Darum gehts
Armee und Zivilschutz kämpfen mit Personalproblemen. Die Service-Citoyen-Initiative könnte diese auf einen Schlag lösen. Dennoch kämpft Mitte-Bundesrat Martin Pfister (62) gegen das Volksbegehren an. Im Gespräch mit Blick erklärt er seine Beweggründe.
Blick: Herr Pfister, seit Jahren klagt die Armee, dass ihr die Soldaten ausgehen. Als Verteidigungsminister müssten Sie den Initianten eigentlich ein Kränzchen winden.
Martin Pfister: Ja, wenn nach Annahme der Initiative alle zusätzlich Dienstpflichtigen auch tatsächlich Dienst leisten würden. Nur: Wir vergrössern ja nicht die Armee. Also wären die meisten, die neu dienstpflichtig würden, in anderen Bereichen einzuteilen. Naturschutz oder soziale Arbeit würden militarisiert. Das alles würde Sold und Erwerbsersatz kosten. Sprich: In einer Zeit, in der wir grosse Mühe haben, nur schon eine Armee mit 100’000 Leuten zu finanzieren, müssten wir Hunderte Millionen aufwerfen für Bereiche, die bereits gut funktionieren.
Aber die Personalprobleme bei Armee und Zivilschutz wären auf einen Schlag gelöst.
Eigentlich wären heute schon genügend Personen dienstpflichtig. Wichtig wäre, dass sie auch tatsächlich Dienst leisten. Wir arbeiten daher weiter an der Attraktivität von Militärdienst und Zivilschutz. Gleichzeitig sollen die Ausstiegsmöglichkeiten erschwert werden. Ausgebildete sollen ihre Dienstpflicht bis zum Ende erfüllen.
Dennoch: Bis heute kann der Bundesrat keine Alternative zur Behebung der Engpässe bieten. Seit Jahren werkelt das VBS an einem neuen Dienstmodell herum. Der Bundesrat hat die Vorschläge abgeschmettert. Ebenfalls wegen hoher Kosten, die Sie nun der Initiative vorhalten.
Das Parlament aber hat den Bundesrat überstimmt und ihn beauftragt, eine Sicherheitsdienstpflicht einzuführen. Wir sind daher daran, dieses Modell zu erarbeiten. Dieses fasst Zivilschutz und -dienst zu einem Katastrophenschutz zusammen, womit ähnlich lange Spiesse zwischen den Dienstarten geschaffen werden sollten.
Es blieben hohe Folgekosten – wie bei der Service-Citoyen-Initiative.
Auch die Sicherheitsdienstpflicht hat hohe Kosten zur Folge. Wir müssen daher eine vernünftige Umsetzung finden.
Kommt hinzu: Die Initiative will die Gleichstellung von Mann und Frau verwirklichen. Die Armee selber möchte ihren Frauenanteil auf zehn Prozent erhöhen, dieser liegt aber seit Jahren bei einem Prozent. Sind Sie nicht quasi auf die Initiative angewiesen?
Die Frauenförderung liegt mir sehr am Herzen. Frauen sind für die Armee ein grosser Gewinn. Die Parlamentsdebatte aber hat gezeigt: Viele Frauen nehmen einen obligatorischen Militärdienst nicht als Gleichstellung wahr, sondern als zusätzliche Belastung, weil viele schon andere wichtige Aufgaben in der Gesellschaft wahrnehmen. Natürlich müssen Frauen und Männer gleiche Rechte und Pflichten haben. Im Moment aber wird mit der Initiative und ihren neuen Pflichten für Frauen noch keine Gleichstellung erreicht.
Das mag richtig sein. Aber Hand aufs Herz: Ohne die Initiative wird ein Frauenanteil von zehn Prozent in der Armee kaum zu erreichen sein.
Wir haben Massnahmen ergriffen, damit er steigt. Ich würde es sehr begrüssen, würden mehr Frauen Dienst leisten. Und bald haben wir ein Instrument, über das das Volk noch abstimmen wird: den obligatorischen Orientierungstag. Damit können wir vermehrt auch jungen Frauen aufzeigen, welche Bandbreite an Möglichkeiten es gibt. Es wird nicht nur die Armee vorgestellt, sondern auch der Zivilschutz und andere Möglichkeiten, sich gesellschaftlich zu engagieren.
Halten Sie beim Frauenanteil am Zehn-Prozent-Ziel fest?
Ja, wir müssen in den nächsten Jahren daran arbeiten, die Freiwilligkeit weiter zu steigern. Wie gesagt: Für die Armee sind Frauen wichtig. Eine Dienstpflicht für alle aber ist derzeit nicht notwendig. Wir haben keine Armee mit 200’000 Angehörigen – und auch gar nicht die nötigen Mittel dafür. Wollen wir eine Dienstpflicht für alle, müssten wir konsequenterweise die Armee massiv vergrössern.
Meist folgt die Mitte-Partei ihren Bundesräten ohne Wenn und Aber. Bei der Service-Citoyen-Initiative hingegen hat sie sich schwergetan. Wie erklären Sie sich das?
Das Anliegen ist grundsätzlich sympathisch. Schaut man aber genau hin, schiesst es in der Umsetzung weit übers Ziel hinaus. Der Freiwilligenarbeit wäre kein Gefallen getan, wenn sie die Verfassung festschreibt und sie so zum Zwang wird. Daher sind auch viele Milizorganisationen wie etwa die Jugendverbände gegen die Initiative.
Martin Pfister (62) ist seit April im Bundesrat und hat von Vorgängerin Viola Amherd (63) das Verteidigungsdepartement übernommen. Zuvor sass der Mitte-Politiker neun Jahre im Zuger Regierungsrat. Pfister ist ausgebildeter Lehrer und studierter Historiker. Er lebt in Allenwinden ZG und ist Vater von vier erwachsenen Kindern. Seine Ehefrau Cacilda Giacometti stammt aus Brasilien und brachte zwei Töchter mit in die Beziehung.
Martin Pfister (62) ist seit April im Bundesrat und hat von Vorgängerin Viola Amherd (63) das Verteidigungsdepartement übernommen. Zuvor sass der Mitte-Politiker neun Jahre im Zuger Regierungsrat. Pfister ist ausgebildeter Lehrer und studierter Historiker. Er lebt in Allenwinden ZG und ist Vater von vier erwachsenen Kindern. Seine Ehefrau Cacilda Giacometti stammt aus Brasilien und brachte zwei Töchter mit in die Beziehung.
Sie warnten auch schon davor, die Initiative könne das Verbot gegen Zwangsarbeit ritzen. Männer aber werden bereits zum Dienst verpflichtet. Warum sollte ein allgemeiner Bürgerdienst plötzlich ein Problem sein?
Das ist eine juristische Beurteilung. Nach internationalem Recht kann man Bürgerinnen und Bürger für Militärdienst verpflichten, nicht aber für weitere Arbeiten. Es wäre durchaus möglich, dass nach einer demokratischen Annahme der Initiative eine von der neuen Bürgerdienstpflicht betroffene Person juristisch gegen diese Verpflichtung vorgehen würde.
Die Initianten gehen schon heute juristisch gegen den Bund vor. Sie fühlen sich im Abstimmungsbüchlein nicht korrekt wiedergegeben. Hat der Bund gemogelt?
Nein, die Abstimmungsunterlagen wurden redlich und korrekt erstellt. Die Initianten hatten die Möglichkeit, ihre Position darzustellen. Es hat sich leider etwas eingeschlichen, dass immer öfter Abstimmungsbeschwerden eingereicht werden. Ich bedaure das, will aber nicht einem Gerichtsurteil vorgreifen.
Es ist Ihr erster Abstimmungskampf als Bundesrat. Wie nervös sind Sie?
Genau, und es wird nicht der letzte sein. Wir werden in den nächsten Jahren über einige sicherheitspolitische Fragen entscheiden müssen. Ich bin angespannt und motiviert, jeweils gut über die Vorlagen zu informieren. Das ist immer eine Gelegenheit, mit der Bevölkerung im Dialog zu stehen. Und das ist für einen Politiker immer gut.