Linke prangern Kopftuch-Doppelmoral an
Werden auch Kreuzhalsketten an der Schule verboten?

An Schweizer Schulen sorgen Kopftücher von Lehrerinnen für Streit. Doch was ist mit christlichen Symbolen? Linke sprechen von einer «heiligen Doppelmoral» – und fordern: Wenn Kopftücher verboten sind, müsste das ebenso für Kreuze oder klösterliche Kleidung gelten.
Publiziert: 00:05 Uhr
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Dürfen Lehrerinnen in der Schweiz ein Kopftuch tragen? Diese Frage sorgt mancherorts im Land für Streit.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Debatte über Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Schweizer Schulen entfacht Kontroverse
  • Linke kritisieren Doppelmoral und fordern gleiche Regeln für alle religiösen Symbole
  • In drei Kantonen gab es kürzlich Kopftuch-Streitigkeiten an Schulen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Darf eine Lehrerin in der Schweiz ein Kopftuch tragen? Diese Frage sorgt gerade für Zoff. Nach mehreren Streitfällen verlangen Konservative härtere Regeln. Doch die Linke schlägt zurück – und wirft den Gegnern eine «heilige Doppelmoral» vor.

Geht es wirklich darum, dass in Schulen religiöse Symbole keinen Platz haben? Oder nur ums Kopftuch? Linke kritisieren: Wenn Kopftücher verboten sind, müsste das konsequenterweise auch für andere Symbole gelten – für Kreuzketten ebenso wie für die jüdische Kippah. Und ins Visier geraten selbst die Kutten von Mönchen an Stiftsschulen.

Kopftuch im Klassenzimmer nicht erlaubt

Die Diskussion schwelte zuletzt in mehreren Kantonen:

  • In Eschenbach SG stiess die Verhüllung einer Lehrerin bei Eltern auf Widerstand. Um einen Rechtsstreit zu verhindern, löste die Schulleitung das Arbeitsverhältnis auf – noch bevor die Frau ihre Stelle antrat.
  • In Worb BE verlor eine Sprachlehrerin nach zweieinhalb Jahren ihre Stelle, weil sie ein Kopftuch trug. Ihr Unterricht war unbestritten, doch die Schulbehörden erinnerten an die Berner Vorschriften: «Die öffentliche Volksschule ist konfessionell neutral.»
  • Im Kanton Schwyz zog eine Studentin ihre Anmeldung an der Pädagogischen Hochschule zurück, weil sie in den Pflichtpraktika kein Kopftuch tragen darf. Das machte der «Bote der Urschweiz» publik.

Manche Kantone verbieten religiöse Symbole für Lehrpersonen explizit, andere beschränken sich auf Empfehlungen, weitere haben gar keine Vorgaben. Das Bundesgericht entschied 1997 in einem Genfer Fall, dass eine Lehrerin entlassen werden durfte, weil sie ein Kopftuch trug. Das Urteil ist bis heute massgebend. Für Schülerinnen ist das Kopftuch aber oft erlaubt.

Und was ist mit den Mönchen?

Im Kanton Schwyz stellte die Regierung kürzlich klar: Das Tragen eines Kopftuchs oder anderer religiöser Symbole sei für Lehrerinnen untersagt. Der Kanton will die konfessionelle Neutralität durchsetzen. Darauf reagieren drei SP-Politiker mit einem Vorstoss im Kantonsrat. Sie wollen wissen, wie der Regierungsrat die Neutralität «unparteiisch und gleichmässig» umsetzt. 

Geht es nur ums Kopftuch? Möchte die Regierung auch «andere sichtbare religiöse Symbole wie Halsketten mit sichtbaren Kreuzen» verbieten? Und die Sozialdemokraten gehen noch weiter: «Will der Regierungsrat nun den unterrichtenden Mönchen an der Stiftschule das Tragen ihrer Ordenskleider oder andernfalls das Unterrichten verbieten?» Die Schule bekommt auch staatliche Beiträge.

Damit wollen sie die Regierung zwingen, Farbe zu bekennen: Entweder strikte Trennung von Staat und Religion – oder eine offenere Lösung, die allen Religionen gleichermassen Platz lässt.

Die Sozialdemokraten plädieren für Letzteres – und dafür, dass Einsiedler Mönche weiterhin in ihren Ordenskutten unterrichten, Lehrpersonen ein sichtbares Kreuz um den Hals tragen dürfen oder eine Muslima ein Kopftuch. Für sie ist ein einseitiges Kopftuchverbot diskriminierend.

Berner Regierung ist strikt

Ähnliche Töne kommen aus Bern. Dort wandten sich die Grossrätinnen Regula Bühlmann (48, Grüne) und Christa Ammann (42, AL) mit einer Anfrage an die Kantonsregierung. Ihr Vorwurf: Die Diskussion werde vor allem mit Blick auf muslimische Frauen geführt. «Christliche Symbole wie das Kreuz sind dagegen nur Thema, wenn sie in einem Klassenzimmer hängen – nicht jedoch am Hals einer Lehrperson.» 

Die Berner Regierung lässt offen, wie sie einzelne Symbole beurteilt. Sie betont aber: Das Verbot gelte «für sämtliche in der religiösen Überzeugung gründenden Symbole oder Kleidungsstücke».

«Auf Kosten muslimischer Frauen»

Am lautesten tobt die Debatte in St. Gallen. Die SVP fordert ein kantonales Kopftuchverbot für Lehrpersonen und reichte jetzt einen entsprechenden Vorstoss ein. Konkret fordert sie ein Gesetz, das «religiöse Signale durch Kleidung und Accessoires» verbietet. 

Die St. Galler SP-Spitze reagierte bereits vorher. Sie sprach von «einseitiger Symbolpolitik auf Kosten muslimischer Frauen» und warf der SVP Opportunismus vor. SP-Frau Andrea Scheck (33): «Wenn das Kopftuch einer muslimischen Lehrerin verboten werden soll, müssten konsequenterweise auch christliche Symbole wie Kreuzketten untersagt werden. Wäre es aber um eine solche Halskette gegangen, hätte die SVP niemals so viel Aufhebens gemacht.»

Allerdings: Den Vorstoss der SVP haben auch zwei SP-Parlamentarier mitunterzeichnet. Die Haltung ist also selbst in den eigenen Reihen nicht geschlossen.

Ausdiskutiert scheint das Thema längst nicht. Zwar sind die Kantone für das Verhältnis von Kirche und Staat wie auch für die Volksschule zuständig. Doch schon bald könnte die Bundespolitik gefragt sein. Das islamkritische Egerkinger Komitee, bekannt für die Volksinitiativen gegen Minarette und Burkas, liebäugelt mit einer neuen Initiative. Mögliches Ziel: Kopftücher sollen an allen Schulen verschwinden – bei Lehrerinnen wie bei Schülerinnen.

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