Darum gehts
- Remco Evenepoel verliert die Nerven, Tadej Pogacar gewinnt WM-Strassenrennen in Kigali
- Pogacar siegt mit Attacke aus der Ferne, UAE-Teamkollegen unterstützen ihn
- Nur 30 von 165 Fahrern beenden das 267,5 km lange Rennen – Schweizer mischen nicht vorne mit
Irgendwann explodiert der rote Teufel. Er wirft die Hände hoch, schlägt auf den Lenker, steigt vom Velo und tritt wütend in die Luft. 75 Kilometer vor dem Ziel verliert Remco Evenepoel (25, Be) die Nerven.
In Belgien nennt man ihn wegen seiner Jugendzeit im U15-Nationalteam den roten Teufel. Jetzt erleidet er schon wieder einen Defekt. Doch statt weiterzufahren, bis ein Ersatzrad da ist, hält Evenepoel viel zu früh an und wartet lange.
Da ist sein grosser Rivale Tadej Pogacar (26, Slowenien) längst enteilt und auf dem Weg zum WM-Sieg in Kigali (Ruanda). Evenepoels Traum, nach dem Zeitfahren auch das Strassenrennen zu gewinnen, ist geplatzt. «Fahr doch einfach Fahrrad!», schimpft Ex-Profi Jens Voigt auf Eurosport. Als könnte er ihn hören.
Evenepoel benimmt sich daneben, fängt sich, fährt stark – und wird Vizeweltmeister. Pogacar hätte er auch ohne Defekt nicht geschlagen: Der Slowene ist zu gut. Wie schon vor einem Jahr in Zürich siegt er mit einer Attacke aus der Ferne. Damals griff er 100 Kilometer vor dem Ziel kurz vor Zürich-Witikon an, diesmal 104 Kilometer vor Schluss am Mount Kigali.
Drei UAE-Fahrer an der Spitze
Nur zwei halten mit: das mexikanische Wunderkind Isaac del Toro (21) und Juan Ayuso (24). Beide sind, wenn nicht an der WM, Pogacars Teamkollegen bei UAE Emirates. «Ein Traumszenario», wie der Slowene später sagt. Und siehe da: Del Toro arbeitet für den Rad-Überflieger, verschärft an einer Steigung das Tempo und Ayuso fällt zurück.
Zufall? Wohl kaum. Ayuso will seit Monaten aus dem Vertrag mit UAE heraus und hat dies auch geschafft – im Radsport ein Affront. Möglich, dass Pogacar und Del Toro ihm deshalb eine Lektion erteilten.
Nur Hirschi und Christen kommen ins Ziel
Die Schweizer bekommen diese Spielchen nicht mit. Mauro Schmid (25) fällt früh zurück und gibt auf. Irgendwann erwischt es Marc Hirschi (27) und letztlich auch den kämpferischen Jan Christen (21). Sie zählten nicht zu den Top-Favoriten und können beim Abnützungskampf über 267,5 Kilometer und 5475 Höhenmeter nicht mithalten.
Hirschi ist am Ende noch der Beste, er wird mit über 10 Minuten Rückstand 18. «Dafür bin ich nicht hierhergekommen», sagt er im SRF enttäuscht. Christen landet auf Rang 29 und meint: «Ich bin happy, dass es vorbei ist. Es war brutal hart.»
Nur 30 von 165 beenden das Rennen – so wenige wie seit 1995 nicht.
Zwei grosse Ziele bleiben Pogacar
Und Pogacar? Er arbeitet weiter an seinem Überflieger-Status. Dass er Dutzende Kilometer scheinbar mühelos hinter sich brachte, täusche jedoch. «Es war ein Kampf gegen mich selbst. Ich hatte auch Zweifel, ob ich es schaffe. Aber ich biss mich durch.» Am Ende hat er 1:28 Minuten Vorsprung auf Evenepoel, der Ire Ben Healy (25) holt Bronze.
Pogacar ist nun zweifacher Strassenweltmeister, gewann viermal die Tour de France, einmal den Giro, zweimal die Flandernrundfahrt, dreimal Lüttich-Bastogne-Lüttich und viermal die Lombardeirundfahrt. Was ihm noch fehlt? Vor allem Olympia-Gold und ein Triumph bei Paris-Roubaix.
Gut möglich, dass er auch diese Lücken im Palmarès in den nächsten Jahren noch füllen wird. Denn: Wenn «Pogi» etwas unbedingt will, gewinnt er es auch. So wie in Kigali.