Darum gehts
- Stimmvolk entscheidet über vollständige Eigenmietwert-Abschaffung
- Systemwechsel begünstigt viele Hausbesitzer
- Steuerausfälle von rund 2 Milliarden Franken für Bund und Kantone
Am 28. September schreibt das Stimmvolk das letzte Kapitel eines jahrelangen Politkrimis: Es entscheidet über die vollständige Abschaffung des Eigenmietwerts. Mehr als sieben Jahre haben National- und Ständerat um den Systemwechsel gefeilscht, der für Hausbesitzer grosse Auswirkungen haben wird. Nun liegt es am Stimmvolk, ob der «alte Zopf» wirklich abgeschnitten wird.
Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zur Abstimmung.
Eigenmietwert – was ist das überhaupt?
Der Eigenmietwert wurde 1934 als vorübergehende Notsteuer eingeführt. Es handelt sich dabei um ein fiktives Einkommen, das Hauseigentümer zusätzlich zum tatsächlichen Einkommen versteuern müssen. Berechnet wird es unter anderem aufgrund von Grösse, Lage und Baujahr der Immobilie. Der Eigenmietwert entspricht in der Regel 60 bis 70 Prozent der Einnahmen, die ein Eigentümer erzielen würde, wenn er die Wohnung oder das Haus nicht selbst bewohnen, sondern vermieten würde.
Was wurde konkret beschlossen?
Es gab schon mehrere Anläufe, den Eigenmietwert abzuschaffen – alle sind gescheitert. 2017 startete die ständerätliche Wirtschaftskommission einen neuen Versuch. Nach langem Hin und Her liegt das Resultat nun vor: das Bundesgesetz über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung. Das Parlament hat entschieden, dass der Eigenmietwert komplett fällt, auch für Zweitliegenschaften.
Ein grosser Streitpunkt waren die Steuerabzüge. Einig war man sich, dass als Ausgleich zur Abschaffung des Eigenmietwerts ein Teil der Abzüge für Hausbesitzer abgeschafft werden soll. Die Abzüge für den Liegenschaftsunterhalt und Renovationen wurden gestrichen. Ebenso der Abzug für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen bei der Bundessteuer, die Kantone können ihn aber freiwillig bis spätestens 2050 beibehalten. Kosten für denkmalpflegerische Arbeiten sind weiterhin abziehbar.
Doch was ist mit den Schuldzinsen?
Heute dürfen auch die Hypothekarzinsen von den Steuern abgezogen werden. Künftig wäre das nicht mehr möglich. Doch es gibt Ausnahmen. Wer über vermietete Liegenschaften verfügt, kann in gewissen Fällen einen Zinsabzug geltend machen. Dieser wird nach einer speziellen Quote berechnet.
Und wer erstmals selbst bewohntes Wohneigentum erwirbt, kann während zehn Jahren einen begrenzten Ersterwerber-Abzug geltend machen. Maximal 10'000 Franken für Ehepaare und 5000 Franken für Alleinstehende, wobei der Abzug linear um 10 Prozent jährlich abnimmt.
Was schaut für Hausbesitzer heraus?
Die finanziellen Folgen hängen stark vom Zinsniveau ab. Je tiefer die Hypothekarzinsen, desto positiver wirkt sich die Reform auf Hauseigentümer aus. Der Eigenmietwert ist heute nämlich oft höher, als im Gegenzug Hypozinsen abgezogen werden können – das belastet die Steuerrechnung. Fällt der Eigenmietwert und bleiben die Zinsen tief, kommen Hausbesitzer unter dem Strich tendenziell besser weg. Insbesondere Pensionierte oder Gutsituierte mit tiefer Hypothek profitieren von der Änderung.
Steigen die Zinsen aber wieder stark an, kann der Schuss für Hausbesitzer nach hinten losgehen, weil die Zinsen künftig nicht mehr abzugsfähig wären. Dann darf sich der Staat sogar auf Mehreinnahmen freuen. Heikel wäre die Reform auch für jene, welche eine renovierungsbedürftige Immobilie bewohnen, da sie Sanierungskosten nicht mehr geltend machen könnten. Mehr zu den Vor- und Nachteilen für Eigenheimbesitzer findest du hier.
Was haben die Mieter davon?
Nichts. Schlimmstenfalls könnten sogar Mehrkosten auf Mieterinnen und Mieter zukommen. Dann nämlich, wenn Bund, Kantone und Gemeinden die mit der Eigenmietwert-Abschaffung erwarteten Steuerausfälle von rund 2 Milliarden Franken anderweitig wieder hereinholen wollen.
Beispielsweise mit einer allgemeinen Steuererhöhung. «Der Mittelstand wird dafür als Kompensation zur Kasse gebeten. Das sind im Durchschnitt 500 Franken mehr Steuern pro Haushalt und Jahr», warnt SP-Nationalrätin und Casafair-Präsidentin Ursula Zybach (57, BE). «Sei es über Steuererhöhungen, geringere Steuerabzüge oder einen Leistungsabbau im Gesundheits- oder Bildungswesen in den Kantonen, es wird die breite Bevölkerung treffen.»
Was heisst es für Bund und Kantone?
Der Bund rechnet damit, dass ihn der jetzige Vorschlag jährlich rund 400 Millionen Franken an Steuereinnahmen kosten würde. Für die Kantone wären es 1,4 Milliarden Franken weniger. Dies bei einem Zinsniveau von 1,5 Prozent.
Steigen die Zinsen, werden aus den Minder- aber plötzlich Mehreinnahmen. Der Kipppunkt liegt bei durchschnittlich rund 3 Prozent Hypozins. Steigt das Zinsniveau beispielsweise auf 3,5 Prozent, dürften sich Bund und Kantone über Zusatzeinnahmen von rund 800 Millionen Franken freuen.
Was bekommen die Kantone als Zückerchen?
Die Tourismus- und Gebirgskantone haben sich im Vorfeld gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts bei Zweitwohnungen gewehrt. Für die Kantone soll es aber ein Zückerchen geben. Um die wegfallenden Einnahmen zumindest teilweise wettzumachen, sollen sie freiwillig eine neue Objektsteuer für selbstgenutzte Zweitwohnungen einführen können.
Die Krux dabei: Das kantonale Stimmvolk müsste diese neue Steuer jeweils auch gutheissen – was wohl kaum überall der Fall sein dürfte. Die Kantonsregierungen lehnen die Vorlage daher ab. Die Risiken seien zu gross, warnen sie.
Wer ist für die Vorlage?
«Wohnen ohne Sorgen» lautet der Slogan der Befürworter. Sie erachten das jetzige System als ungerecht und sprechen von einer «Geistersteuer».
SVP, FDP und Mitte wollen den Eigenmietwert daher abschaffen. Angeführt wird die Ja-Kampagne aber vom Hauseigentümer-Verband (HEV). Auch der Arbeitgeber-Verband, der Gewerbeverband oder der Verband der Immobilienwirtschaft unterstützen den Systemwechsel.
«Heute wird bestraft, wer spart und seine Hypothek abbezahlt, Schuldenmachen hingegen wird belohnt», sagt HEV-Präsident und SVP-Nationalrat Gregor Rutz (52, ZH). «Diesen volkswirtschaftlichen Unsinn müssen wir beenden.» Die Steuersenkungen rechnen sich mittelfristig auch für den Staat. «Die Leute haben dann mehr Geld für Konsum und Investitionen, das belebt die Wirtschaft und generiert am Schluss sogar Mehrerträge.»
Wer ist gegen die Abschaffung?
Auch die linken Parteien haben schon die Abschaffung des Eigenmietwerts gefordert. Doch für sie kommt dies nur infrage, wenn im gleichen Zug sämtliche Steuerabzüge gestrichen werden. SP und Grüne bekämpfen die jetzige Vorlage, weil der Systemwechsel nicht komplett ist. Die Reform «begünstigt einseitig die Reichsten mit rund zwei Milliarden Franken», moniert die SP. Die Kantone müssten im Gegenzug die Steuern für den Mittelstand erhöhen, um die Ausfälle zu kompensieren.
Doch nicht nur das links-grüne Lager lehnt die Vorlage ab. Auch verschiedene bürgerliche Exponenten wie etwa die Mitte-Ständeräte Beat Rieder (62, VS) und Charles Juillard (62, JU) oder die Freisinnigen Pascal Broulis (60, VD) und Philippe Nantermod (41, VS) sprechen sich dagegen aus.
Zudem macht eine Gewerbe-Allianz gegen das neue Gesetz mobil, da sie einen «Sanierungs-Stopp» befürchtet. Insbesondere im Baugewerbe ist die Angst gross, dass weniger in den Unterhalt und die Sanierung von Gebäuden investiert wird, wenn diese Kosten steuerlich nicht mehr abzugsfähig sind. Zudem bestehe die Gefahr, dass Unterhaltsarbeiten am Eigenheim vermehrt als Schwarzarbeit ausgeführt werden, da keine Belege für den Abzug mehr benötigt werden. Auch der Mieterverband und Casafair zählen zum Nein-Lager.
Wie geht es weiter?
Am 28. September kommt zwar nur die neue Objektsteuer vors Volk, weil dafür eine Verfassungsänderung notwendig ist. Indirekt entscheidet das Stimmvolk aber auch über den Eigenmietwert, da die beiden Vorlagen miteinander verknüpft sind.
Ein Ja zur Objektsteuer bedeutet auch ein Ja zum Eigenmietwert-Aus – und umgekehrt. Die Verfassungsänderung tritt bei einem Ja per sofort in Kraft. Für den Systemwechsel gilt eine Übergangsfrist von mindestens zwei Jahren, womit die Eigenmietwert-Abschaffung frühestens im Steuerjahr 2028 in Kraft treten könnte.
Bei einem Nein würde der Eigenmietwert besteuert wie bisher. Im Parlament sind aber Vorstösse hängig, welche eine gewisse Abfederung fordern.