dokumentiert», sagt Carna-Center-Anwalt Andreas Meili. Interne Abklärungen hätten diesen Vorwurf nicht bestätigt.

Ablaufende Bison-Burger mit Denner-Etikett werden länger haltbar

Ein halbes Jahr vor Schliessung der Filiale Winterthur wurde das Carna Center Winterthur mit einer Ladung Bison-Burger beliefert, die kurz vor Ablauf der Verkaufsfrist waren. «Einige der Burgerpackungen hatten noch ein Denner-Etikett drauf, das der Lieferant offenbar übersehen und nicht entfernt hatte», sagt ein Ex-Mitarbeiter, der dabei war. Bei dieser Lieferung handelt es sich offenbar um einen Überbestand des Denner-Lieferanten, weil in der Produktion mehr Ware für den Kunden produziert wurde als bestellt. Die Bison-Burger durften nur noch vier Tage verkauft werden. Ein Mitarbeiter wies am 22. Juni 2023 via Whatsapp die Carna-Center-Geschäftsleitung darauf hin.

Via Whatsapp-Chat informierte ein damaliger Carna-Angestellter in Winterthur seinen Chef über die ablaufende Bison-Burger-Ware.
Foto: Blick

«Die Geschäftsleitung hat uns dann angewiesen, die Etiketten – wo noch vorhanden – zu entfernen und alle Verpackungen mit neuer Etikette zu versehen», so der Ex-Mitarbeiter zu Blick. Alle Verpackungen dieser Ladung Bison-Burger hätten daraufhin mit der Auszeichnungswaage eine «frische Deklaration» erhalten. Auf der neuen Etikette habe dann ein um zehn Tage verlängertes Verbrauchsdatum gestanden – das ist nicht erlaubt! Anschliessend sei diese Ware als Aktion in die Verkaufstruhen des Carna Centers Winterthur gelangt, die Burger hätten sich gut verkauft. «Das Wetter war auch super. Ideal zum Grillieren», so der Ex-Mitarbeiter.

«Dieser Vorwurf hat sich in unserer Untersuchung nicht bestätigt», hält Carna-Center-Anwalt Andreas Meili auf Nachfrage von Blick fest. Solches Fleisch sei nie «im Carna Center Winterthur zum Verkauf angeboten worden». Es habe sich auch nicht bestätigen lassen, «dass es solche Anweisungen von oben gibt oder gegeben hat». Blick hat zwei weitere Ex-Mitarbeitende getroffen, die damals dabei waren. Ihre Angaben decken sich mit jenen ihres Ex-Arbeitskollegen in Winterthur.

So unterscheide ich frisches von tiefgefrorenem Fleisch

Für den Laien ist es schwierig, rotes Fleisch voneinander zu unterscheiden. Dazu zählen Rind, Kalb und Schwein bis hin zu Pferd. In roher Form ist Pferd deutlich dunkler und langfaseriger als beispielsweise Rind. Letzteres hat eine hell- bis mittelrote Farbe. Die Geschmacksunterschiede lassen sich je nach Gewürz auf dem Teller kaum mehr feststellen.

Auch gefrorenes und wieder aufgetautes Fleisch lässt sich nur schwer von frischem unterscheiden. Bei Fingerdruck gibt frisches Rindfleisch leicht nach, die entstehende Vertiefung sollte sich schnell wieder zurückbilden. In gekochtem Zustand ist Frischfleisch deutlich saftiger. Wird es tiefgefroren, verliert es beim Garen Wasser und Geschmack.

Fleisch sollte keinesfalls süsslich oder unangenehm riechen. Bei Minus 18 Grad ist Rindfleisch bis zu zwölf Monate im Tiefkühler haltbar. Für Schwein gilt als Richtwert für die Haltbarkeit acht Monate, für Hackfleisch bis zu drei Monate.

Weil für Laien schwierig zu erkennen ist, ob ein Produkt wie Fleisch ohne Gefahr verzehrbar ist, gibt es das Verbrauchsdatum auf der Verpackung. Dieses sollte man wörtlich nehmen. «Der Konsum nach Ablauf des Verbrauchsdatums ist grundsätzlich zu unterlassen», hält das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen fest. Generell seien solche Produkte nur bis zum angegebenen Datum bedenkenlos geniessbar.

Blick in die Fleischtheke: So unterscheide ich frisches von gefrorenem Fleisch.
Blick TV

Für den Laien ist es schwierig, rotes Fleisch voneinander zu unterscheiden. Dazu zählen Rind, Kalb und Schwein bis hin zu Pferd. In roher Form ist Pferd deutlich dunkler und langfaseriger als beispielsweise Rind. Letzteres hat eine hell- bis mittelrote Farbe. Die Geschmacksunterschiede lassen sich je nach Gewürz auf dem Teller kaum mehr feststellen.

Auch gefrorenes und wieder aufgetautes Fleisch lässt sich nur schwer von frischem unterscheiden. Bei Fingerdruck gibt frisches Rindfleisch leicht nach, die entstehende Vertiefung sollte sich schnell wieder zurückbilden. In gekochtem Zustand ist Frischfleisch deutlich saftiger. Wird es tiefgefroren, verliert es beim Garen Wasser und Geschmack.

Fleisch sollte keinesfalls süsslich oder unangenehm riechen. Bei Minus 18 Grad ist Rindfleisch bis zu zwölf Monate im Tiefkühler haltbar. Für Schwein gilt als Richtwert für die Haltbarkeit acht Monate, für Hackfleisch bis zu drei Monate.

Weil für Laien schwierig zu erkennen ist, ob ein Produkt wie Fleisch ohne Gefahr verzehrbar ist, gibt es das Verbrauchsdatum auf der Verpackung. Dieses sollte man wörtlich nehmen. «Der Konsum nach Ablauf des Verbrauchsdatums ist grundsätzlich zu unterlassen», hält das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen fest. Generell seien solche Produkte nur bis zum angegebenen Datum bedenkenlos geniessbar.

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