Darum gehts
- Armee hat Personalproblem trotz zu vieler Soldaten. Bundesrat biegt Gesetz zurecht
- Verteidigungsdepartement arbeitet an neuem Dienstpflichtmodell ohne abschliessendes Ergebnis
- Beide Varianten würden jährliche Mehrkosten von etwa 900 Millionen Franken verursachen
Die Service-Citoyen-Initiative legt den Finger auf einen wunden Punkt. Seit Jahren klagt die Schweizer Armee, dass ihr die Soldaten ausgehen. «Am Ende des Jahrzehnts wird uns rund ein Viertel der Bestände fehlen!», hatte Armeechef Thomas Süssli (59) gewarnt. Beim Zivilschutz sieht es nicht besser aus.
Der Bürgerdienst für alle, über den die Schweiz am 30. November abstimmt, will dieses Problem lösen. Jede und jeder soll seinen und ihren Teil beitragen – dort, wo er gebraucht wird. Vor allem aber sollen die Bestände von Armee und Zivilschutz garantiert sein.
Bundesrat biegt Gesetz zurecht
Fakt aber ist: Das Personalproblem liegt nicht nur an den zahlreichen Abgängen in den Zivildienst. Es ist teilweise auch hausgemacht. Denn eigentlich hat die Armee im Moment sogar zu viele Soldaten. Die derzeitigen Bestände überschreiten die gesetzliche Höchstgrenze.
Vorgesehen sind ein Sollbestand von 100'000 und ein Effektivbestand von 140'000 Dienstpflichtigen – höchstens. Heute aber sind es gut 147'000 Soldaten. Das Militär muss also Leute loswerden. Und ist dabei übers Ziel hinausgeschossen.
Um möglichst rasch wieder einen gesetzeskonformen Zustand zu erreichen, wurde beschlossen, die Dienstpflicht von zwölf auf zehn Jahre zu kürzen. Das führt dazu, dass zusätzliche Jahrgänge entlassen werden – und der Effektivbestand sinkt. Die drohende Personalnot, vor der die Armee warnt, ist somit selbst verschuldet.
Der Bundesrat aber hat beschlossen, auf die Bremse zu treten. Obwohl sie die gesetzliche Höchstgrenze überschreitet, will er die Armee nicht verkleinern. Lieber biegt er das Gesetz, um den maximalen Bestand für eine gewisse Zeit zu überschreiten.
Während in Osteuropa Krieg herrscht, erachtet er es als wenig sinnvoll, Soldaten aus dem Dienst zu entlassen. Sie seien nötig, um die Durchhaltefähigkeit bei länger dauernden Einsätzen sicherstellen zu können.
Keine Lösung für das Personalproblem
Doch auch das ist nur eine Zwischenlösung. Seit Jahren werkelt das Verteidigungsdepartement (VBS) daher an einem neuen Dienstpflichtmodell herum – bis heute ohne abschliessendes Ergebnis. Mittlerweile liegen zwei Modelle vor: Bei der «Sicherheitsdienstpflicht» würden Zivilschutz und -dienst zum Katastrophenschutz zusammengelegt. Bei der «bedarfsorientierten Dienstpflicht» müssten auch Frauen Dienst leisten.
Die bürgerliche Mehrheit im Parlament möchte möglichst rasch die Sicherheitsdienstpflicht einführen. Nicht aber der Bundesrat. Er erteilte im Januar beiden Varianten eine heftige Abfuhr. Erwärmen konnte er sich bisher einzig für einen obligatorischen Orientierungstag für Frauen.
Ein Dorn im Auge sind der Regierung die hohen Kostenfolgen: Bei beiden Varianten wären rund 900 Millionen Franken in zusätzliche Unterkünfte und Ausbildungsbauten zu investieren. Zudem würden die jährlichen Mehrkosten für Bund und Kantone ebenfalls etwa 900 Millionen Franken betragen. Für den Gesamtbundesrat ist das «nicht vertretbar und nicht tragbar».
Und das ist noch nicht alles. Neben den direkten Kosten würden auch «längere Abwesenheiten im Arbeitsmarkt die Unternehmen vor grosse Herausforderungen stellen». Es sind ähnliche Bedenken, die der Bundesrat nun auch gegen die Service-Citoyen-Initiative äussert.
Das Verteidigungsdepartement muss nun nachsitzen. Der Bundesrat hat es dazu verdonnert, ihm bis Ende 2027 nochmals einen neuen Antrag zum weiteren Vorgehen vorzulegen. Eine Lösung für das drohende Personalproblem wird also noch länger auf sich warten lassen.