Marlen Reusser kürt sich in Kigali zur Weltmeisterin
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Vollerings Zeit reicht nicht:Marlen Reusser kürt sich in Kigali zur Weltmeisterin

«Habe mir noch nie so den Gong gegeben»
Dieses Mädchen ist jetzt Weltmeisterin!

Marlen Reusser holt sensationell Gold im Zeitfahren bei der Rad-WM in Ruanda. Die 34-jährige Bernerin krönt ihre Karriere mit dem lang ersehnten Weltmeistertitel und distanziert die Konkurrenz um 51 Sekunden.
Publiziert: 17:02 Uhr
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Aktualisiert: 17:05 Uhr
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Geschafft! Marlen Reusser krönt sich nach vielen Versuchen endlich zur Zeitfahr-Weltmeisterin. Sie deklassiert in Kigali die Konkurrenz und gewinnt Gold.
Foto: IMAGO/Photo News

Darum gehts

  • Marlen Reusser gewinnt Gold im Zeitfahren bei der Rad-WM in Ruanda
  • Reusser krönt ihre Karriere und macht sich ein besonderes Geburtstagsgeschenk
  • Mit 43,4 km/h Stundenmittel distanziert sie alle um 51 Sekunden und mehr
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Mathias GermannReporter Sport

Potz tuusig! Im Land der 1000 Hügel, wie Ruanda auch genannt wird, holt Marlen Reusser Zeitfahr-Gold. Nicht Silber, wie sie schon zweimal hamsterte. Und schon gar nicht Bronze – diese Medaille hatte sie auch schon.

Nein, jetzt ist es der Weltmeister-Titel! «Ich habe es so oft versucht, aber es hat nie geklappt. Ich kann es kaum glauben. Zwar weiss ich, dass es real ist, aber ich muss das erst setzen lassen», sagt sie. Reusser ist nach Karin Thürig (2004 und 2005) erst die zweite Schweizer Zeitfahr-Weltmeisterin der Geschichte.

Mit ihrer Goldmedaille krönt Reusser ihre Karriere. Und macht sich am Tag nach ihrem 34. Geburtstag das schönste Geburtstagsgeschenk überhaupt. «Ich bin so glücklich, so stolz – auf mich, aber noch mehr für jene Leute, die so lange mit mir gearbeitet haben. Mit Liebe und Leidenschaft. Das tönt vielleicht blöd, aber ich habe das Gefühl, dass ich sie heute dafür belohnen konnte», so die Bernerin aus Hindelbank. 

Von Favoritenrolle konnte Reusser sich nichts kaufen

Im achten Versuch klappt es also endlich. Bei der ersten Rad-WM in Afrika holt Reusser das begehrte, ikonische Regenbogen-Trikot. Eine Sensation ist ihr Gold-Coup allerdings nicht, dafür ist Reusser zu gut. Sie galt auch als Top-Favoritin.

Als sie um 11:55 Uhr in der BK-Arena von Kigali unter den Trommel-Lauten einer afrikanischen Musikgruppe ins Rennen geht, kann sie sich dafür trotzdem nichts kaufen. Und manch einer fragt sich: Kann Reusser die letzten Wochen, in denen sie Durchfall, Fieber und eine Lebensmittelvergiftung zurückwerfen, vergessen machen?

Bei der ersten Zwischenzeit nach 10,6 Kilometern ist die Antwort da: Ja! Reusser ist die Schnellste von allen. «Ein Zeitfahren ist keine Freude. Ich fordere mich aufs Krasseste heraus», hatte sie im Vorfeld gesagt. So bekommt sie weder von den begeisterten Leuten noch von der schönen Natur etwas mit. «Ich war wie im Tunnel. Es hätte um mich herum dunkle oder pinke Wände, Sterne oder Sonne haben können. Ich realisierte nichts», erzählt sie später.

«Habe mir noch nie so den Gong gegeben»

Reusser quält sich, fährt jedoch nicht so, dass man ihr dies anmerken würde. Ihr Gesicht? Konzentriert, fast regungslos. Ihre Körperhaltung? Tief gebückt, aerodynamisch perfekt. Ihr Tritt? Rund, flüssig, stets mit Zug auf der Kette. Reusser meisterte die 31,2 Kilometer, bei denen es nie flach ist, meisterlich. Es ist, als würde die Startnummer 7 auf Wolke sieben schweben. Um 12:38 Uhr, nach dem letzten Anstieg zum Ziel hinauf, ist das Meisterstück vollbracht. Ihr Stundenmittel? 43,4 km/h. Atemberaubend.

«Es war ein unglaublicher Effort. Ich habe mir, auf Berndeutsch gesagt, noch nie so den Gong gegeben. Ich konnte kaum vom Velo klettern», so Reusser. Als sie das schafft, setzt sie sich in den Schatten einer Palme, trinkt, ein Betreuer giesst ihr Wasser in den Nacken. Noch muss Reusser warten, bis sie jubeln kann. 15 Minuten später, als Demi Vollering (28, Ho) das Ziel als Dritte erreicht, ist es amtlich. Reusser ist Weltmeisterin! Zweite wird Anna van der Breggen (35, Ho).

Mit 27 stellte Ärztin Reusser ihr leben auf den Kopf

Reusser siegt weder knapp noch glücklich, sondern hochverdient. Sie distanziert alle um 51 Sekunden und mehr. Hat sie wohl schon als Kind von diesem Tag geträumt? Kaum. Denn Reusser, aufgewachsen auf einem Bauernhof, ist zwar ständig auf Achse, verspielt und neugierig, aber eine Karriere als Profi-Sportlerin hat sie nicht im Visier. Als Jugendliche spielt sie Geige, engagiert sich politisch, studiert später Medizin und wird Ärztin. Mit 27 sattelt sie aufs Velo um. Zwar wird sie von manchen dafür belächelt, viele bewundern sie jedoch und mehrere Menschen helfen tatkräftig.

Heute, sieben Jahre, nachdem sie ihr Leben umkrempelte, ist Reusser ganz oben. Und sagt: «Ich danke allen, die immer an mich geglaubt haben.»

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