Lausanne-Sportchef Henchoz wagt Vergleich zwischen Fussballern und Eishockey-Spielern
«Müdigkeit darf nie, nie eine Ausrede sein»

Lausanne-Sportchef Stéphan Henchoz hatte einen vollgeladenen Sommer. Es galt, mehr als die halbe Stammelf zu ersetzen. Wie gut ihm das gelang, zeigt das 5:0 gegen YB und die Erfolge in der Conference League. Er erklärt sein neues Team und die Saudi-Kollaboration.
Publiziert: 11:15 Uhr
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Aktualisiert: 12:40 Uhr
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Grosser Jubel bei Lausanne nach dem 5:0 gegen YB: Olivier Custodio, Theo Bair und Gaoussou Diakité (v.l.).
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Lausanne-Sport überrascht mit 5:0-Sieg gegen YB trotz junger Mannschaft
  • Sportchef Stéphane Henchoz betont Qualität und Erfahrung der Neuzugänge
  • Lausanne visiert Platz 9 bis 24 in der Conference League an
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Alain KunzReporter Fussball

Stéphane Henchoz, reiben Sie sich auch ein paar Tage nach dem 5:0 gegen YB beim Aufstehen die Augen und sagen sich: Ich kann das immer noch nicht fassen?
Henchoz: Sagen wir es so: Wir haben das nicht erwartet. Es lief aber auch alles optimal für uns. Und wie immer in solchen Fällen: Wir spielten hervorragend. YB war, sagen wir, schnell in Schwierigkeiten …

Wie ist es Ihnen gelungen, innert derart kurzer Zeit nach den vielen Abgängen – Dussenne, Koindredi, Sanches, Diabaté, Okou, Giger, Bernede, Sène, also die halbe Stammelf – wieder eine kompetitive Mannschaft auf die Beine zu stellen?
Es gab in der Tat viel zu ersetzen. Nun, ich habe Spieler geholt, von deren Qualität ich überzeugt war. Aber das waren auch viele, weshalb es Integrationszeit braucht. Ein paar Beispiele: Brandon Soppy hat fast 50 Serie-A-Spiele, dazu solche in der Ligue 1 und bei Schalke. Nicky Beloko hat bei Luzern gezeigt, was er draufhat. Gabriel Sigua hat bei Basel zuletzt überhaupt keine Rolle gespielt. Ich finde, er funktioniert sehr gut, und er ist physisch top. Gaoussou Diakité hat mit zwei Toren super begonnen und dann diese dumme Rote Karte geholt. Er ist in der Lage, eine Abwehr auseinanderzureissen, und hat das Zeug, auf höchstem Niveau zu spielen. Das weiss auch Besitzerklub Red Bull Salzburg, weshalb sie uns keine Kaufoption gaben. Theo Bair hat diese Saison noch in der Ligue 1 gespielt, ist kanadischer Nationalspieler und hat sehr gute Finisher-Qualitäten. Hier haben wir eine Kaufoption von Auxerre. Und zuletzt haben wir Florent Mollet geholt, der zwar 33 ist, aber die Erfahrung von 230 Ligue-1-Spielen hat. Er wird auch in der Garderobe enorm wichtig sein.

Das gemeine Volk denkt: Klubbesitzer Ineos macht einen Umsatz von über 50 Milliarden Franken. Lausanne kann doch da für Schweizer Verhältnisse aus dem Vollen schöpfen …
Unsere Besitzer investieren zwar Geld in den Klub, aber unsere Mittel sind deshalb noch lange nicht unbegrenzt. Finanziell kommen wir nicht einmal annähernd an YB oder Basel heran. Aber: Unsere Eigentümer verleihen dem Verein echte Stabilität. Sie haben nicht zum Ziel, ohne Grenzen Geld auszugeben, sondern einen gesunden, gut geführten Klub aufzubauen, der Schritt für Schritt wächst. So können wir unter guten Bedingungen arbeiten, mit einer klaren Vision, ohne uns mit den riesigen Budgets gewisser Spitzenvereine messen zu wollen.

Lausanne hatte nach GC und Luzern die jüngste Startelf in der Liga. Umso erstaunlicher solch ein Resultat wie dieses 5:0.
In der Tat haben wir eine sehr junge Mannschaft. Aber eine mit viel Qualität. Sonst hätten wir uns nicht gegen Skopje durchsetzen, gegen Astana zweimal gewinnen und in Istanbul gegen Besiktas als Sieger vom Platz gehen können. Und auch YB nicht 5:0 schlagen. Kommt hinzu, dass das Erreichen der Ligaphase der Conference League absolut verdient war.

Apropos Europa: Nach diesen Spielen hat das Team drei von vier Meisterschaftsspielen verloren. Reicht die Breite des Kaders nicht?
Ich sage ihnen jetzt was, um mit dieser irrigen Meinung aufzuräumen: Das Problem liegt nie im physischen Bereich. Das ist sogar Blödsinn. Es gibt Spieler, die stehen alle drei Tage auf dem Platz – und haben überhaupt keine Probleme. Und das sind die besten der Welt. Ronaldo hat doch nie pausiert. Van Dijk? Spielt immer. Überhaupt gibt es in den ganz grossen Klubs nie eine Grossrotation. Vielleicht drei, vier Spieler. Mehr nicht. Weil es reine Kopfsache ist. Wenn der Kopf dir sagt, dass du müde bist, bist du es auch, obwohl der Körper etwas anderes meldet. Die Umstellung auf das nächste Spiel kann ein Problem sein. Aber Müdigkeit darf nie, nie eine Ausrede sein. Eishockeyspieler haben oft drei Spiele pro Woche. Unsere Jungs von Lausanne spielen an einem Tag in Davos, das sind fast fünf Stunden Carfahrt. Sie kommen nachts um drei, vier zurück. Und spielen anderntags in Lausanne.

Nach dem 3:0 zum Start der Ligaphase der Conference League gegen Breidablik muss das Ziel von Lausanne doch das Weiterkommen sein?
Ganz klar: ja. Wir visieren einen Rang zwischen 9 und 24 an. Mit Gegnern aus Malta, Finnland und Zypern ist das Pflicht.

Vielleicht liegt ja noch mehr drin? Die Direktqualifikation für die Achtelfinals.
Vielleicht. Aber Lech Posen, das eben 4:1 gegen Rapid Wien gewonnen hat, und die Fiorentina sind dann doch richtig stark.

Stéphane Henchoz persönlich

Stéphane Henchoz wird am 1. September 1974 in Billens-Hennens FR geboren. Er beginnt mit dem Fussball beim FC Fétigny FR. Über Gruyère FR und Bulle FR kommt er zu Xamax, wo der Innenverteidiger den Durchbruch schafft, was ihm einen Vertrag beim HSV ermöglicht. Danach gehts zu Blackburn und 1997 zu Liverpool. Mit den Reds hat er eine überragende Saison. 2000/01 gewinnen sie alles ausser der Meisterschaft: Uefa-Cup, europäischer Supercup, FA-Cup, Ligacup, englischer Supercup. 2005 kommt die Champions League hinzu. So wird er am Mersey zur Legende, macht 205 Spiele. Danach verlässt er die Reds, geht zu Celtic Glasgow, Wigan und zum Karriereende nochmals zu Blackburn. Für die Nati läuft Henchoz 72 Mal auf, nimmt an der EM 1996 und 2004 teil. Als Trainer hat er weniger Glück. Er startet bei Bulle, trainiert zwei Mal Xamax und ganz kurz auch den FC Sion. Zwei Jahre lang ist er Scout für Olympique Lyon, bevor er 2023 zu Lausanne geht. Zuerst als Sportkoordinator; seit Juli 2024 ist er Sportchef.

Stéphane Henchoz ist bisher als Lausanne-Sportchef höchst erfolgreich.
Pius Koller

Stéphane Henchoz wird am 1. September 1974 in Billens-Hennens FR geboren. Er beginnt mit dem Fussball beim FC Fétigny FR. Über Gruyère FR und Bulle FR kommt er zu Xamax, wo der Innenverteidiger den Durchbruch schafft, was ihm einen Vertrag beim HSV ermöglicht. Danach gehts zu Blackburn und 1997 zu Liverpool. Mit den Reds hat er eine überragende Saison. 2000/01 gewinnen sie alles ausser der Meisterschaft: Uefa-Cup, europäischer Supercup, FA-Cup, Ligacup, englischer Supercup. 2005 kommt die Champions League hinzu. So wird er am Mersey zur Legende, macht 205 Spiele. Danach verlässt er die Reds, geht zu Celtic Glasgow, Wigan und zum Karriereende nochmals zu Blackburn. Für die Nati läuft Henchoz 72 Mal auf, nimmt an der EM 1996 und 2004 teil. Als Trainer hat er weniger Glück. Er startet bei Bulle, trainiert zwei Mal Xamax und ganz kurz auch den FC Sion. Zwei Jahre lang ist er Scout für Olympique Lyon, bevor er 2023 zu Lausanne geht. Zuerst als Sportkoordinator; seit Juli 2024 ist er Sportchef.

Und in der Meisterschaft?
Wir gehören zum riesigen Pulk an Mannschaften, die unter die ersten sechs kommen wollen. YB und Basel werden unantastbar sein. Dahinter gibts ein grosses Gerangel. Vielleicht ausser Winterthur, die sind im Moment in echten Schwierigkeiten. Aber das waren sie letzte Saison auch. Da kann noch ganz viel passieren.

Thun und nun auch GC hatte man nicht derart stark erwartet.
Dass Thun Leader sein würde, konnte man absolut nicht erwarten. Und auch nicht, dass GC in der Lage wäre, ein Derby 3:0 zu gewinnen. Gesetzt der Fall, Winti ist irgendwann abgeschlagen. Dann gibts einen monumentalen Fight darum, nicht Elfter zu werden.

Reden wir noch über ein weiteres Talent, über den 22-jährigen Flügel Muhanad Al-Saad aus Saudi-Arabien, der vom Neom SC ausgeliehen ist. Es wird gemunkelt, dass Lausanne für jedes Spiel, das er macht, Geld kriegt.
Das ist Humbug. Muhanad ist eine ganz normale Leihe. Es gibt Leihverträge mit Bonus- oder Malusfunktion. So kann man Strafzahlungen vorsehen für den Fall, dass ein Spieler nicht die vereinbarte Anzahl Spiele erreicht. Oder man kann vereinbaren, dass sich die Leihsumme verkleinert, sollte er mehr als für den Betrag abgemacht spielen. Beim Leihvertrag mit dem Neom SC ist nichts Derartiges drin.

Hat denn Al-Saad das Potenzial für die Super League?
Technisch ist er aussergewöhnlich gut. Physisch leidet er noch. Da ist er noch nicht auf dem Niveau unserer Meisterschaft, die technisch nicht die beste Liga der Welt ist, aber körperlich anspruchsvoll. In seinen drei bisherigen Kurzeinsätzen hat er zwei Tore gemacht, darunter das 2:0 im Cup beim 2:1-Sieg. Also ein wichtiges Tor! Und er gehört zum Kader der saudischen A-Nationalmannschaft, deren Niveau keineswegs schlecht ist. Ich bin gespannt, wie er sich in ein paar Wochen präsentiert.

Man hört, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Lausanne und Neom gibt?
Das stimmt. Allerdings ist nichts vertraglich vereinbart. In einem ersten Schritt bieten wir Hand, Talente auszuleihen, die wir weiterbringen sollen. Gleichzeitig sollen uns diese Spieler helfen. Neom ist in die erste Saudi-Liga aufgestiegen und liegt derzeit auf Platz 4. Da ist richtig Geld vorhanden. Die haben für weit mehr als 100 Millionen Franken Spieler geholt. Aber diese Zusammenarbeit steht ganz am Anfang. Mal schauen, wie sie sich weiterentwickelt.

Brack Super League 25/26
Mannschaft
SP
TD
PT
1
8
4
16
2
8
7
15
3
8
6
15
4
8
-1
14
5
8
-2
13
6
8
3
12
7
8
1
12
8
8
-3
10
9
8
2
9
10
8
1
8
11
8
-3
8
12
8
-15
2
Meisterschaftsrunde
Abstiegsrunde
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