Darum gehts
- EU akzeptiert US-Strafzölle von 15 Prozent auf Importe aus Europa
- EU verspricht Investitionen und Energiekäufe aus den USA
- Deutschlands BIP könnte um 0,15 Prozent oder 6,5 Milliarden Euro sinken
Was sind die wichtigsten Punkte des Abkommens?
Der Worst Case ist vom Tisch: Ursprünglich wollte US-Präsident Donald Trump (79) Importzölle von 30 Prozent auf EU-Waren einführen. Die Europäische Union drohte mit Gegenzöllen in der gleichen Höhe auf amerikanische Produkte im Wert von gut 90 Milliarden Euro. Beides gültig ab dem 1. August. Mit dem jetzigen Abkommen akzeptiert die EU nun, dass die USA Strafzölle von 15 Prozent auf die meisten Importe aus Europa einführen. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gelten die Zölle etwa auch für Pharmaprodukte und Halbleiter – und Autos, die bisher mit Zöllen von 27,5 Prozent belegt waren. Die USA kommen nach aktuellem Stand ohne Gegenzölle der EU weg.
Bestehen bleiben die US-Stahlzölle und -Aluminiumzölle von 50 Prozent, wie Trump sagte. Zudem hat sich die EU laut dem amerikanischen Präsidenten verpflichtet, Energie – hauptsächlich in Form von Flüssiggas – im Wert von 750 Milliarden Dollar aus den USA zu beziehen und zusätzliche Investitionen von 600 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten zu tätigen. Bei einer Auswahl von Produkten haben sich die beiden Seiten geeinigt, keine Zölle zu erheben. Darunter sind Luftfahrtkomponenten, Chemikalien, Generika, Halbleiterausrüstung, Agrarprodukte, Spirituosen und einige kritische Rohstoffe. Es gibt aber widersprüchliche Aussagen dazu, welche Produkte genau ausgenommen sind. Dafür können Autos aus den USA zukünftig zollfrei in die EU importiert werden. Das bestätigte eine EU-Beamtin in Brüssel einen Tag nach der Einigung in Schottland.
Welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen hat der Deal?
Die europäische Wirtschaft wird die Zölle von 15 Prozent zu spüren bekommen. Es gibt bereits erste Zahlen dazu, wie stark die kurzfristigen ökonomischen Auswirkungen für die EU sein dürften. So hat das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) für das deutsche «Handelsblatt» entsprechende Berechnungen vorgenommen. Besonders schlecht kommt demnach Deutschland weg: Unser nördliches Nachbarland muss ein geringeres Bruttoinlandprodukt (BIP) von 0,15 Prozent verdauen. Der zu erwartende Schaden: ein Minus von 6,5 Milliarden Euro. Frankreich und Italien kommen mit einem erwartbaren BIP-Einbruch von 0,01 Prozent respektive von 0,02 Prozent deutlich besser weg. Laut den Berechnungen des IfW Kiel sinkt das BIP der EU insgesamt um 0,1 Prozent.
Was sind die Reaktionen?
In der Wirtschaft kommt der Deal alles andere als gut an. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) spricht bei den einseitigen Zöllen von einem «fatalen Signal». Der deutsche Aussenhandelsverband BGA von einem «schmerzhaften Kompromiss» und einer «existenziellen Bedrohung» für viele Betriebe. EU-Chefin von der Leyen hingegen lobt das «gute Abkommen», das «Stabilität» bringen werde. «15 Prozent sind nicht unerheblich, aber das Beste, was wir erreichen konnten», sagt sie.
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (69) schreibt auf dem Kurznachrichtenportal X, dass man mit der Einigung «einen Handelskrieg» abwenden konnte, «der die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen hätte». Weniger versöhnliche Worte findet der französische Europa-Minister Benjamin Haddad (39): Das Abkommen bringe «vorübergehende Stabilität», sei jedoch «unausgewogen». Wichtige Sektoren wie die Luftfahrt und Spirituosen seien zwar ausgenommen. Aber er relativiert: «Der derzeitige Zustand ist unbefriedigend und kann nicht nachhaltig sein.»
Ist mit diesem Deal der Zollstreit zwischen den USA und der EU beigelegt?
Vorübergehend sicher. Mittelfristig stehen die Deals aber auf wackligen Füssen. «Die abgeschlossenen Deals sind rechtlich nicht bindend», sagt Richard Baldwin (67), Professor für internationale Wirtschaft an der Business School for Management in Lausanne. «Trump will, dass er die Deals jederzeit wieder ändern und so Druck aufbauen kann», führt er aus. Die Deals könnten auch Ziel von Klagen aus der Wirtschaft werden, gerade in den USA. Denn es sind die amerikanischen Firmen, die die Zölle bezahlen müssen, wenn sie betroffene Güter aus der EU importieren wollen.
Doch auch die grossen Investitionsversprechen der EU sind vorerst nicht mehr als Lippenbekenntnisse. ««Trump kann seiner Wählerschaft die Deals mit den geplanten Investitionen als Sieg verkaufen», so Baldwin. Wie viel die europäischen Unternehmen wirklich in den USA investieren, wird die Zukunft zeigen. In Trumps erster Amtszeit hatte der taiwanesische Technologiekonzern Foxconn Investitionen von 10 Milliarden Dollar und die Schaffung von 13’000 Jobs in Wisconsin versprochen. Heute steht dort nicht viel mehr als ein leeres Fabrikgebäude. «Es fehlt in den USA vielerorts schlicht an den Fachkräften für grosse Projekte», so Baldwin.
Was bedeutet der Deal für die Schweiz?
Für die Schweiz ist der EU-Deal erstmal positiv. Die Hälfte unserer Exporte gehen in die EU. Höhere Zölle, die Trump zwischenzeitlich in Aussicht gestellt hatte, hätten die EU-Wirtschaft noch härter getroffen. Je grösser der Schaden für die europäische Wirtschaft, desto weniger Produkte wird sie aus der Schweiz nachfragen. So ist beispielsweise die deutsche Autoindustrie ein wichtiger Abnehmer von Waren von Schweizer Zulieferern. In den Führungsetagen der hiesigen Firmen dürfte man zumindest etwas aufatmen, weil der Worst Case mit einem eskalierenden Zollstreit zwischen der EU und den USA abgewendet ist. Schliesslich belastet auch der starke Franken die Schweizer Exportindustrie. An der Börse in Zürich ist der Deal zumindest gut angekommen. Der Leitindex SMI ist mit Zugewinnen in die Woche gestartet.
Was heisst der EU-Deal für ein Abkommen der Schweiz mit Trump?
Es zeigt, dass die Deals mit den USA völlig einseitig ausfallen. Aber auch, dass Trump mit sich verhandeln lässt. Die Schweiz darf also ihrerseits auf einen tieferen Zoll als die im April angekündigten 31 Prozent hoffen. Eine grosse Sorge aber bleibt: Wird die Schweizer Exportindustrie mit höheren Zöllen als unsere Nachbarländer belegt, wäre das für unsere Firmen ein erheblicher Wettbewerbsnachteil. Viele Ökonomen rechnen für die Schweiz mit einem Zollsatz im Bereich von 15 bis 20 Prozent. Hoffnungsvoll zeigte sich vor kurzem Finanzministerin Karin Keller-Sutter (64). «Irgendwie habe ich den Zugang zu Trump gefunden», sagte sie in einem Blick-Interview.