Darum gehts
- FDP ändert Haltung zur Service-citoyen-Initiative trotz früherer Unterstützung
- Initiative fordert Bürgerdienst für alle, einschliesslich Frauen
- FDP-Motion 2020 für allgemeinen Bürgerdienst wurde mit 48 zu 142 Stimmen abgelehnt
«Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?» Das Zitat wird dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer (†91) zugeschrieben. Es weist auf einen gewissen Pragmatismus in der Politik hin.
Auch die FDP scheint von bisherigen Überzeugungen nichts mehr wissen zu wollen. Das zeigt sich bei der Service-citoyen-Initiative, über welche die Schweiz am 30. November abstimmt. Das Volksbegehren fordert einen Bürgerdienst für alle, also auch Frauen würden dienstpflichtig. Neben dem Militär und Zivilschutz könnte der Dienst auch beim Katastrophenschutz, in der Bildung oder im Gesundheitswesen geleistet werden.
Milizsystem weiterentwickeln
Wie Bundesrat und Parlament lehnen auch die meisten grossen Parteien die Initiative ab – auch die FDP. Die Ausweitung der Dienstpflicht widerspreche dem Milizsystem, begründet der Freisinn seine Nein-Parole. Die Haltung erstaunt, denn es ist noch nicht allzu lange her, da hatte die FDP im Bundesparlament dasselbe gefordert.
Unter der Geschäftsnummer 20.4062 hat die FDP im Herbst 2020 eine Fraktionsmotion eingereicht, die die Einführung eines allgemeinen Bürgerinnen- und Bürgerdiensts verlangte. Gerade weil der Schweizer Armee allmählich die Soldaten ausgehen, sei das Milizsystem weiterzuentwickeln und an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.
Gleichzeitig sollten «aus Sicht der Gleichberechtigung» auch Frauen in den institutionellen Dienst am Staat einbezogen werden. Ziel eines allgemeinen Bürgerdienstes sei es, dass alle nach ihren Fähigkeiten eine persönliche Dienstleistung zugunsten der Gesellschaft erbringen, hatte die FDP damals erklärt. «Dadurch wird das Milizengagement gestärkt.»
FDP will keinen Widerspruch erkennen
Noch im März 2022 hatte die FDP für ihre Forderung gekämpft, war im Nationalrat aber mit 48 gegen 142 Stimmen bei 2 Enthaltungen chancenlos geblieben. Nun aber kämpft die FDP selber gegen die Service-citoyen-Initiative, die dasselbe fordert. Ein Widerspruch?
Nicht, wenn es nach dem Freisinn geht. Auch wenn sich die Partei auf Anfrage mit einer Erklärung nicht einfach tut. Zusammengefasst: Mit ihrer Fraktionsmotion habe die FDP den Armeebestand sichern wollen, die Initiative dagegen lasse eine Wahlfreiheit, womit der Personalbestand des Militärs arg gefährdet würde.
Nur: Von einer Wahlfreiheit ist im Initiativtext keine Rede. Im Gegenteil wird festgehalten, dass der Soll-Bestand von Armee und Zivilschutz garantiert sein soll. Es sind lediglich die Gegner, die nicht an eine wortgetreue Umsetzung glauben mögen. Die Erklärung, warum dies bei ihrem eigenen Vorstoss hätte anders sein sollen, bleibt die FDP allerdings schuldig. Der Eindruck politischer Pirouetten bleibt.