Volk entscheidet über Abschaffung
Die sieben Irrtümer beim Eigenmietwert

Der Bundesrat führte den Eigenmietwert einst als Kriegssteuer ein. Noch immer ranken sich um ihn aber Missverständnisse. Wir klären über die sieben grössten Trugschlüsse auf.
Publiziert: 07.08.2025 um 13:55 Uhr
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Aktualisiert: 07.08.2025 um 14:03 Uhr
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Die grosse Gretchenfrage: Ist der Eigenmietwert gerecht?
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Darum gehts

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Andreas Valda
Handelszeitung

Warum ein Einkommen versteuern, das ich nie erhalten habe? Diese Frage stellen sich seit Jahrzehnten Leute, die eine Wohnung oder ein Haus gekauft haben. Sie erhalten jährlich von der Steuerverwaltung einen Brief, worin steht, wie hoch der Eigenmietwert ihres Eigenheims ist. Zum Beispiel 21’000 Franken für eine Dreizimmerwohnung in der Stadt Zürich, die auf dem Mietmarkt 2500 Franken kosten würde. Diesen Betrag müssen sie zusätzlich zum Einkommen versteuern, ohne ihn physisch erhalten zu haben.

Das kann Pensionierte mit knappen Mitteln in die Bredouille bringen. Im hypothetischen Fall einer alleinstehenden Witwe, die als Wohnungsbesitzerin in der Stadt Zürich versteuert, würde dies so aussehen: Wäre sie Mieterin und würde sie mit der AHV und der Pensionskasse monatlich 4200 Franken einnehmen, müsste sie monatlich 425 Franken Steuern bezahlen. Doch weil sie als Besitzerin der erwähnten Dreizimmerwohnung den Eigenmietwert zu versteuern hat, zahlt sie fast das Doppelte, nämlich 760 Franken. Sie hat weniger als eine gleich situierte Mieterin und fällt unter das betreibungsrechtliche Existenzminimum. Ist das gerecht?

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Einst als Kriegssteuer eingeführt

Das ist die Gretchenfrage im Streit um den Eigenmietwert, über dessen Abschaffung am 28. September abgestimmt wird. Er wurde im Ersten Weltkrieg vom Bundesrat als Kriegssteuer eingeführt. Dann wurde er aufgehoben, um 1934 wieder per Notrecht eingeführt zu werden – auf alle Ewigkeit. Zwischen 1970 bis in die Nullerjahre waren die Hypothekarzinsen so hoch, dass hoch verschuldete Wohneigentümer in der Tendenz mehr Steuern sparen konnten als Miethaushalte. Doch seit der Hypothekarzins unter 3 Prozent gefallen ist, spätestens seit 2009, zahlen die allermeisten Eigenheimbesitzer drauf. Für sie ist der Eigenmietwert einfach nur ungerecht.

Zudem fördert das System die Abhängigkeit von Banken, weil es den Anreiz schafft, sich stark zu verschulden, um den Zinsabzug zu vergrössern und damit die Steuern zu reduzieren. Im Parlament haben die Gegner Gehör gefunden. Die Räte beschlossen im Dezember des letzten Jahres die Abschaffung des Eigenmietwerts – nach acht Jahren Debatte.

Reformgegner sagen, das heutige System sei fair

Die Opponenten der Vorlage entgegnen, dass das heutige System fair sei, weil heute Hauseigentümerhaushalte und Mieterhaushalte steuerlich gleichgestellt seien. Wohneigentümer können so wie alle Steuerpflichtigen Schuldzinsen abziehen. Doch nur Hypothekarzinsen schenken steuerlich stark ein. Bei hoher Verschuldung reduziert der Hypothekarzins das steuerbare Einkommen beträchtlich – Miethaushalte haben diese Möglichkeit nicht.

Auch können Miethaushalte die Unterhaltskosten einer Wohnung steuerlich nicht geltend machen, während dies Eigenheimbesitzern erlaubt ist. Ergo sei es nur fair, so die Verfechter des heutigen Systems, wenn Leute mit selbst bewohntem Eigenheim den Eigenmietwert versteuerten. So könnte im erwähnten Beispiel ein Schuldzinsabzug von 21’000 Franken den Eigenmietwert in gleicher Höhe kompensieren. In diesem Fall bliebe die Steuerlast gleich.

Auch linke Parteien suchen nach Lösungen

Doch das ist für viele Ältere pure Theorie, wie der Fall der erwähnten Witwe zeigt. Wenn sie als Pensionärin die Hypothek abbezahlt hat, kann sie keine Zinsen abziehen und bleibt auf einem fiktiven Einkommen sitzen. Sie wird zum finanziellen Härtefall. Sogenannte kantonale Härtefallregelungen wurden vom Bundesgericht kassiert. Dass das ein echtes Problem ist, anerkennen auch linke Parteien, die normal höhere Steuern befürworten. Auch sie suchen seit Jahren nach Lösungen. Deshalb haben im Parlament gewisse linke Vertreter die Abschaffung des Eigenmietwerts unter gewissen Bedingungen unterstützt.

In der Praxis gibt es viele unterschiedliche Fälle: hohe oder tiefe Verschuldung, hoher oder tiefer Hypothekarzins, viel oder wenig Unterhalt, Doppel- oder Einzelverdiener. Bei jedem Eigenheimhaushalt lautet die Rechnung anders, jeder ist anders betroffen.

Bei tiefen Hypothekarzinsen oder bei kleiner Verschuldung wie im Beispielfall der Witwe führt der Eigenmietwert zu einer starken Belastung. Es ist an der Zeit, mit einigen Missverständnissen aufzuräumen.

Irrtum 1: Dass nur der Eigenmietwert abgeschafft wird

Am häufigsten spricht man vom Eigenmietwert, doch abgeschafft werden sollen mit dieser Reform auch der steuerliche Zinsabzug und der Unterhaltsabzug. Die Steuerreform wird deshalb als vollständiger Systemwechsel bezeichnet und wird links wie rechts als fair eingeschätzt. Das ist ein Novum in der Schweizer Geschichte.

Wie hoch sind die heutigen Eigenmietwerte und Abzüge schweizweit? Gesicherte Statistiken dazu gibt es nicht. Doch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat eine Hochrechnung auf Basis der Steuerdaten von vier Kantonen gemacht: In der Schweiz gibt es 1,4 Millionen Haushalte mit selbst bewohnten Erstliegenschaften. Sie versteuern zusammen Eigenmietwerte von 28 Milliarden Franken (Stand: 2020). Weitere 1,5 Milliarden Franken Eigenmietwert werden von Eigentümerschaften selbst genutzter Ferienwohnungen versteuert.
Wie hoch sind die Schuldzinsabzüge insgesamt? Die ESTV schätzte sie für das Jahr 2020 auf 20 Milliarden Franken (bei einem Hypothekarzins von 3,5 Prozent). Wie hoch sind die Unterhaltsabzüge insgesamt? Sie betragen geschätzt 14,4 Milliarden Franken.

Per Saldo wäre die Reform basierend auf den Zahlen von 2020, als der Hypozins hoch war, zum Nachteil für die Wohneigentümerschaften, weil mehr Steuerabzüge wegfallen würden als die Summe der Eigenmietwerte. Der Staat hätte einen Vorteil davon.

Geplant sind zwei Ausnahmen mit diesem Systemwechsel. Die eine Ausnahme betrifft Wohneigentümer mit weiteren privat vermieteten Wohnungen. Sie werden Zinsen abziehen dürfen, und zwar proportional zum Verhältnis des Werts des nicht selbst bewohnten Wohneigentums zum Gesamtvermögen. Die Politik hat dafür einen Begriff kreiert: quotal-restriktiver Schuldzinsabzug. Die zweite Ausnahme betrifft Erstkäuferschaften im Sinne einer Eigentumsförderung. Sie dürfen während zehn Jahren limitiert Schuldzinsen dennoch abziehen. Das sind maximal 10’000 Franken für Paare und 5000 Franken für Einzelpersonen.

Irrtum 2: Dass die geplante Reform für Mieterhaushalte ungerecht ist

Der Nationalrat und Vizepräsident des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz (MV), Michael Töngi (Grüne), signalisierte Zustimmung zum vollständigen Systemwechsel. In der Schlussabstimmung des Nationalrats enthielt er sich der Stimme. Das Gleiche tat MV-Vorstandsmitglied Jacqueline Badran (SP). Im Rat sagte sie letzten September: «Die Sozialdemokratie hat immer gesagt, sie würde der Abschaffung des Eigenmietwerts, also einem Systemwechsel bei der Besteuerung von selbst bewohntem Eigentum, zustimmen, wenn zum einen der Systemwechsel vollständig ist.» Das ist der Fall.

Weiter erklärte Badran, mit selbst bewohntem Wohneigentum werde der Anreiz als Immobilienanlage entzogen. Der Systemwechsel habe «eine preisdämpfende Wirkung». Und Immobilienkäufer hätten «keinen steuerlichen Anreiz mehr für eine hohe Verschuldung». Der Staat würde verhindern, dass Vermögende Steuern optimieren, indem sie Hypotheken aufnehmen, «um mit dem Geld an den Aktienmärkten Gewinne zu erzielen», so Badran.

Dass der Mieterinnen- und Mieterverband heute offiziell den Systemwechsel ablehnt, hat mit der ideologisch geprägten Abwehrhaltung des Genfer Verbandspräsidenten Carlo Sommaruga zu tun. Er trimmte den Verband auf die Nein-Parole. Laut Insidern kam es in dieser Frage zu Streit zwischen ihm, Töngi und Badran. Er habe argumentiert, es könne nicht sein, dass der MV die gleiche Position habe wie der gegnerische Hauseigentümerverband (HEV). Während Badran ihre SP-Partei nicht umzustimmen vermochte, schaffte Töngi dies im Parlament: Die Hälfte der grünen Fraktion stimmte für den Systemwechsel oder enthielt sich der Stimme.

Wohneigentum ist an der Urne stark vertreten

Die Wohneigentumsquote beträgt 36 Prozent. Der Anteil der Stimmbürgerschaft mit Wohneigentum ist aber höher: Er beträgt 43 Prozent, weil ein höherer Anteil der Mieterhaushalte ausländischer Herkunft nicht stimmberechtigt ist. Zwar sind Wohneigentümerhaushalte in der Minderheit, sie gelten aber als überdurchschnittlich politisch aktiv. In zwölf Kantonen stellen Wohneigentümer die Mehrheit der Stimmberechtigten. Berechnet man die Beteiligungsrate der Stimmbürgerschaft, stimmten 20,5 Kantone oft für die Interessen des Wohneigentums. Das Analyseteam der Raiffeisen schätzt die Chancen einer Annahme der Vorlage deshalb als hoch ein.

Die Wohneigentumsquote beträgt 36 Prozent. Der Anteil der Stimmbürgerschaft mit Wohneigentum ist aber höher: Er beträgt 43 Prozent, weil ein höherer Anteil der Mieterhaushalte ausländischer Herkunft nicht stimmberechtigt ist. Zwar sind Wohneigentümerhaushalte in der Minderheit, sie gelten aber als überdurchschnittlich politisch aktiv. In zwölf Kantonen stellen Wohneigentümer die Mehrheit der Stimmberechtigten. Berechnet man die Beteiligungsrate der Stimmbürgerschaft, stimmten 20,5 Kantone oft für die Interessen des Wohneigentums. Das Analyseteam der Raiffeisen schätzt die Chancen einer Annahme der Vorlage deshalb als hoch ein.

Irrtum 3: Dass mit der Steuerreform alle Hauseigentümer profitieren

Von der Reform profitieren werden die Haushalte, die ihre Hypothek stark amortisiert haben. Das sind vor allem Pensionierte und solche, die viel Eigenkapital haben. Die Raiffeisen hat errechnet, wer draufzahlt und wer nicht. Vereinfacht gesagt: je höher die Belehnungshöhe und je höher der Hypothekarzins, desto grosser der künftige steuerliche Nachteil. Ab 50 Prozent Verschuldung (gemessen am Immobilienwert) wirds ungemütlich, sofern der Hypothekarzins über 3,5 Prozent steigt. Bei 67 Prozent Verschuldung kommt man bei 3 Prozent in die rote Zone. Und bei 80 Prozent Verschuldungsgrad ist man ab 2 Prozent schlechter dran mit der Reform als heute, weil der Hypothekarzins nicht mehr vom Einkommen abgezogen werden könnte. Das zeigen die Berechnungen der Raiffeisen anhand des Beispiels einer Familie in Frauenfeld (siehe Tabelle unten).

Darüber hinaus beeinflusst der Zustand des Hauses die Bilanz. Personen, die ein neues Haus mit wenig Unterhalt haben, spielt die Reform in die Hände. Wer aber einen Altbau bewohnt und jährlich Renovationen durchführt, wird mit der Reform steuerlich benachteiligt, weil der Unterhalt künftig nicht mehr abgezogen werden könnte.

Schliesslich spielt der Steuerwohnsitz eine Rolle: Leute mit selbst bewohntem Eigentum im steuergünstigen Zug profitieren weniger von der Reform als solche etwa in Hochsteuerkantonen wie Wallis, Waadt oder Genf, wo der Eigenmietwert stark belastet. Fazit: Keinen Vorteil im Falle einer Reform haben Eigentümerschaften mit viel Hypothekarschulden und einem grossen Unterhaltsrückstand.

Irrtum 4: Dass der Anreiz für Renovationen abnimmt

Der anstehende Systemwechsel mobilisiert die Gegnerschaft nicht nur im linken Spektrum, sondern auch unter Bürgerlichen. Das Ausbaugewerbe, eine Untergruppe des Lobbyverbands Bauenschweiz, macht mobil, denn es befürchtet, dass durch die Abschaffung des steuerlichen Unterhaltsabzugs die Steuerpflichtigen weniger Renovationen durchführen. Die These besagt, dass frei werdendes Geld der Haushalte künftig eher in die Abzahlung der Hypothek statt in den Unterhalt fliessen könnte. Diese Einschätzung teilt auch der Raiffeisen-Research-Chef Fredy Hasenmaile. In einer Analyse schreibt er: «Mittel- und langfristig sinken die Anreize für Unterhaltsarbeiten, was weniger Aufträge für die Bauwirtschaft zur Folge hätte.»

Belegen lässt sich das allerdings nicht. Der Mitnahmeeffekt des Unterhaltsabzugs dürfte erheblich sein. Dies zeigen Studien zur Wirkung von Subventionen bei der energetischen Sanierung von Häusern. Sie werden durch das sogenannte Gebäudeprogramm der Kantone finanziert. So hat eine Untersuchung der Eidgenössischen Finanzkontrolle von 2024 ergeben, dass ein Grossteil der energetischen Sanierungen – die Rede ist von 73 Prozent – auch ohne Subventionen durchgeführt worden wäre. Der Unterhaltsabzug ist eine Art Steuersubvention. Wird der Unterhaltsabzug im Zug der Reform abgeschafft, werden notwendig scheinende Renovationen dennoch gemacht.

Markus Meier, der Direktor des Hauseigentümerverbands (HEV), sagt, der «steuerlich motivierte Unterhalt» sei marginal. Er beruft sich dabei auf Zahlen des Verbands des Ausbaugewerbes. Dieser schätzt, «dass nur gerade 3,5 Prozent der jährlichen Bauinvestitionen in den Bereich der werterhaltenden Unterhaltsarbeiten bei Eigenheimen fallen». Ein so kleiner Anteil könne «keine Branche ins Wanken bringen», sagt Meier. Und er verweist auf den Gewerbeverband, der sich mit deutlicher Mehrheit für den Systemwechsel ausgesprochen hat.

Irrtum 5: Dass die Reform viel kostet

Nach Schätzung der Eidgenössischen Steuerverwaltung würde der Bund mit der Reform derzeit einem Steuerausfall von 400 Millionen Franken gewärtigen. Die Prognose stimmt, solange die Hypothekarzinsen bei 1,5 Prozent verharren. Sinkt der Zins, wird der Ausfall grösser.

Doch sobald die Inflation einsetzt, wie dies zuletzt 2020/2021 der Fall war, und die Zinsen auf über 2,5 Prozent steigen, würde der Bund keine Verluste mehr erleiden. Ab 3 Prozent Schuldzins wäre die Bilanz für den Bund gar positiv; er würde 200 Millionen Franken zusätzlich einnehmen.

Irrtum 6: Dass die Kantone mit der Reform Geld verlieren

Die steuerliche Bilanz für die 26 Kantone ist weit schwieriger zu schätzen als für den Bund. Mit dem Ja an der Urne zum Systemwechsel wird den Kantonen ausdrücklich das Recht gegeben, Verluste auf Kantons- und Gemeindeebene zu kompensieren. Deshalb stimmt das Volk überhaupt ab. Die Steuerreform selbst ist unbestritten. «Je nach Bedarf werden die Behörden mögliche Steuerausfälle entweder durch die Möglichkeit der Objektsteuer auf Zweitliegenschaften kompensieren oder durch Effizienzgewinne auffangen», sagt Markus Meier, Direktor des HEV.

In diesem Licht erscheinen die kursierenden Verlustprognosen als Theorie. Sollten die Kantone keine Objektsteuer einführen, betrüge der Steuerverlust beim heutigen Zinsniveau rund 1,4 Milliarden Franken, aufgeteilt auf 26 Kantone. Steigt der Hypothekarzins auf 2,5 Prozent an, wäre der Verlust bloss 450 Millionen Franken. Ab 5 Prozent würden die Kantone zusammen gar 2 Milliarden Franken mehr einnehmen mit der Reform. Der Systemwechsel ist fiskalpolitisch also eine Wette: Sinkt der Zins, verliert der Staat – steigt der Zins, gewinnt der Staat. Die Aussagen der Linken, die Vorlage schade per se dem Staat und begünstige nur Reiche, ist falsch. Jeder Kanton erhält das Recht, die Steuerausfälle per Objektsteuer zu kompensieren.

HEV-Direktor Meier argumentiert zudem, dass sich bei einer Annahme der Vorlage der Aufwand sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Kantone massiv reduziere. Heute müssen Liegenschaften geschätzt, Unterlagen eingereicht sowie Abzüge belegt und kontrolliert werden. Das koste Zeit, Geld und Ressourcen. «Mit dem neuen System fallen die Aufwendungen dahin. Damit wird vieles einfacher, günstiger und fairer», sagt Meier.

Irrtum 7: Dass die Reform die Immobilienpreise für Wohnen per se weiter anheizt

Eigenheimbesitzerin Jacqueline Badran rechnet damit, dass die Reform die Preise senkt. Sie geht von einer sinkenden Nachfrage aus, weil der Anreiz, über Immobilien die Steuern zu optimieren, kleiner wäre. Der Bankenexperte Hasenmaile kommt zum umgekehrten Schluss: dass die Preise steigen, weil mit der Reform Wohneigentum attraktiver wäre. Seine Einschätzung gilt aber nur für den Fall, dass die Hypothekarzinsen tief bleiben. Ob dies der Fall wäre, wenn die Zinsen über 2,5 Prozent steigen, lässt er offen.

Klar ist für Hasenmaile, dass Häuser mit hohem Unterhaltsrückstand keine Preissteigerung erfahren würden. Für ihn sind Steuerpflichtige, die ältere Häuser bewohnen, die eigentlichen Verlierer der Reform, weil sie auf Jahre hinaus die Möglichkeit verlören, den Unterhaltsrückstand über Steuerabzüge mitzufinanzieren. Insgesamt glaubt er aber, dass die Auswirkungen auf Hauspreise beim heutigen Zinsniveau «nicht allzu stark ausfallen» würden. Dies, weil die Tragbarkeitshürden zum Eigenheimkauf enorm hoch seien. «Die gesteigerte Attraktivität von Wohneigentum würde nur zum Teil nachfragewirksam», sagt Hasenmaile.

Schliesslich werden die Immobilienpreise je nach Kanton auf die Reform unterschiedlich reagieren, weil die Steuerbelastung stark unterschiedlich ist.
Es erstaunt nicht, dass die Raiffeisen und mit ihr die Kantonalbanken gegenüber der Reform in der Tendenz kritisch sind. Ihr Geschäftsmodell wäre infrage gestellt: Wenn Schuldzinsen nicht mehr steuerlich abgezogen werden können, dürfte sich die Hypothekarsumme reduzieren. Zu den Verlierern der Reform dürften vor allem Banken zählen, die heute vom steuerlichen Schuldzinsabzug profitieren.

Sollten die meisten Stimmberechtigten mit Wohneigentum an die Urne gehen und Ja stimmen, dürfte die Reform eine Chance haben, weil umgekehrt die Mieterschaft steuerlich kaum betroffen ist und ihr Interesse am Thema eher klein ist.

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